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Gender Gap - Gleichstellung ist männerfeindlich

Kisslers Konter: Die Männer sind in Gefahr. Auf dem Weg von Gleichberechtigung zu Gleichstellung geht die Vernunft verloren. Wird es bald „Männerbeauftragte“ geben, die Männern als „Gleichstellungsopfern“ beistehen?

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Gestern war er wieder da, der Murmelschläfertag im Zeichen des Y-Chromosoms, der „Weltmännertag“. Vermutlich ging er an den meisten Männern vorbei, und er ist ja auch wirklich eine seltsame Erfindung aus dem Jahre 2001, dieser „Weltmännertag“. Das spät geborene Pendant zum „Weltfrauentag“, den es seit über hundert Jahren gibt, hat lautere Absichten und eine sehr leise Stimme. Denn eigentlich, so geht die Fama, müsse sich der Männer niemand gesondert annehmen. Wir lebten immer noch in „a man’s world“, Männer regieren, brechen Kriege vom Zaun, töten und werden getötet, leiten Konzerne, Parteien und Weltanschauungen.

Im Großen und Ganzen stimmt diese globale Sicht, doch die westliche Welt will es dabei nicht bewenden belassen. Frauen sollen bekommen, was ihnen zusteht, die Hälfte von allem. Gleichberechtigung indes – und da wird es noch seltsamer – ist längst nicht mehr das Ziel, Gleichstellung soll es sein. Der Unterschied ist gewaltig. Gleichberechtigung ist ein Menschenrecht, und wem sie aufgrund des Geschlechts verweigert wird, der wird diskriminiert. Gegen solche Diskriminierung aufzustehen ist wiederum geschlechtsunabhängig Pflicht aller. Das Bemühen um Gleichberechtigung sollte Frauen und Männer einen, beide profitieren davon. Gleichstellung hingegen spaltet, ist ein urfeministisches Anliegen und männerfeindlich.

Männerfreie Zone
 

Davon kann sich überzeugen, wer den soeben veröffentlichten „Global Gender Gap Report 2014“ des Weltwirtschaftsforums liest. Insgesamt 142 Staaten wurden „hinsichtlich der Geschlechterkluft im Gesundheits- und Bildungsbereich und nach ökonomischen und politischen Kennzahlen“ bewertet. Die „Kluft zwischen den Geschlechtern“ soll sich schließen, denn „nur Volkswirtschaften, die vollen Zugang zu ihren Talenten haben, bleiben wettbewerbsfähig und werden wachsen“. So ist es. Der Index aber verfährt an vielen Stellen nach dem schlichten quantitativen Motto: Je weniger Männer das Sagen haben, desto besser ist es. Ruanda etwa, ein wahrlich noch nicht vollentwickeltes Land, belegt einen hervorragenden siebten Rang; Deutschland kommt fünf Plätze dahinter. In Ruanda sind die Parlamentarier zu 64 Prozent weiblich, in Deutschland nur zu 36 Prozent. Denkt man diese Tendenz zu Ende, dann wäre das vollendet gleichgestellte Land eine männerfreie Zone.

Dass auf dem abschüssigen Weg von Gleichberechtigung zu Gleichstellung die Vernunft perdu geht, zeigt sich nicht nur an der Inflation der Gleichbestellungsbeauftragten, die wie jede Inflation ihr Anliegen entwertet, handelt es sich doch in der Regel um Agentinnen zur Durchsetzung einer feministischen Agenda. Wo Mann war, soll Frau werden. Davon weiß jetzt auch der verhinderte Medizinstudent Marco Pancheri ein Lied zu siegen. Ihm wurde richterlich bestätigt, es sei schon in Ordnung, wenn er aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werde. Das allgemeine Interesse an der Gleichstellung sei übergeordnet, wo gehobelt wird, fallen nun einmal Späne.

Pancheri wurde es zum Verhängnis, dass die Medizinische Universität Wien für ihre Aufnahmetests 2012, wie der Euphemismus heißt, eine „gendergerechte“ Auswahl einführte. Frauen und Männer wurden getrennt bewertet, bei Frauen reichte eine niedrigere Gesamtpunktzahl. Nur so könne eine „strukturelle Benachteiligung von Frauen“ behoben werden: Urteilte nun der Wiener Verfassungsgerichtshof, der Pancheris Klage abwies.

Immerhin: Da die Bevorzugung der Frauen offenbar Erfolge gezeitigt hat, verzichtet derzeit die Medizinische Universität auf eine „gendergerechte Auswertung“. Doppeltes Pech also für Pancheri. Womit wir doch wieder beim „Weltmännertag“ wären. Es gibt tatsächlich legitime Interessen der Männer dieser Welt, Interessen an Teilhabe, Partizipation und Gleichberechtigung, die von der Gleichstellungspolitik hintertrieben werden. Wird es bald „Männerbeauftragte“ geben, die Männern als „Gleichstellungsopfern“ beistehen? Es werden herrliche Zeiten anbrechen für Juristen und Beamte und Genderforscher, Y sei’s Panier.

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