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Ökonom Thomas Piketty - Kapitalismus schafft soziale Ungleichheit

In seinem Buch "Capitalism in the 21st Century" malt der französische Ökonom Thomas Piketty ein dunkles Bild für die Zukunft unseres Wirtschaftssystems, weil der Kapitalismus zu einer immer stärkeren Konzentration des Reichtums führt

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Nächste Woche erscheint das Buch "Capitalism in the 21st Century" des französischen Ökonomen Thomas Piketty auf Englisch. Im französischen Original bereits seit dem vergangenen Herbst auf den Markt ist, sorgt es schon jetzt für Furore, weil Piketty nicht nur das einst von Milton Friedman formulierte Postulat anzweifelt, dass die freien Märkte befreit von staatlichen Eingriffen am besten geeignet seien, die "Früchte des ökonomische Fortschritts unter allen Menschen zu verteilen".

Wenn Vermögen schneller als die Wirtschaft wachsen


Piketty geht noch weiter und stellt in seinem Opus magnum die entgegengesetzte These auf: Im Kapitalismus konzentriert sich das Vermögen zwangsläufig auf eine kleine Elite, er verschärft die soziale Ungleichheit, verhindert den gesellschaftlichen Ausstieg und gefährdet somit mittelfristig die Demokratie.

Der Professor von der Paris School of Economics hat für sein Buch über Jahre Daten zur Vermögens-und zur Lohnentwicklung aus verschiedenen Ländern zusammengetragen und dabei festgestellt: Seit dem 19. Jahrhundert lagen die Renditen aus Vermögen fast immer höher als das Wirtschaftswachstum in den von ihm untersuchten Ländern. Wer Aktien, Anleihen oder Immobilien besitzt, dessen Vermögen wächst jährlich im Schnitt um viereinhalb bis fünf Prozent, während das Wachstum der Weltwirtschaft und das Einkommen aus Arbeit sich irgendwo zwischen einem und anderthalb Prozent bewegt.

Eine Ausnahme dieser Entwicklung hat Piketty nur zwischen 1914 und 1973 feststellen können. Es war aber die Ausnahme, die die Regel eher bestätigt, dass der Kapitalismus die Ungleichheit fördert. Denn zwei Weltkriege, die Große Depression, die Verstaatlichung ganzer Industrien, hohe Steuern zur Finanzierung der Kriege haben die Vermögen der reichen Eliten empfindlich geschmälert. Gleichzeitig sorgten hohes Wachstum nach dem Krieg, eine immense Steigerung der Produktivität und starke Gewerkschaften dafür, dass die Löhne in die Höhe schossen.

Diese Phase, in der das Wirtschaftswachstum höher lag als die Einkommen aus Vermögen, endete nach Pikettys Analyse Anfang der Siebziger Jahre, weil die Politik begann, die Steuern zu senken, soziale Leistungen zu kürzen, gleichzeitig die Löhne stagnierten und im Gegenzug die Renditen aus Vermögen wieder auf ihr Niveau vor dem Ersten Weltkrieg kletterten.

Der abgewürgte American Dream


Das Timing für die Veröffentlichung des Buches könnte besser kaum sein, erscheint es doch in einer Phase, wo Politik und Wissenschaft das vernachlässigte Thema soziale Ungleichheit aus der Versenkung geholt haben. US-Präsident Barack Obama hat kürzlich in seiner Rede zur Lage der Nation beklagt, dass die gesellschaftlichen "Aufstiegschancen blockiert sind". Der amerikanische Traum - abgewürgt.

Der Wirtschaftsprofessor Gregory Clark bestätigt diese These in seinem neuen Buch mit dem schönen Namen "The Son Also Rises", in dem er nachweist, dass die soziale Stellung in den meisten westlichen Industrieländern stärker von der sozialen Herkunft als von der individuellen Leistung oder Ausbildung abhängt. Die Konzentration des Reichtums werde durch Vererbung sogar noch weiter verstärkt, schreibt Clark. Das gilt insbesondere auch für Deutschland, wo nach einer aktuellen Studie des DIW die Vermögen so ungleich verteilt sind wie in keinem anderen Land in Europa.

Gegenmaßnahmen haben keine Priorität


Aber was kann man dagegen tun oder sollen wir uns etwa endgültig von Chancen- und Verteilungsgerechtigkeit verabschieden? Piketty schlägt vor, eine Vermögenssteuer einzuführen, weltweit, damit die Reichen nicht in Steueroasen fliehen können. Politisch ist solch eine Abgabe international aber nicht durchsetzbar.

Dann muss die Politik aber wenigstens auf nationaler Ebene mit gezielten Maßnahmen versuchen, dieser Entwicklung entgegenzuwirken: in Deutschland käme eine Umverteilung durch die Erhöhung der Erbschaftssteuer in Betracht, gleichzeitig könnte man die Beteiligung der Angestellten am eigenen Unternehmen in Form von Aktienoptionen steuerlich fördern und sich für ein insgesamt höheres Lohnniveau der Beschäftigten einsetzen.

Alles Themen, die auf der Prioritätenliste von Politikern nicht besonders weit oben stehen, weil der Gegenwind von Arbeitgebern und Lobbyisten stark sein wird. Aber Aussitzen ist hier keine Alternative, weil die dadurch entstehenden sozialen Fliehkräfte für den gesellschaftlichen Zusammenhalt mittelfristig sehr gefährlich werden.         

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