- Das Alltoben der Welt
Eine deutsch-englische Gedichtsammlung macht den Dichter Gerard Manley Hopkins zu einer Neuentdeckung
Den Briten gilt er als einer der Größten. Dabei zeichnen die biografischen Eckdaten einen eher unscheinbaren Mann: 1844 nahe London geboren – ordentliche Schullaufbahn, vereinzelte Reisen –, konvertiert Gerard Manley Hopkins knapp 20-jährig zum katholischen Glauben, schließt das Studium der Philosophie und der Klassischen Philologie ab, tritt dem Jesuiten-Orden bei, studiert dann Theologie und bleibt, bis zu seinem frühen Tod 1889, Jesuit: Dozent, Prediger, Seelsorger und Beobachter einer Welt, die für ihn auf den ersten wie auf den letzten Blick Schöpfung ist.
Eben darum geht es auch im Band «Geliebtes Kind der Sprache», einer repräsentativen Auswahl aus Hopkins’ Lyrik, übersetzt, kommentiert und erläutert von der in Finnland ansässigen Dichterin Dorothea Grünzweig: Es geht um «Die Heilige Jungfrau verglichen mit der Luft, die wir atmen», um die «Morgen-, Mittag- und Abendgabe» oder, ebenso einfach wie universell, um «Gottes Pracht». Der Glaube bestimmt den fortwährend vernehmbaren Grundton dieser Dichtung – nicht nur dort, wo Hopkins aus vollem Herzen lobpreist, sondern auch in den apokalyptischen Bilderfluten, wie sie etwa sein Meisterstück über den «Schiffbruch der Deutschland» entwirft, oder auch in den verzweifelten Sonetten, die ungemein inspiriert über die schwindende Inspiration klagen.
Bis zum semantischen Bersten
Die «Inspirationsverzückung», eine «Gestimmtheit von großer, eigentlich anormaler geistiger Schärfe», stellt dabei gleichsam den Brennstoff des Hopkins’schen Dichtens dar. Sie ist es auch, die diese in ihren Fundamenten so gefestigte Lyrik in steter, geradezu flirrender Bewegung hält. Denn gerade in seinen epochemachenden Naturgedichten zeigt sich der Dichter als unermüdlicher Übersetzer einer Sinneswelt, die so scharf, so präzise aufgefasst wurde, dass sich des Dichters Stimme angesichts dieser Sinnesfülle und -schärfe zu überschlagen droht: «Wie Eisvögel Feuer fangen, Libellen Flammen ziehn; / Wie übern Rand des Brunnenrunds gepurzelt / Steine klingen; und jede Sait gezupft ruft, jeder Baumelschelle / Bogen bimmelnd Zunge findet, weit seinen Namen auszuschwingen». In immer neuen Bildern, immer neuen Klangbewegungen erfährt hier das «Alltoben» der Welt eine poetische Nachschöpfung.
Mit den Mitteln der überlieferten Dichtungssprache war dies allerdings nicht zu bewältigen. Und so erarbeitete sich Hopkins sein ganz eigenes Idiom: eine hochdynamische, bis zum semantischen Bersten verdichtete Sprache, voll von lautlichen Exaltationen, schrägem Satzbau und zudem in einem Rhythmus gefasst, den der Dichter selbst treffend als «Sprungrhythmus» bezeichnete. Einem solchen Idiom kann sich jede Übersetzung nur von fern her annähern – Dorothea Grünzweig hat diese Annäherung ebenso pointiert wie subtil gemeistert. Nicht zuletzt ihrem Gespür für die Nuance ist es zu verdanken, dass die deutschen Leser wieder einmal Großes entdecken dürfen: «Schau zu den Sternen! Schau, schau zum Himmel hoch! / O schau auf all das Feuervolk, das in den Lüften hockt!»
Gerard Manley Hopkins
Geliebtes Kind der Sprache
Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Englischen von Dorothea Grünzweig.
Edition Rugerup, Hörby 2009. 304 S., 29,90 €
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