- Die Leiche wird gefleddert
Bei bis zu 70 Prozent Rabatt zeigt dieser Tage das Benehmen der Kunden in den letzten Schlecker-Filialen noch einmal, welche Wertschätzung die Schlecker-Frauen all die Jahre erfahren haben: Irgendwo zwischen Tante Emma und Fußabtreter
Wenn im Juni mehrere Flaschen Christkindl-Glühwein im Regal zum Verkauf angeboten werden, dann stimmt etwas nicht. Ach ja, richtig: Schlecker ist insolvent. Schlecker verkauft aus. Alles, was noch da ist, wurde zuerst zu einem Rabatt von 30 Prozent angeboten, jetzt soll es bis zu 50 oder 70 Prozent geben.
Ob sie den Christkindl-Glühwein noch los werden wird? Sabrina Druschky arbeitet seit 13 Jahren bei Schlecker in der Brunnenstraße, Berlin Mitte. Mittlerweile sind die Regale fast leer, ein paar Schädlingsbekämpfungsmittel und Duftkerzen sind noch übrig. Hier herrscht schon die Ruhe nach dem Ausverkaufssturm. „Wären die mal früher so gekommen!“, hört man in diesen Tagen immer wieder von Verkäuferinnen. Aber Frau Druschky ahnt, was die Kunden all die Jahre abgehalten hat: „In den Medien wurden immer wieder Schauergeschichten erzählt. Ich habe mich jedes Mal geärgert, dass dem keiner widersprochen hat. Wir wurden immer ordentlich bezahlt, mit Weihnachts- und Urlaubsgeld und bezahlten Überstunden. Dass wir kein Telefon haben, mag früher so gewesen sein, aber seit ich bei Schlecker arbeite, habe ich ein Festnetz-Telefon, mit dem ich die Polizei rufen kann. So ein schlechtes Image wirkt negativ auf die Kunden. Bei Lidl gab es auch eine Zeit lang solche Gerüchte, seitdem gehe ich nicht mehr gerne dorthin.“
Auch Kameras in den Schlecker-Filialen schafften es immer wieder in die Schlagzeilen. Von Spionage und Überwachung war die Rede. Cornelia Bieski arbeitet schon seit 17 Jahren für Schlecker, seit einigen leitet sie nun die Filiale in der Martin-Luther-Straße in Berlin Schöneberg. Von 1999 bis 2002 war sie für zwei Jahre im Schlecker-Außendienst tätig: „Ich kenne auch die andere Seite. Wenn der Verdacht bestand, dass im großen Maße gestohlen wurde, wurden Kameras eingesetzt. Das war aber nicht generell der Fall. Und jeder Einsatz war mit den Betriebsräten abgesprochen.“ Dass in manchen Filialen jeder Mitarbeiter einsteckte, hat Frau Bieski damals sehr erschrocken. In ihrer eigenen Filiale wurden deshalb unter den Mitarbeitern abendliche Taschenkontrollen eingeführt.
So viel Misstrauen gegenüber den eigenen Mitarbeitern und unter den Kollegen vergiftet leicht die Arbeitsatmosphäre. Und eine gespannte Stimmung springt auf den Kunden über. Hat das negative, öffentliche Bild dazu geführt, dass die Kunden dachten, wenn der Arbeitgeber die Schlecker-Frauen schon schlecht behandelt und die das aushalten, halten sie auch noch mehr aus? Sind Gerüchte um schlechte Gehälter und massiven Druck bis zur Überwachung ein Freifahrtschein, um auf Schlecker-Mitarbeiter herabzublicken?
Die Schlecker-Filiale in der Hortensienstraße in Steglitz ist mit Schnäppchenjägern gefüllt, obwohl auch hier kaum noch etwas in den Regalen steht. Seit dem Ausverkauf, erzählt die Verkäuferin, haben sie in der Mittagspause die Türen schließen müssen, weil der Laden so voll war. Als „blöde Schlecker-Weiber“ seien sie von wütenden Kunden deshalb beschimpft worden. Die Nerven der Mitarbeiterinnen liegen hier sichtlich blank. Als eine Kundin sich selbst bei den Plastiktüten bedient und gleich eine handvoll mitnimmt, wird sie robust zurechtgewiesen. „Die war schon immer unhöflich!“, heißt es, kaum ist die Frau aus dem Laden.
