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Verlogene Energiewende - Wir sollten SUVs ächten

Die Energiewende entpuppt sich zunehmend als schizophrenes Projekt: Während der Anteil erneuerbarer Energieträger steigt, produzieren die Autobauer weiter fleißig SUVs, mit denen sie den meisten Umsatz machen. Die Politiker lassen sie gewähren und fahren oft selbst dicke Geländewagen

Autoreninfo

Uwe Dankert ist Diplom-Physiker und Geschäftsführer der bayerischen Energie- und Umweltberatungsfirma udEEE Consulting GmbH.

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Die modern gewordenen, ökologisch abstrusen SUV-Autos zeigen deutlich unser verlo­genes Ver­hält­nis zur Energiewende auf: Aus einer über­höhten Sitzpo­sition über­sieht man vieles – so auch die sichtbare, bullige Ver­schwen­dung in Ver­brauch und Mate­rial­einsatz, und zeigt allen an­deren: nachhaltige Le­bensweise? An Morgen denken? Mit mir nicht. Nicht im Jetzt. Zwar wer­ben die Hersteller dieser „Sport Utility Vehicles“ zur Beruhigung mit ver­blüf­fend niedrigen Ver­brauchs­werten, gemessen nach Stan­dards, die so weit weg von der Realität des ak­tuellen Auto­fahrens sind wie die Erreich­bar­keit des Andro­meda­nebels mit der NASA-Sonde „New Hori­zons“, die nach neun Jahren Flug ge­rade am Plu­to vorbei­ge­zogen ist.

Es ist daher lustig zu sehen, wie sich unsere Re­gierung abmüht, ineffiziente Heizkessel suk­zessive zu verbieten, zum Umstieg auf Effi­zienz­kessel oder A+++-Kühlschränke zu moti­vieren und bei der dis­ku­tierten Klima­ab­gabe für Kohle­kraft­werke plötz­lich ein­ge­schüch­tert zurück­rudern muss.

Gleichzeitig wird den bundes­eigenen Statis­tik­­analys­ten ohne Konsequenzen er­laubt, auf den ne­­ga­ti­ven Kli­ma­effekt aktueller Au­­to­­­kauf­trends hin­zu­wei­sen. Man könn­­­te ja leicht re­gu­la­to­risch ein­greifen und z.B. die steu­­er­liche Zuläs­sig­keit von Fir­­­men­­fahr­zeu­gen an re­a­le CO2-Emis­sions­­gren­­zwerte kop­­­peln. Ein vor­bild­haf­ter An­satz wäre auch, als mi­­nis­te­ri­a­le Dienst­­­wagen nur sol­che mit ei­nem ex­trem nie­dri­gen CO2-Aus­stoß auszu­wäh­­len.

Wie aber die regel­mä­ßi­ge Aus­­­wer­tung der Deut­schen Um­­­welt­hilfe zeigt, lässt man lie­ber erst mal an­dere spa­ren. Re­gie­rungs­ange­hö­rige blei­ben also doch Abbild ihrer Wähler. Das zieht sich bis run­ter in Kom­munen durch: Viele haben sich einer lo­kalen Energie­wende ver­­schrie­ben. Aber sie verhindern nicht, dass ih­re Bür­ger­meis­ter sich einen SUV als Dienst­wagen gönnen. Helfen sollen dann nur noch gesetz­lich ver­pflichtend auferleg­te Ener­­gie­audits – für an­de­re. Auf stei­gen­de Ben­­zin­prei­se ist lei­der auch kein Ver­lass mehr, seit die Sau­dis nicht auf­­hören, den Öl­markt zu flu­ten, um deut­­schen Ef­fi­zienz- und ame­­rika­ni­schen Fra­cking­­in­no­­vato­ren den Garaus zu ma­chen.

Heute protzen, morgen Gutes tun
 

Nicht nur hier wird der schi­zophrene Politik­mix un­­serer autophilen Gesell­schaft in der Energie­wende sichtbar. Offenbar folgen wir einer per­fiden Stra­te­gie: Die Auto­her­stel­ler dürfen schnell mög­lichst viel Geld ver­­dienen, damit sie fit für die Ent­wick­lung zukünf­tiger ver­­brauchs­armer High-Tech-Fahr­zeuge werden? Heute prot­zen, da­mit mor­gen Gu­tes getan und Arbeitsplätze gesichert werden können?

