- FC Islam gegen VfB Katholische Kirche
Gestern Abend bei Maischberger: Gesinnungstaliban jeder Couleur debattieren darüber, ob die Salafisten nun kommen oder nicht. Auf diesem Niveau hat der Kulturkampf zwischen Christen und Moslems keine Verlängerung verdient
Fußball ist bekanntlich eine Religion, und wer das nicht glaubt, konnte sich gestern Abend beim Relegationsspiel von Hertha BSC Berlin gegen Fortuna Düsseldorf vom Gegenteil überzeugen: Wildgewordene Gläubige rannten noch während des Gottesdienstes auf den heiligen Rasen, um in wahnhaftem Eifer die eine oder andere Reliquie zu ergattern, zum Beispiel den Elfmeterpunkt. Halleluja!
Fast nahtlos an diese denkwürdige Manifestation der Enthemmung knüpften hinterher einige Teilnehmer der nachfolgenden Sendung „Menschen bei Maischberger“ an. Das Thema hieß „Die Salafisten kommen“ – eine hübsche Steilvorlage also für den einen oder anderen Gesinnungstaliban. Den Anstoß vollzog Kristiane Backer, eine zum Islam konvertierte ehemalige MTV-Moderatorin, mit dem Satz: „Als Moslem liebt man Mohammed mehr als alle anderen Menschen“.
Daraufhin drängte Michel Friedman, der Stürmer-Star der deutschen Fernsehdebattenkultur, behände aus dem Mittelfeld nach vorn, um unvermittelt den ersten Konter zu landen: Mohammed geht in Ordnung, aber bitte keine Gewalt! Das war nun wirklich ein allzu vorhersehbarer Spielzug, so landet man keine Treffer.
Hassan Dabbagh, als sächsischer Salafist ein hoffnungsvoller Neuzugang bei der gegnerischen Islam-Mannschaft, luchste Friedman den Ball ab, blieb aber spielerisch weit hinter den Erwartungen zurück: Jener 25-jährige Glaubensbruder, welcher unlängst bei einer Salafisten-Demo einen Polizisten mit einem Messer schwer verletzt hatte, habe einen „schweren Fehler“ begangen.
Nein, das war weiß Gott (beziehungsweise Allah) nicht jenes aggressive Forechecking, für das der weißgewandete Bartträger sonst so berühmt ist; Dabbagh hat sich offenbar noch nicht richtig warmgelaufen für die erste Liga des ARD-Spätabend-Talks. Und dann noch dieser Fehlpass an Wolfgang Bosbach, der den Ball gewohnt souverän aufnahm und mit einem unspektakulären Schlenzer („die Grenze ist die deutsche Rechtsordnung“) an Matthias Matussek weiterreichte.
[gallery:Christen in Ägypten]
Der Spiegel-Journalist machte immerhin sofort deutlich, dass er nicht ohne Grund als Jermaine Jones des Katholizismus gilt: „Glaube ohne Vernunft führt zu in Intoleranz. Aber Vernunft ohne Glauben artet aus.“ Da hätte auch eine gelbe Karte drin sein können, jedoch übersah die überforderte Schiedsrichterin Sandra Maischberger Matusseks provokante Nickeligkeit.
Auch Friedmans verbale Fußtrittchen gegen Dabbagh am Spielfeldrand blieben von ihr unbemerkt, so dass die Partie zunehmend an Härte gewann. Bosbach kam langsam aus der Reserve und lief mit der Feststellung, die „allermeisten Terroristen“ hätten einmal „Kontakt zu salafistischen Strömungen“ gehabt, zu alter Form als Innenverteidiger auf.
Schafft es ein Gesprächsteilnehmer, ein Tor zu schiessen?
Dann eine üble Schwalbe von Dabbagh: „Eine Frau im Islam hat mehr Rechte als in anderen Religionen.“ Wenn er diese Bemerkung im Strafraum gemacht hätte, wäre ein Elfmeter unvermeidlich gewesen. Endlich fand auch Renan Demirkan langsam ins Spiel, die bis dahin mehr oder weniger unbeweglich an der Seitenauslinie gestanden hatte. Mit gespreiztem Bein fuhr sie Matussek in die Parade, indem sie seinen Spieleifer mit dem des gegnerischen Salafisten verglich.
Kein Foul, obwohl sich der katholische Kolumnist laut aufheulend an die Wade griff und nach dem Mannschaftsarzt schrie. Maischberger ließ weiterspielen, und um ein Haar schoss Demirkan ein Eigentor: „Der Islam lässt die Gleichberechtigung nicht zu.“
Während die Moslems noch über eine Einwechslung der enttäuschenden Demirkan nachdachten, hatte sich Matussek den Ball wieder erobert und stürmte wie eine Dampfwalze („Der Islam kommt bei uns erst seit 50 Jahren vor und gehört deswegen nicht zu Deutschland“) in die gegnerische Hälfte.
Die anderen mit lautem Gebrüll ihm hinterher, Querpass Matussek an Bosbach. Der zeigt sich spielsicher („nur solange der Islam in der Minderheit ist, gibt er sich tolerant“), gibt das Rund an Matussek zurück, der fast allein vor dem Tor steht und mit der Frage, was wohl passieren würde, wenn er 15 Millionen Bibeln in Saudi-Arabien verteilen wollte, doch nur einen beherzten Lattenschuss hinbekommt.
[video:Frauen wollen in die Moscheen]
Aber der Ball ist noch heiß, und Friedman ist über die linke Seite nachgerückt. Was macht Friedman? O je: „Vier Millionen Muslime leben problemlos in Deutschland“ – was für ein ängstlicher Rückpass! Mit derart laschen Statements qualifiziert er sich jedenfalls nicht für die Rückrunde. Aber Demirkan kann es auch nicht viel besser, sie nennt Wolfgang Bosbach „einen der Besten“. Liebe Renan Demirkan, Trikottausch findet immer erst nach dem Schlusspfiff statt – da müssen wir noch viel lernen.
Matussek dagegen gibt alles, versucht es noch einmal mit „der Islam gehört nicht zu Deutschland“ – und wieder kein Treffer. Dann noch ein taktisches Foul mit seinem bananenflankigen Vergleich von Ramadan und Bergpredigt; der Mann ist völlig erschöpft und versucht es mit den schwächsten Argumenten. Warum stellt man eigentlich keine katholischen Fundamentalistenprofis wie Walter Mixa mehr auf?
Aber jetzt, der Sachsen-Salafist Dabbagh im Ballbesitz! Er macht es alleine, Kristiane Backer bietet sich nicht als Anspielstation an, ihr ist die Puste ausgegangen. Matussek versucht noch ein letztes Mal reinzugrätschen, aber Dabbagh lässt sich nicht beirren.
Doch dann baut sich Bosbach vor ihm auf, und Dabbagh kann nicht mehr bremsen: „Jesus war kein Deutscher, sondern ein Muslim“. Übles Foul! Wie wird Maischberger reagieren? Rote Karte? Nein, sie zieht die Trillerpfeife hervor, das Spiel ist aus. Null zu null, eine Partie auf sehr, sehr geringem Niveau. Immerhin blieben die Zuschauer ruhig, bengalische Feuer wurden nicht geworfen. Das ist ja auch schon viel wert.
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