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Botschafterin Schavan - Plagiat im Vatikan

Kisslers Konter: Die Bundesrepublik Deutschland hat mit Annette Schavan eine uneinsichtige Plagiatorin zur neuen Botschafterin im Vatikan gemacht. Das zeigt, wie wenig Ansehen dieser Posten und die Geisteswissenschaften genießen und wie moralunempfindlich politische Seilschaften sind

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Es war gewiss ein großer Tag im Leben Annette Schavans, und es bleibt ein Skandal. Die ehemalige Bundesbildungsministerin von der CDU war am gestrigen Montag zu ihrem Antrittsbesuch bei Papst Franziskus geladen. Man redete, hieß es hinterher, in einem „Klima großer Herzlichkeit“ über junge Menschen und alte Krisenherde. Religion dürfe nicht instrumentalisiert werden, der Friede bleibe das Ziel. Wer mag widersprechen? Dass die Bundesrepublik Deutschland als ihre neue Botschafterin dem Vatikan eine überführte und uneinsichtige Plagiatorin präsentierte, zeigt dreierlei: das geringe Ansehen dieses Postens, das fehlende Renommee der Geisteswissenschaften und die moralunempfindliche Zähigkeit politischer Seilschaften.

Deutsche Botschafterin mit „leitender Täuschungsabsicht“


Im Februar vergangenen Jahres entzog die Philosophische Fakultät der Universität Düsseldorf Schavan den Doktorgrad. Ihre Promotion aus dem Jahr 1980, „Person und Gewissen. Studien zu den Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ war des Plagiats überführt worden. Der Prodekan erkannte eine „leitende Täuschungsabsicht“. Schavan zog vor Gericht und unterlag. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf schloss sich dem Ergebnis des Fakultätsrats an, dass „die gravierende Anzahl von Regelverstößen ein erkennbares Muster aufweise und dies den Rückschluss auf eine vorsätzliche Täuschung zulasse.“ Die Klage sei unbegründet, Schavan habe gegen das „Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit“ verstoßen: „Die Klägerin hat über den Umfang der Eigenständigkeit ihrer Leistung getäuscht“.

Die durch Internetrecherche bei „schavanplag“ angestoßene Causa wurde von der Ministerin und ihrem „Umkreis“ mit moralischem Tremolo begleitet. Es gab eine „partiell orchestrierte Kampagne gegen die Philosophische Fakultät“, jede Menge „sachfremder Intervention gegen die Wissenschaftsfreiheit“, eine „Unfähigkeit zur Einsicht“, nicht nur bei der „schlechten Verliererin“ Schavan: „Wer Augen hat zu lesen, wer die Funktion deutscher Anführungszeichen kennt und nicht bestreitet, dass ohne göttliche Einwirkung gleich formulierte und dabei oft komplex strukturierte Sätze mit sehr spezifischen Wendungen nicht unabhängig voneinander geschrieben werden können, der muss notwendigerweise zum Schluss kommen, dass ein Plagiat vorliegt.“ All dies steht in einer abschließenden persönlichen Stellungnahme des Düsseldorfer Dekans Bruno Bleckmann, eines Althistorikers.

Schavan sollte Papst Franziskus ein Buch schenken


Die Physikerin Angela Merkel ficht derlei nicht an. Um der langjährigen Parteifreundin eine Anschlussverwendung zu sichern, kam der Vatikan gerade recht. Hätte man auch im Angesicht der Vereinigten Staaten oder der Volksrepublik China solchen Wissenschaftsbetrug toleriert, ja nobilitiert? Wohl kaum. Schuldmindernd dürfte das Fach sich ausgewirkt haben. Schavan studierte in den siebziger Jahren Erziehungswissenschaften – eine gerne als „Laberfach“ diskreditierte Disziplin. Dabei geht es hier um nicht mehr, nicht weniger als Redlichkeit und Professionalität. Um die Frage also, ob die Wissenschaft als Wissenschaft sich ernst nimmt oder ob auch an Universitäten längst der „König von Scheißegalien“ (Udo Lindenberg) regiert. Dass Schavan 2007 ein „Jahr der Geisteswissenschaften“ eröffnete, erscheint rückblickend als bizarre Randnotiz. Damals ermunterte die Ministerin, mehr über „unsere Wissenschaftskultur, unser Selbstverständnis und unsere Interessen Auskunft zu geben“.

Sollte die neue Botschafterin Humor haben, überreicht sie bei der nächsten Papstaudienz ein Buch, das Ende Oktober erscheinen wird. Es stammt vom Bildungsjournalisten der „taz“, Bernd Kramer, und trägt den Titel „Der schnellste Weg zum Doktortitel. Warum selbst schreiben, wenn’s auch anders geht.“

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