- „Die USA haben niedrigere Hygienestandards“
Das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU würde die transatlantischen Partner einander wirtschaftlich näher bringen. Das Abkommen dürfe aber nicht zu einer Verschlechterung der Regeln in der Lebensmittelindustrie führen, warnt Mirko Klimas, Wirtschaftsexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband
Herr Klimas, die EU und die USA planen ein gemeinsames Freihandelsabkommen. Unternehmen könnten Milliarden an Zöllen sparen, deutsche Firmen ihre Ausfuhren steigern, neue Arbeitsplätze würden entstehen. Freuen Sie sich auf das Abkommen?
Das kommt darauf an. Aus Verbrauchersicht hätte ein solches Abkommen natürlich Vor- und Nachteile. Die Vorteile wären eine größere Produktauswahl, ein stärkerer Wettbewerb, und dadurch möglicherweise auch günstigere Endpreise. Man könnte in den USA nach Herzenslust einkaufen, ohne sich Gedanken über zusätzliche Zölle machen zu müssen.
Und die Nachteile?
Die Liste der Nachteile ist im Moment sehr viel länger. Die geringste Schwierigkeit sind sicherlich die Zölle – die wären durch den Wegfall relativ leicht zu harmonisieren. Probleme gibt es aber bei der Regulierung und Zulassung von Agrarprodukten aufgrund unterschiedlicher Hygienestandards.
Europäische Verbraucher wollen sich das Recht erhalten, Produkte auch aus ethischen Gründen abzulehnen – und nicht nur, wenn es gesundheitliche Bedenken dagegen gibt.
Sie sagen: bei Hygienestandards? Sind die in den USA – Weltmacht Nummer 1 – niedriger?
Ja, aus europäischer Sicht ist das besonders im Bereich der Lebensmittel so. Wir hier in Europa bemühen uns spätestens seit der BSE-Krise um hohe Hygienestandards in der gesamten Lebensmittelkette und haben besonders hohe Anforderungen, etwa an die Hygiene von Futtermitteln gestellt.
Die USA unterstellen der EU hingegen, dass es sich bei unseren sehr hohen Hygienevorschriften mehr oder minder um nicht-tarifäre Handelsschranken handelt. Wir hätten also nur deshalb so hohe Standards, um damit den europäischen Markt vor anderen Produkten zu schützen – wie etwa Lebensmittel aus den USA.
In anderen Worten: Die Amerikaner werfen uns Protektionismus vor.
Ja.
Andererseits würden sich sicher einige Amerikaner mit Ekel abwenden, wenn sie französischen Käse sehen – oder riechen.
Richtig. Bei Rohmilchkäse, Milchprodukten. Oder erinnern Sie sich an den BSE-Skandal: Sie können vermutlich immer noch einige Amerikaner damit erschrecken, wenn jetzt plötzlich größere Mengen Rindfleisch in die USA importiert würden. Gut möglich, dass viele Verbraucherschützer in den USA sagen würden: Für unsere Verbraucher geht das nicht.
Bei welchen Lebensmitteln würden Sie denn sagen: Pfui, nein danke, nicht für unseren deutschen Markt?
Bei genveränderten Lebensmitteln, der Vermarktung von Produkten geklonter Tiere oder der Hormonbehandlung von Rindern zur Steigerung der Milchleistung. Schwierigkeiten gibt es auch bei der Desinfektion von Fleisch.
Das klingt unlecker.
Ja, aber das ist im Rahmen der Massentierhaltung völlig alltäglich. In den USA wird Fleisch zum Beispiel mit Milchsäure desinfiziert. Nach langen Diskussionen hat die EU das auch hier zugelassen. Das Problem ist aber: Je nach chemischem Verfahren können eventuelle hygienische Missstände, die man vorher in der Produktionskette hatte, relativ gut kaschiert werden. Eine andere Methode ist die Behandlung von Hühnchenfleisch mit Chlor. Auch das hatte die EU auf Wirken der USA zulassen wollen. Dann gab es aber massiven Widerstand aus der europäischen Bevölkerung, weshalb der Vorschlag nicht durchging.