Dass sich die Kunden in den Verkaufsräumen wie Vandalen benehmen, gibt den gebeutelten Schlecker-Frauen den letzten Rest: „Das letzte halbe Jahr war für uns alle schwer, so viel Arbeit, so viel Stress. Dazu die Angst und Ungewissheit. Die letzte Woche war die schlimmste meines Lebens“, erzählt Sabrina Druschky.
Ihren Chef Anton Schlecker hat Frau Druschky ein paar Mal live erlebt. Er dachte immer, er sei „überraschend“ gekommen, aber tatsächlich hätten alle davon gewusst: „Es wurde extra Ware versteckt, damit Schlecker die nicht sieht. Einmal haben wir sogar Ware zurück ins Lager geschickt, damit er den Überhang nicht bemerkt. Zwei Wochen später haben wir sie dann wieder bekommen.“ Anton Schlecker sollte eine heile Welt, ein gut funktionierendes Unternehmen besichtigen. Deshalb herrschte auch im Kontakt zwischen den Verkäuferinnen und Schlecker selbst ein majestätisches Regiment, wie Druschky erzählt: „Man hatte nie eine Chance, ihm was zu sagen. Es wurde uns untersagt, mit ihm zu reden, außer man wurde gefragt.“ Es war nur eine Frage der Zeit, bis Schleckers Seifenblase platzen würde. Nun ist es passiert.
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Hinten, im Büro der Filiale, hängt noch immer ein Portrait von Anton Schlecker. Warum? Druschky kennt die Vorgeschichte: Herr Schlecker habe mehrere seiner Läden besucht und sei nicht erkannt worden. Danach habe jede Filiale ein Bild von ihm für die Bürowand bekommen. Wie bei einem Heiligenkult findet sich es sich noch heute in den meisten Filialen. Die Frauen haben Angst, das Schlecker-Portrait zu abzunehmen.
Über so viel Treuherzigkeit ärgert sich Mona Frias. Seit 17 Jahren arbeitet sie für Schlecker, seit 2001 ist sie in Berlin Betriebsrätin. Sobald es hieß, Herr Geiwitz, der Insolvenzverwalter, sei ihr neuer Arbeitgeber, habe sie angefangen, in den Filialen das Schlecker-Portrait zu entfernen: „Er ist nicht mehr mein Arbeitgeber, also muss ich ihn mir nicht mehr angucken! In jeder Filiale im Büro guckte der Chef immer mit!“ Von ihrem Büro in Berlin Marzahn aus kämpft Frau Frias für 126 Kolleginnen in 23 Berliner und Brandenburger Filialen.
Vor allem das Schlecker-Sortiment nach Schema F war ihr immer ein Dorn im Auge: „Wir haben seit 10 Jahren gefordert, dass mehr darauf geachtet wird, was die einzelnen Filialen verkaufen. Gibt es unter den Kunden mehr alte Leute? Oder vielleicht mehr Kinder? Das wurde nie berücksichtigt.“ Es wundert folglich kaum, dass das Konzept Schlecker nicht aufgegangen ist. Auch Frias weiß das. Ihr Engagement galt aber schon immer eher den Menschen als dem Unternehmen. Auch gegen die Gründung einer unternehmenseigenen Leihfirma hat Frias zusammen mit der Gewerkschaft und der Linkspartei gekämpft – erfolgreich. „Meine Kollegen wussten immer: Egal wer, wenn eine kommen und sich auskotzen wollte, konnte sie.“ Auch in den letzten Zügen gibt es für sie derzeit viel zu klären. Wie ist das zum Beispiel mit den Urlaubsansprüchen? Beginnt die Freistellung erst, wenn der Urlaub abgegolten ist?