Auch aus anderen Ländern gibt es ja ernsthaft vor­getragene Vorschläge, das Wieder­heraus­lösen der klimaverändernden Treibhausgase aus dem Endlager Atmosphäre späteren Gene­ra­tionen auf­zuhalsen und sich diese Idee rechnerisch schon heute als Emissionsminderung anrechnen zu lassen, um selber nichts tun zu müssen. Hypo­thek und Schuldendienst einmal ganz anders.

Vermut­lich ver­drängt je­der von uns zu­wei­len mal ver­nünf­tige, auf Nach­haltigkeit aus­gerich­tete Ein­­­stel­lungen und Ver­­hal­tens­weisen, die aus un­se­ren eigenen Wohl­­fühl­ge­fil­den hin­aus­deuten und daher un­­be­liebt sind. Und ist es nicht so, dass eh nur in Asien die Welt zu ret­ten ist? Erscheint da ein deut­scher Ener­gie­wende-Feld­ver­­­such hierzulande also un­nö­tig? Historisch stehen die bisherigen Treibhaus­gas­mengen aus deutschen Landen global zwar an sechster Stelle.

Doch obwohl wir doch so gerne Welt­meister sind (Fuß­ball, Export, Auto­in­dus­trie), lag der deutsche Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß 2014 tatsächlich nur bei 2,6 Pro­zent – 932 Millionen Tonnen. Global waren es 35,5 Mil­liarden Ton­nen. Wen also kehren Krü­mel?

Falsch verstandene Energiewende
 

Die Realität kümmert sich aber nicht um SUV-Fahrer, wie sie übrigens nicht nur in Ober­bayern, sondern auch in chi­ne­si­schen Metropolen immer häufiger zu se­hen sind. Und die Welt erstarrt an­gesichts der immer noch stei­gen­den Emis­sionen, wo es doch fun­dierte Ab­schät­zungen gibt, dass unser Pla­net in sei­nen dy­na­mi­schen Gleich­ge­wich­ten viel­leicht jähr­lich zehn bis fünf­zehn Milliarden Ton­nen ver­trägt. So viel näm­lich kön­nen wach­sen­de Pflan­­­­zen und Ozeane, allerdings zum Preis ih­rer Ver­sau­erung, jährlich aus der At­mos­phäre fi­schen, wo­gegen der Mensch be­schlos­sen hat, in 2014 das drei­ein­halb­fache in die pla­netare Luft ab­zu­las­sen. In Europa be­schäftigt man sich der­weil lie­ber mit grie­chischer Bud­get­un­­beson­nen­heit und deut­scher (Geld-) Spar­dis­ziplin.

Aber was hat das alles mit Fahrzeugen zu tun, die Fans und Hersteller – lin­gu­istisch heuchlerisch –, als „Sport Utilities“ be­zeich­nen? Erst­mal nur die Erkenntnis, dass 85 Prozent un­serer Emis­sionen aus unse­rem Ener­gie­hunger resul­tieren, der vor allem immer noch fossil ge­prägt ist.

Wer die Ener­gie­wende nur als Strom­wende ver­stan­den hat, der freut sich über mehr als dreißig Prozent An­teil erneu­er­ba­rer Energie­trä­ger wie in der ersten Jahres­hälfte von 2015, hat aber erst ein Fünftel des Problems verinner­licht. Er übersieht nämlich, dass da auch noch Wohnungen ge­heizt ge­hören und Autos fahren, also auch Wärme- und eine un­ge­liebte Mo­bili­tätswende anzugehen sind.

Jämmerliche Zahl neu zugelassener E-Autos


Und Kraftfahrzeuge ohne Kraftstoffe sind im­mer noch nur ein Motiv für Schön­redner, wie der jäm­­merliche Anteil neu zugelassener Elektro­mo­bile von nicht mal einem halben Prozent in 2014 be­legt. Jeder fünfte Neukunde dagegen fährt mit einem der be­liebten Gelän­de­schlucker al­len an­deren davon, so­lange man nicht ge­meinsam im Stau steht. Ach ja, wir stehen na­türlich gar nicht im Stau, sondern wir sit­zen. Un­sere Wagen da­gegen stehen und erzeugen bei laufendem Mo­tor auch im Stehen noch Koh­len­dioxid – neben anderen schädlichen Sachen. Ein Motiv für kau­­­fende Mo­bi­listen sind Elek­tro­fahr­zeuge mit vier Rädern derzeit noch nicht, und Strom muss auch erst mal produziert werden.