Seite 2: Was der Verbraucherschützer zum Pferdefleisch-Skandal sagt
Das ZDF-Magazin „Frontal 21“ hat in dieser Woche erst aufgezeigt, dass Deutschland bei der Haltung von Ferkeln und Sauen nicht einmal die EU-Vorgaben einhält – und damit beim Tierschutz weit hinter andere Mitgliedsstaaten zurückfällt. Ist die Aufregung über schlechte Standards in den USA da nicht ein bisschen heuchlerisch?
Welche Aufregung? Es gibt schlicht unterschiedliche Standards in der Behandlung von Fleisch und in der Erlaubnis dessen, was verkauft werden darf. Die Frage ist: Wie wird reguliert, wenn es zu einem Freihandelsabkommen kommt und hätten unsere Verbraucher dadurch Nachteile?
Was fordert denn der Verbraucherzentrale Bundesverband?
Wir plädieren dafür, dass die bereits hohen existierenden Standards gegebenenfalls noch verbessert werden. Jegliche Verschlechterung für Verbraucher im Rahmen eines Freihandelsabkommens lehnen wir ab.
Mehrere US-Kongressabgeordnete haben bereits ihren Widerstand angekündigt, sollten die aus ihrer Sicht übermäßig bürokratischen Brüsseler Vorgaben auf die US-Produkte ausgeweitet werden.
Wir müssen abwarten, ob das Abkommen tatsächlich realisiert wird. Auf jeden Fall werden wir weiterhin versuchen, auch über unser Brüsseler Büro sowie über den Europäischen Verbraucherverband BEUC, Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen.
Die USA haben bereits mit Mexiko und Kanada eine Freihandelszone, so dass möglicherweise auch Lebensmittel aus diesen Ländern leichter ihren Weg nach Deutschland finden könnten. Was würde das für deutsche Kehlen bedeuten?
Das ist richtig, über das NAFTA-Freihandelsabkommen könnten sicherlich auch die Importe aus diesen Ländern zunehmen. Aber was das im Einzelnen bedeutet, können wir zu diesem Zeitpunkt nicht vorhersehen.
Wie sieht es mit Medikamenten aus?
Bislang ist es so, dass Pharmaprodukte sowohl in den USA, als auch in der EU zugelassen werden müssen, wenn denn beide Märkte bedient werden sollen. Das müsste vereinheitlicht werden. Der Vertrieb ist ebenso ein großes Problem: In den USA können Sie Aspirin in 200er-Packungen in der Drogerie kaufen. Bei uns müssen Sie in die Apotheke. Auch hier wäre eine Harmonisierung zwingend.
Fast nirgendwo sind Medikamente so teuer wie in Deutschland. Ist es daher nicht durchaus im Sinne der Verbraucher, dass das Apothekermonopol fällt?
Das mag schon sein. Aber man muss alle Bereiche, jedes Marktsegment, genau prüfen. Jede Verschlechterung lehnen wir ab.
Anderes Thema: Zwei deutsche Supermarkt-Ketten haben nun schon Pferdehack in ihren Rindfleischlasagnen entdeckt. Was ist eigentlich an Pferdefleisch so schlimm?
Verbraucher müssen wissen, was sie kaufen. Also: Das, was drauf steht, muss auch drin sein. Alles andere ist eine Irreführung. Im Zweifelsfall muss man auch juristisch dagegen vorgehen.
Was verlangen Sie jetzt von den Händlern und Herstellern?
Sie müssen sich der Verantwortung für die von ihnen verkauften Produkte bewusst sein – und dieser Verantwortung auch gerecht werden. Dazu gehört eine umfassende Qualitätskontrolle.
Herr Klimas, wir danken für das Gespräch.
Das Interview führte Petra Sorge. Fotos: picture alliance, privat (Porträt).
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