- Guttenberg wird seziert
Guttenberg war das Monster des Boulevard. Sat.1 lässt ihn jetzt auferstehen
Wie gerne hätte ich diesen Film verrissen. Ich hätte Sätze geschrieben wie „Beim Verlassen der Vorführung empfand ich das dringende Bedürfnis, meine Augen mit Salzsäure auszuwaschen.“ Daraus wird nichts. Denn wider Erwarten ist der „Minister“, die Guttenberg-Satire von SAT1, ganz gut geworden.
Nicht in dem Sinn, in dem „Schtonk!“ gut ist. Sondern: „Der Minister“ wird seinem Sujet gerecht. Keine scharfzüngige Analyse, kein gewitzter Kommentar, kein meinungsstarker Leitartikel hat geschafft, was diesem Film mit spielerischer Leichtigkeit gelingt: Das Phänomen Guttenberg auf seine boulevardeske Quintessenz zu reduzieren.
Die bunten Blätter haben den Aufstieg des Freiherrn inszeniert wie eine Telenovela. Und Guttenberg ließ sich gerne darauf ein – mit den bekannten Folgen. Spätestens mit Übernahme des Wirtschaftsministeriums war er selbst zu einer Kreatur des Boulevard geworden: Eine Telenovela-Figur, die sich ins echte Leben verirrt hatte. Strahlende Hülle; leere, meinungsbefreite Projektionsfläche. Darum konnten Skandale und Affärchen ihm nichts anhaben: Was juckt es Mickey Mouse, wenn die Aktien des Disney-Konzerns einbrechen?
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Guttenberg hätte über einen „äußeren“ Skandal – eine weitere Kundus-Affäre, eine weitere Gorch-Fock-Affäre – nicht stürzen können. Was ihn zu Fall brachte, kam von „innen“. Mit der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit wurde das Fassadenhafte seiner Telenovela-Persönlichkeit offenbar. So etwas verzeiht das Publikum nicht.
Den Fall des Ministers inszenierten wiederum die bunten Blätter. Der Boulevard hetzte sein eigenes Monster zu Tode. Frühjahr 2011: Letzter Akt der Tragödie; Grablegung.
Ein paar Monate später wollte die geschlachtete Kreatur die eigene Exhumierung in die Wege leiten – in einem Interviewbuch mit Giovanni di L. Der Versuch misslang. Angeekelt und ein bisschen genervt schrie der Boulevard sein Monster an: Still, Du bist doch tot! Tote geben keine Interviews!
Vorerst, so schien es, war das Monster des Boulevard gebannt. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis es wiederkommen würde.
Die Auferstehung würde bloß ein bisschen anders verlaufen als gedacht.
Hegel hat einmal gesagt: Alle großen Weltgeschehnisse ereignen sich zweimal; und Marx hat süffisant hinzugefügt: beim ersten Mal als Tragödie, beim zweiten Mal als Farce.
Die Guttenberg‘sche Tragödie ist auserzählt. Wir sind sie leid. Nur unter einer Bedingung darf das Monster des Boulevard jetzt das Leichentuch abstreifen: wenn es bereit ist, sich in einer Farce preiszugeben.
Dass sie bei SAT1 ihren Marx im Regal stehen haben, hatten wir uns schon gedacht. Und folgerichtig beugt der Boulevard sich mit seinen groben, ein bisschen ranzigen Instrumenten über den Kadaver der Kreatur und schnippelt daran herum, bastelt sich aus seinem einstigen Heros einen Narren.
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Schade nur, dass Drehbuchautorin Dorothee Schön nicht beherzter schneidet und sägt, nicht tiefer wühlt. Dann nämlich könnte gelingen, was eine echte Guttenberg-Satire leisten müsste: Das Innerste dieses Boulevard-Monsters zutage zu fördern, die völlige Leere der auf links gedrehten Hülle. Wenn das gelänge, wäre Guttenberg reif fürs Dschungelcamp. Dann wäre die Auferstehung in der Farce gelungen.
Leider haben die Filmemacher dann doch nicht so viel Chuzpe. „Der Minister“ ist flott inszeniert und häufig witzig, aber für eine Satire zu harmlos. Es ist ein bisschen so, als wollten sie sagen: Schaut mal, dieses Kerlchen hätte es fast bis ins Kanzleramt geschafft – kurios, oder? Etwas mehr Empörung hätte dem Film nicht geschadet. Aber SAT1 ist eben ein Wohlfühl-Sender.
So bleibt am Ende: (a) erneute Fassungslosigkeit, dass so einer so etwas schaffen konnte; (b) ein leichtes Unbehagen hierüber; und (c) die Erkenntnis, dass Guttenberg seine politische Karriere womöglich schon immer im Hinblick auf eine spätere Verfilmung inszeniert hat.
„Der Minister” – Dienstag, 12. März, 20 Uhr 15, Sat.1
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