- Robert Zollitsch warnt vor der AfD
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz warnt vor der „Alternative für Deutschland.“ Ein Bischof aber hat kein Mandat, sich in den Wahlkampf einzumischen. Wer es dennoch tut, fällt hinter die Moderne zurück. Robert Zollitsch hätte besser geschwiegen
Ist es wieder soweit? Ist die Zeit zurückgekehrt, da Prälaten von Kanzeln herabdonnern, welche Partei ihre Schäflein zu wählen haben und welche auf gar keinen Fall? Will die Kirche der Demokratie abermals in die Speichen greifen? Offenbar. Zumindest der Freiburger katholische Bischof Robert Zollitsch hat sich ganz nonchalant gegen die Errungenschaften der Bundesrepublik, des neuen Kirchenrechts und des Zweiten Vatikanischen Konzils gestellt und ex Cathedra erklärt: Katholiken, wählt nicht die "Alternative für Deutschland!"
Der Tonfall war mild, das Ansinnen ist indiskutabel. Zollitsch erklärte in einem Zeitungsinterview, er gebe der AfD seinen "Segen" nicht. Laut Zollitsch nämlich liegt "unsere Zukunft in Europa und nicht in der Rückkehr in die Nationalstaaten. Ich hoffe, dass wir diese Frage auf Dauer überwunden haben, und dass es nur ein paar Nostalgiker sind, die nicht in den Bundestag einziehen werden." Der Euro, setzte der 75-Jährige hinzu, "zwingt uns, weiter zusammenzukommen."
Lassen wir die interessante Einschätzung des Euros als eines Zwangssystems beiseite, sehen wir hinweg über die geschichtstheologische Spekulation, die Nationalstaaten seien bereits überwunden, suchen wir nicht nach den tieferen Quellen, aus denen sich Zollitschs Erkenntnis speist, der Einsatz für Europa und die Kritik am Brüsseler Finanzregiment widersprächen sich, und seien wir gnädig genug, ihm die Frage zu ersparen, inwieweit sich die Hirtensorge eines Bischofs für alle Gläubigen mit der Denunziation eines Teils als "Nostalgiker" verträgt. Gewiss gibt es auch im Bistum Freiburg überzeugte Katholiken, die sich für die AfD engagieren und die sich nun in den Senkel gestellt sehen.
Keine Petitesse aber ist die Amtsanmaßung, die sich hinter diesen Sätzen verbirgt. Ein Bischof hat schlicht nicht das Mandat, die Öffentlichkeit - noch dazu in Wahlkampfzeiten - über demokratische Parteien zu belehren. Es steht ihm nicht zu, politische Zensuren zu verteilen. Gewiss, das Bistum Freiburg gefällt sich als Klimaschutz- und Kita-Kirche und will sich in seiner gesellschaftspolitischen Modernität von niemandem übertreffen lassen will. Da mag eine Blutgrätsche gegen die bürgerliche Konkurrenz aus den Tiefen des Unbewussten aufsteigen.
Vielleicht nagt an Zollitsch auch noch immer die bis heute unwiderlegte Aussage eines Spitzenfunktionärs der EKD, von ihm, Zollitsch, gehe keinerlei "orientierende und prägende Kraft" aus, seit er den Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz übernahm - ein arg überschätztes Amt übrigens, ist doch jeder einzelne Bischof persönlich verantwortlich für seine Diözese und darf nichts Entscheidendes delegieren. Letztlich besteht die Aufgabe des Vorsitzenden darin, Sitzungen vorzubereiten, einzuberufen und zu leiten. Er ist gerade nicht "Deutschlands oberster Katholik".
All das macht es nicht besser. Auch vor der Linkspartei, den Piraten oder der "Partei der Vernunft" hat ein Bischof nicht zu warnen, hat er nicht zuzuraten. Im Zweiten Vatikanum, dem sich Zollitsch sonst verbunden wissen will, ist die „Autonomie der irdischen Wirklichkeiten“ ausdrücklich geregelt - in der Konstitution "Gaudium et spes", Kapitel 36. Die Kirche soll und darf nur indirekt auf die Politik einwirken, indem sie die Gewissen der Gläubigen bildet und zur "Weckung der sittlichen Kräfte" beiträgt - so Benedikt XVI. in "Deus caritas est". Es ist dann Aufgabe der gläubigen Laien und gerade nicht der geweihten Würdenträger, sich in je eigener und eigenverantwortlicher Weise für eine gerechte Gesellschaft einzusetzen. Niemals darf, so noch einmal Benedikt XVI., die Kirche "den politischen Kampf an sich reißen." Darum heißt es auch im 1983 erneuerten katholischen Kirchenrecht, alles, "was dem klerikalen Stand fremd ist, haben die Kleriker zu meiden, auch wenn es nicht ungeziemend ist." Und Wahlempfehlungen, Wahlwarnungen sind keine klerikalen Aufgaben.
Zollitsch missachtet also die Autonomie der Laien, fällt hinter das Zweite Vatikanum zurück und relativiert die Trennung von Staat und Kirche, wenn er vor einer spezifischen Partei meint warnen zu müssen, ihr seinen "Segen" verweigert. An einem solchen Segen darf im 21. Jahrhundert keiner Partei gelegen sein. Mit der Bildung der Gewissen, die wie jede Bildung ein mühseliges Geschäft ist, wäre auch ein Freiburger Bischof ausgelastet. Sollte man meinen.
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