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Volksempfänger - Das Propagandawerkzeug der Nazis

Der Volksempfänger machte das Radio erschwinglich – und erleichterte die Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda. Siebte Folge einer Serie

Autoreninfo

Blom, Philipp

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VE 301 hieß die Wunderwaffe, die im August 1933 auf der zehnten großen Funkausstellung in Berlin vorgestellt wurde, der Volksempfänger. Die Typennummer verwies auf den 30. Januar, jenen Tag also, an dem Adolf Hitler Reichskanzler geworden war. Goebbels persönlich probierte auf der Ausstellung eines der Geräte aus und zeigte sich hochzufrieden.

Noch nie waren Radios so erschwinglich gewesen. 76 Reichsmark kosteten die Apparate, die auf Anweisung der nationalsozialistischen Regierung von großen Radioherstellern wie Telefunken, Blaupunkt und Loewe nach demselben Modell produziert werden mussten. Dabei ging es natürlich nicht darum, jedem deutschen Haushalt die Welt des Rundfunks zu eröffnen. Vielmehr sollte die Stimme des Führers und seiner Stellvertreter direkt in jedes deutsche Wohnzimmer gebracht werden.

Erfolgreiche Massenbewegung

Erst die gezielte und brillante Nutzung moderner Propagandamittel machte die Nationalsozialisten zu einer erfolgreichen Massenbewegung. Schon 1924 hatte Hitler in „Mein Kampf“ geschrieben, Propaganda solle, „die gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse begreifend, in psychologisch richtiger Form den Weg zur Aufmerksamkeit und weiter zum Herzen der breiten Masse“ finden. Auch Reichspropagandaminister Goebbels hatte rasch begriffen, wie wichtig das Radio für das Regime sein konnte. In einer Rede verglich er den Rundfunk mit der Erfindung des Buchdrucks und schwärmte von der „wahrhaft revolutionären Bedeutung“ des neuen Mediums.

Die Einführung des Volksempfängers war tatsächlich eine technologische Pioniertat. Noch zehn Jahre zuvor waren nicht alle Haushalte mit Strom ausgestattet gewesen. In der schwierigen Wirtschaftslage der Nachkriegszeit war Deutschland zwar erfolgreich in der Entwicklung technologischer Geräte, viele Deutsche aber konnten sich technologische Errungenschaften wie Autos oder Haushaltsgeräte nicht leisten. Ein Radio kostete etwa den Monatslohn eines Arbeiters. Die Direktive der Reichsregierung hatte diesen Preis halbiert. Der Erfolg ließ nicht auf sich warten: Schon am Abend des ersten Tages der Funkausstellung waren 100.000 Volksempfänger verkauft worden, die gesamte Erstproduktion. Bis Mai 1934 waren es stolze 700.000.

Entworfen von Walter Maria Kersting, der an den Kölner Werkschulen lehrte, wurde der Kubus aus Bakelit mit seinem runden Lautsprecher und seinen zwei Drehknöpfen – einer für die Lautstärke, der andere für die Sender – bald zum alltäglichen Anblick in deutschen Haushalten. „Goebbels-Schnauze“ nannte man die Kästen im Volksmund. 1932 hatten 2,4 Millionen deutsche Haushalte ein Radio angemeldet; 1939 waren es bereits 12,5 Millionen, die im Wohnzimmer darüber informiert werden konnten, dass es mit der Friedfertigkeit und der Geduld der Regierung nun am Ende sei und dass ab heute zurückgeschossen werde.

 

Wie sehr der Volksempfänger als Propagandainstrument ein integraler Bestandteil der nationalsozialistischen Politik war, wird aus einem Gerichtsurteil von 1935 ersichtlich, in dem das Gericht die Pfändung eines Radios verbot – mit der Begründung, der Rundfunk diene „nicht nur der Unterhaltung der Hörer, sondern auch zur staatsbürgerlichen Belehrung und Erziehung sowie zur Schaffung der Einheit des deutschen Volkes“. Sogar bei der Technologie wurde auf „Rassenreinheit“ geachtet. Das Wirtschaftsministerium ordnete an: „Jüdische Firmen dürfen den Volksempfänger (…) nicht herstellen, Einzelteile hierzu nicht liefern und weder als Großhändler, Einzelhändler oder Werksvertreter diese Geräte verkaufen.“

Die völkische Einheit und damit die Effizienz der Propaganda wurde besonders im Krieg durch „Feindsender“ gefährdet. Der deutsche Service des BBC setzte den Propagandalügen der nationalsozialistischen Regierung eine bemerkenswert neutrale, wenn auch selbstverständlich politisch motivierte Berichterstattung gegenüber. Volksempfänger wurden deswegen mit einem deutlich lesbaren Hinweis auf einem der Drehknöpfe verkauft: „Wer den Feind hört, wird mit Zuchthaus bestraft, und wer abgehörte Nachrichten weiterverbreitet, wird hingerichtet.“

Menschen mussten sterben, weil sie den „Feindsender“ gehört hatten

Diese Warnung war weit mehr als nur eine Drohgebärde: Zwischen 1939 und 1942 wurden insgesamt 2704 Verurteilungen wegen „Rundfunkverbrechen“ ausgesprochen. Auch Hinrichtungen wurden vollzogen, allerdings ist nicht mehr eindeutig festzustellen, wie viele es waren. Trotzdem hörten bis zu 20 Millionen Deutsche heimlich Nachrichten aus dem Ausland, vom im Reich verbotenen Jazz bis hin zu Ansprachen von Albert Einstein und Thomas Mann, der sich von 1940 an regelmäßig an „Deutsche Hörer!“ wandte. In scharfen Worten geißelte der in die USA emigrierte Nobelpreisträger den „Raub-, Mord- und Lügenstaat des Nationalsozialismus“.

Für das Abhören ausländischer Sender war der Volksempfänger technisch aber nicht ausgerüstet – aus gutem Grund. Auch deswegen waren trotz der höheren Preise die sogenannten Großempfänger in Deutschland wesentlich beliebter. Die Zahl der verkauften Volksempfänger machte nie mehr als 40 Prozent der Gesamtzahl aus. Nur mit einem teureren, leistungsfähigeren Radio konnte man sich, am besten mit Kopfhörern und hinter verschlossenen Türen, wirklich informieren, wie ein legendärer Flüsterwitz deutlich macht: „Beim Volksempfänger hört man Deutschland über alles, beim Großempfänger hört man alles über Deutschland!“

In der Serie „1933 – Unterwegs in die Diktatur“ sind bisher erschienen:

Die Machtergreifung: Religion der Brutalität

Der Reichstagsbrand: Republik unter Feuer

Das Ermächtigungsgesetz: Als Deutschland die Demokratie verlor

Die Bücherverbrennung: Das Ende des Landes der Dichter und Denker

Die Volkszählung 1933: Die statistische Grundlage für den Holocaust

Das Reichskonkordat: Fauler Handel mit der Kirche

Der Volksempfänger: Das Propagandawerkzeug der Nazis

DIe Reichskulturkammer: Die Gunst war wichtiger als die Kunst

Der Völkerbund: Deutschlands Austritt ebnete den Weg in den Krieg

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