- Schranken für die Banken
Griechenland hat eine gesamteuropäische Finanzhavarie ausgelöst. Zu Beginn der Finanzkrise wollten die Regierungschef diese Tatsache noch kleinreden. Mittlerweile ist klar, dass jahrelanges Schwadronieren sich zum Schaden aller auswirkte. CICERO-Chefredakteur Michael Naumann resümiert
Griechenland ist pleite, und der Euro-Zone droht eine Finanz-Havarie ohne Beispiel. In vielen Bankbüchern stehen wertlose Athener Staatsanleihen in Höhe von Hunderten Milliarden Euro. Das komplexe Kapitalsystem Europas steht kurz vor dem Kollaps. In den Worten von Jean-Claude Trichet, langjähriger Chef der Europäischen Zentralbank (EZB): „Es ist die größte Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs“.
Gewiss, die griechische Regierung hatte ihr Eintritts-Billet in den Währungsverbund gefälscht. Aber globale Großbanken hatten zum eigenen Vorteil die Tinte geliefert und faule Staatsanleihen gekauft. Jetzt wollen sie aus ihrer Verantwortung flüchten. Einen angemessenen Schuldenschnitt von 50 bis 60 Prozent auf eigene Kosten lehnen sie ab. Sie setzen einmal mehr auf Europas Steuerzahler.
Es ist das bekannte Spiel: Der Bankrott der Lehman-Bank in New York hatte die Welt vor drei Jahren in eine monumentale Finanzkrise gestürzt. Mit 1000 Milliarden Euro wurden führende Geldhäuser Europas (und Amerikas) vor der Insolvenz gerettet – Steuergelder als Bürgschaften und Kredite, aber auch à fonds perdu jenen gierigen Spitzenmanagern hinterhergeworfen, die sich als Herren des Universums gefühlt hatten. Ihre Millionen-Boni flossen weiter wie eh und je.
Angela Merkel hatte damals den Volkszorn sehr schön auf den Begriff gebracht: „Keine Bank darf mehr so groß sein, dass sie wieder Staaten erpressen kann.“
Seitdem hat ihre Regierung diversen Hilfsfonds und „Rettungsschirmen“ Bürgschaften in Höhe von 472 Milliarden Euro zugesagt. Unwiderruflich verloren dürften schon 100 Milliarden Euro sein – fast ein Drittel des Bundeshaushalts. Jetzt ist es wieder so weit: Die Berliner Koalition könnte gezwungen werden, mit weiteren Milliarden unterkapitalisierte deutsche Banken zu retten, die aus ihrem Risikospiel nicht rechtzeitig aussteigen konnten oder wollten. Das gliche einer „Zwangskapitalisierung“, und damit einer Teilverstaatlichung. Frankfurts und Düsseldorfs Ackermänner lehnen das ab und reden von „Krieg“. Er käme ihrer Entmachtung gleich – die sie ganz korrekt als drohende Enteignung empfinden.
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Wie konnte es dazu kommen? Eine seit drei Jahren fällige, wirklich umfassende Finanzreform, Finanztransaktionssteuer inklusive, scheiterte am übermächtigen Einfluss der Finanzlobby in Washington, in London, in Paris und ganz gewiss auch in Berlin. Weder in den USA noch in Europa wurden den Geldhäusern strengere gesetzliche Fesseln angelegt, die das Geschäft mit dubiosen Bonds und Finanzprodukten wenn nicht unterbunden, so doch gezügelt hätten. Barack Obamas Finanzberater rekrutierten sich fast ausnahmslos aus dem Wall-Street-Milieu, lauter Multimillionäre, die jahrelang im Dienst der Banken gestanden hatten. Und in Berlin fand Josef Ackermann stets das offene Ohr Angela Merkels.
Paul Kirchhof, der bekannte „Herr Professor aus Heidelberg“ (Gerhard Schröder), hat in einem bemerkenswerten Aufsatz in der FAZ die europäische Malaise auf den Punkt gebracht: „Die Demokratie finanziert Staatsleistungen durch Schulden, gibt der Gegenwart mehr, als ihr gebührt, belastet dafür aber die nachfolgende Generation mit Zins- und Tilgungspflichten.“ Und das ist nur eine der Konsequenzen des haushaltspolitischen Übermuts. Mindestens so schwerwiegend sind die Dissonanzen im demokratischen System. Kirchhof: „Die Entscheidungsmacht verschiebt sich von den gewählten Organen – dem Parlament und der Regierung – hin zu anonymen Mächten eines Finanzmarkts, die als Wirtschaftsunternehmen der Gewinnmaximierung dienen, keine Kompetenz für politische Entscheidungen haben, ihr Handeln nicht vor dem Staatsvolk, sondern vor ihren Kapitalgebern und deren Erwerbsinteressen verantworten.“
Es ist Europas historisches Pech, dass ausgerechnet in dieser Situation an der Spitze der maßgebenden Nationen Politiker stehen, denen alles unterstellt werden kann – außer Führungskraft. Auf der nach oben offenen Skala von Verantwortungslosigkeit rangiert zweifellos Silvio Berlusconi. Italien wird so schlecht regiert wie seit Jahrzehnten nicht mehr, und das heißt etwas.
Und Nicolas Sarkozy? Ein Chirac, gar ein Mitterrand ist er nicht. Seine Wiederwahl im nächsten Jahr ist unwahrscheinlich. Gleichwohl – lange vor Angela Merkel war ihm klar, dass eine schnelle Rettung des maroden Griechenlands nötig war. Noch im Februar vorigen Jahres hätte eine europäische Solidaraktion dem internationalen Finanzmarkt signalisieren können, dass riskante Wetten gegen griechische Staatsanleihen zu nichts führen, dass Europa zusammenhält und sich zu wehren weiß.
Doch Angela Merkel, immerhin Kanzlerin des ökonomischen Hauptdarstellers in Europa, zögerte monatelang aus wahltaktischen Gründen. Den Bürgern des Landes die drohenden Konsequenzen der griechischen Krise zu erläutern, hielt sie damals nicht für nötig. Diese Kärrnerarbeit überließ sie später Wolfgang Schäuble. Was aber die Rettung der Banken betrifft, wird Angela Merkel ihre bislang milde Tonlage ganz gewiss ändern; denn ihr ausgeprägter Machtinstinkt wird ihr eines klarmachen: Nicht nur die Kreditwürdigkeit der Großbanken steht auf dem Spiel, sondern auch diejenige ihrer eigenen Regierung. Die Bürger erwarten klare Worte: Die Banken müssen an der Rettung des Euros beteiligt werden.
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