- Alte Meister von der Stange
Nicht nur Hermann Göring jubelte er einen falschen Vermeer unter: Die aufsehenerregende Geschichte des niederländischen Kunstfälschers Han van Meegeren
„Das gestörte Verhältnis zum Vater“, so der New Yorker Psychoanalytiker Werner Muensterberger, „ist typisch für einen Fälscher.“ Ein Paradebeispiel für seine Theorie ist Han van Meegeren, einer der berühmtesten Kunstfälscher aller Zeiten.
Geboren 1889 im niederländischen Deventer, litt van Meegeren unter seinem streng katholischen Vater, der äußerst autoritär und leicht reizbar war, während die kränkliche Mutter nur wenig Durchsetzungsvermögen bewies. Es heißt, dass der kleine Han bis zu seinem vierten Geburtstag nicht viel sprach, und wenn er Hunger hatte, dann zeichnete er ein belegtes Brot. Die enge Verbindung zu seinem älteren Bruder nahm ein jähes Ende, als der Vater diesen zwang, die Priesterlaufbahn einzuschlagen, und er bald darauf unter ungeklärten Umständen starb.
Han durfte zwar nicht die Kunstakademie besuchen, aber immerhin konnte er Architektur in Delft studieren, der Heimat des Malergenies Jan Vermeer. Zunächst malte van Meegeren nur nebenbei, mit seinen gefälligen Bildnissen brachte er es aber bald zu einem gewissen Erfolg – besonders bei den Damen, die ihn für Porträtsitzungen und private Malstunden anstellten. Die Moderne, die nach und nach die Kunstwelt revolutionierte, war ihm ein Graus. Er war ein Reaktionär, träumte sich ins goldene Zeitalter der Malerei des 17. Jahrhunderts zurück und hoffte dabei vergeblich auf den eigenen großen Durchbruch – zumindest mit dem, was er offiziell malte.
Denn bald bemerkte er, dass im Oeuvre von Jan Vermeer eine Lücke klafft: Man kennt Vermeers Interieurs, die stillen Mägde und die musizierenden jungen Frauen, aber warum sind religiöse Motive bei ihm so selten? Und mit einigem Geschick machte er sich daran, diese Lücke zu füllen. Van Meegeren mauserte sich nach und nach zum Spezialisten für historische Techniken, nutzte jahrhundertealte Leinwände und entwickelte eine Mischung von Ölfarbe und Bakelit, um die Farbe künstlich altern zu lassen. Die „neu entdeckten“ Werke Alter Meister trafen den Nerv seiner Zeit. Eine seiner bekanntesten Fälschungen etwa, „Christus und die Jünger in Emmaus“, wurde 1938 im Museum Boijmans in Rotterdam als Sensationsfund gefeiert. Sogar eingefleischte Kunsthistoriker ließen sich von dem Bild täuschen, was den Fälscher in höchstem Maß befriedigt haben muss. Denn es braucht nicht viel psychologische Einsicht, um in den Experten eine väterliche Autorität zu erkennen.
Für heutige Augen sind die alten Fälschungen hingegen alles andere als überzeugend. Stilistisch wirken die „Vermeers“ eher so, als hätte man biblische Szenen von Caravaggio mit den hohlwangigen Figuren von Karl Hofer und einem Filmplakat von Marlene Dietrich verquirlt. Doch in den dreißiger und vierziger Jahren meinte die Fachwelt allen Ernstes, neue Werke des verehrten alten Meisters entdeckt zu haben.
Am Ende war es gerade sein Erfolg, der Han van Meegeren fast den Kopf kostete. 1942 hatte der unersättliche Reichsfeldmarschall Hermann Göring über einen Mittelsmann für sehr viel Geld das vermeintliche Vermeer-Bild „Christus und die Ehebrecherin“ gekauft. Weil van Meegeren damit angeblich niederländisches Kulturgut an die Deutschen verschachert hatte, wurde er nach dem Krieg in Holland als Kollaborateur verhaftet. Erst jetzt rückte er mit der Sprache heraus. Dass Görings Bild gar kein Vermeer gewesen sei, sondern eine Fälschung, wollte man ihm zunächst partout nicht glauben. Doch dann ließ er sich Farbe und Leinwand ins Gefängnis bringen und malte vor den Augen einer überaus interessierten Öffentlichkeit den nächsten „Vermeer“. Von da an galt er als Volksheld, hatte er doch den Deutschen ein Schnippchen geschlagen. Das schmeichelhafte Image nahm der Fälscher gerne an, und seine bis kurz zuvor gepflegten Nazi-Sympathien wurden schnell unter den Teppich gekehrt.
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