Politik versteht, wer Mengengerüste und Wähler kennt. So pro­­du­zieren hierzulande nur etwas mehr als 120 Kohle­kraft­wer­ke 35 Prozent un­se­rer Emis­sionen – da­bei fallen allein auf fünf Braun­­koh­le­riesen drei­zehn Pro­zent, das ist ein Achtel. 54 Mil­lio­nen Kraftfahrzeuge tra­gen fast acht­­zehn Prozent bei und un­sere knapp zwanzig Mil­lio­nen Gebäude ein wei­teres Drittel. Es scheint daher zahlen­theo­re­tisch leich­ter, sich mit wenigen Un­ter­nehmen anzu­legen, als mit vielen Wäh­lern.

Dass wir von der Kohle weg müs­sen, däm­mert mitt­lerweile vielen, nicht nur bei G7. Aber Öl und Gas haben letzt­lich den gleichen Ur­sprung. Frie­ren und laufen müs­sen schmerzen jedoch eher, als wenn man in der Zeitung von der Ent­las­sung einiger persön­lich nicht be­kann­ter Kraft­werks­mitarbeiter le­sen muss. Eine Wende wie die Ener­giewende be­ginnt im Kopf. Und da ist bei Vielen noch ein Transfor­ma­tionsbedarf vorhanden. Auch hat sich noch nicht überall herumgesprochen, dass Nichts-Tun un­sere Volkswirtschaft mehr als dop­pelt so teuer kommen wird wie ein Kom­plett­umbau unserer Energieversorgung bis 2050. Diesen Schluss legen Berechnungen des Fraunhofer-Insti­tuts für Windenergie und Ener­giesystem­tech­nik in Kassel nahe.

Giftiges Kohlendioxid anschaulich machen


Das Perfide an Kohlendioxid ist leider, dass es un­sichtbar, geruch- und ge­schmack­los da­her­­kommt. Und wohl erst, wenn Dackel oder Schä­fer­hun­de Atem­probleme be­kämen, würde ver­­mut­lich auch dem letz­ten SUV-Fahrer die mit­verur­sa­chen­­de Be­deutung sei­nes Fahr­zeugs be­wusst. So ähnlich hatten früher Zyniker beim sau­ren Regen und dem Wald­sterben geläs­tert.

Ne­ben­bei be­merkt ist CO2 so­gar schwerer als Luft und würde viel mehr Menschen stören, wenn es nicht die physika­li­schen Gas­ge­setze der unge­stör­ten Ver­mischung mit an­de­ren Gasen gä­be. So verwundert es nicht, wenn sich kaum je­mand unter einer unsichtbaren Tonne CO2 etwas vor­stellen kann. Helfen mag da die Visua­lisie­rung ei­ner Gasku­gel CO2 von einer Ton­ne Ge­wicht in ge­wohn­ten Umge­bun­gen. Zeigt man solche Bil­der sieb­zehn­jäh­ri­gen Gym­nasias­ten, die bereits den Füh­rer­schein ma­chen und unter denen un­sere zu­künf­­tige Elite zu finden sein wird, neh­men diese den Denk­­­an­stoß aufmerk­sam und oft nach­denk­lich auf. Ihre Zu­­kunft liegt ja noch vor Ihnen. Es wird ihre Welt sein, zu deren Schutz im November die nächste Klimakonferenz anberaumt ist.

Wer also traut sich, die prognostizierten Schä­den un­se­rer zeitlich fernen, anthropogenen und global wirkenden Zer­stö­rungs­­­­­gewalt gegen­wär­tiger Le­bens­lust­wei­sen überzeugend und glaub­haft auf­zuzei­­gen, so dass SUV-Fahren als Teil die­ser Gewalt wahr­ge­nom­men und geächtet wird?

Uwe Dankert ist Diplom-Physiker und Geschäftsführer der bayerischen Energie- und Umweltberatungsfirma udEEE Consulting GmbH.

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