- Keine Aufklärung, sondern gelenktes Denken
Die ZDF-Dokumentation „Mensch Putin!“ hätte in Zeiten des Ukraine-Konflikts bereichern können. Doch statt Aufklärung gab es verschwörerisches Hintergrundgeraune. So füttert man nur den Zweifel der "Putin-Versteher". Hält das ZDF seine Zuschauer eigentlich für blöd?
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.
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Es hätte schon Grund zur Freude sein können, dass das ZDF gestern Abend zur besten Sendezeit keine Karnevalsliveübertragung brachte, sondern – man sehe und staune – eine Dokumentation. Noch dazu eine über Putin; noch dazu in einem Moment, der wegen des jetzt schon wieder verletzten Waffenstillstandsabkommens im Ukrainekrieg einen kritisch-aufklärerischen Blick auf Russlands Präsidenten mehr rechtfertigt denn je. Deswegen habe ich mich gestern um 20.15 Uhr vor den Fernseher gesetzt.
Was bei mir schon nach kurzer Zeit (und dann immer mehr) Beklemmungen weckte, war aber nicht die Tatsache, dass es in dem Beitrag „Mensch Putin!“ kaum Neues über den Mann zu erfahren gab, der die europäische Friedensordnung so gewaltig ins Wanken bringt, der sich offensichtlich an keinerlei Absprachen hält und den militärischen Konflikt als legitimes Mittel seiner Reexpansions-Strategie (beziehungsweise -Taktik) sieht. Sondern die Art, wie der Film aufgemacht war: Praktisch sämtliche Bilder zeigten Putin mit dämonischen Gesichtszügen, die unterlegte Musik hätte aus einem Horrorschocker stammen können, die Erzählstimme erinnerte an Gruselgeschichten auf Kinderkassetten. Das Ganze garniert mit etlichen Mutmaßungen sowie der entlarvenden Erkenntnis, dass der damalige KGB-Mann während seiner Agentenjahre in der DDR auf einer Party mit einer Frau herumgemacht habe, die nicht seine eigene war.
Film füttert Zweifel der „Putin-Versteher“
Hält das ZDF seine Zuschauer eigentlich für blöd? Warum kann man sich diesem eminent wichtigen Thema denn nicht mit der Sachlichkeit widmen, die einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt anstünde? Stattdessen entsprach die gesamte Aufmachung dieser Dokumentation dem Duktus und der Propagandatechnik von „Russia Today“ – nur eben mit umgekehrten Vorzeichen.
Den Menschen vor den Bildschirmen wird offenbar die Fähigkeit abgesprochen, sich aus halbwegs nackten Informationen ihr eigenes Bild zu formen. Deswegen brauchte es wohl aus Sicht der Macher das ständige verschwörerische Hintergrundgeraune. Mit solchen Beiträgen gelingt es dem ZDF spielend, sämtliche Zweifel der insgesamt eben doch ziemlich verstrahlten „Putin-Versteher“ aus dem ganz linken und dem ganz rechten Lager an der Objektivität deutscher Berichterstattung über den russischen Machthaber zu bestätigen. Nein, das war kein Glanzlicht der TV-Reportage. Sondern vielmehr gelenktes Denken.
Fernsehen könnte eigentlich ein tolles, ein aufklärerisches Medium sein. Von diesem Anspruch hat es sich längst verabschiedet. Leider auch bei uns im Westen. Leider auch bei den Öffentlich-Rechtlichen. Schade drum.