An einem Regal ihres Betriebsratsbüros hängt ein Din-A4-Ausdruck. Abgebildet ist ein gestaffeltes Holzgerüst. Auf der obersten Sprosse sitzt ein dicker Vogel, „Chef/Manager“ steht daneben. Auf den Ebenen darunter folgen kleinere und immer mehr Vögel: „Führungskräfte“, „Abteilungsleiter“ und schließlich „der Rest“. Je weiter unten die Vögel sind, umso stärker sind sie mit Kot bedeckt. Die Pointe steht ganz unten: „Wenn die Jungs von oben nach unten schauen, sehen sie nur Scheiße; wenn die Leute von den unteren Ebenen nach oben schauen, sehen sie nur Arschlöcher.“ Ist es so bei Schlecker gewesen? Frau Frias lacht: „Ja, ich denke schon.“
Doch so negativ, wie die Eindrücke aus den Schlecker-Filialen in diesen Tagen sind, so negativ ist es nicht immer und nicht überall gewesen. Es sind vor allem die Schnäppchenjäger, die Hamsterkäufer, die in diesen letzten Stunden zum ersten Mal eine Schlecker-Filiale betreten. Sie nutzen die Gunst der Stunde, mit ihrer nicht selten schuldbewussten Miene ähneln sie Leichenfledderern und Grabräubern. Mit dem Schicksal der Schlecker-Frauen wollen sie sich nicht auseinandersetzen, rechtfertigen sich, mit ihrem Kauf doch wenigstens noch etwas Gutes für sie getan zu haben.
Aber in den ruhigen Gegenden, in den Wohnbezirken, gibt es auch die, denen die Schlecker-Frauen ernsthaft am Herzen liegen: die Stammkunden. In der Filiale Brückenstraße, Berlin Mitte, steht eine lange Schlange an der Kasse. Ob das Produkt, das sie kaufen will, der Haut Feuchtigkeit gebe, will die Kundin ganz vorne wissen. Die Kassiererin erklärt geduldig: Nein, das sei zur Porenreinigung. Für mehr Feuchtigkeit müsse sie die Flasche daneben nehmen. Die Kundin verschwindet und taucht kurz darauf mit dem richtigen Produkt wieder auf. Solche Beratung ist auch in diesen stressigen Tagen noch möglich. Eine Schlecker-Verkäuferin aus dem Forum Landsberger Allee berichtet sogar, dass ein Stammkunde am Tag nach der Insolvenznachricht zu ihr gekommen sei und ihr einen Job bei sich angeboten habe. Worum es genau geht, weiß sie noch nicht, aber sie weiß um ihr Glück, derart umworben zu sein.
Überhaupt wimmelt es dieser Tage in vielen Schlecker-Filialen nur so von guten Wünschen, Händedrücken und manchmal sogar Küsschen und Tränen der Stammkunden für ihre Schlecker-Frauen. Für viele waren die Mitarbeiterinnen der erste Anlaufpunkt in allen Lebenslagen: „Mit allem sind die Kunden zu uns gekommen. Ob die Rente noch ausstand, ein Brief übersetzt werden musste, oder die Katze gestorben ist,“ berichtet Sabrina Druschky. Auch ihre Kollegin Anja Reichstein aus Berlin Schöneberg fasst zusammen: „Das fängt bei der Frage der richtigen Haarfarbe an, über den Nagelknipser oder das richtige Mittel gegen Hühneraugen. Das Schöne war immer: Man konnte die Kunden beraten.“ Es war ein Kontakt wie im Tante-Emma-Laden, den die Schlecker-Frauen mit ihrer Stammkundschaft hatten.
Wo gehen diese Leute jetzt mit ihren Problemen hin?
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ich bin zeitlebens Händler von Gesellschaften bundesweit. Bei mir geht man SOFORT zum
Notar und regelt die anstehenden Firmen-
Probleme diskret. Verleger zu sein heißt, eine
öffentliche Aufgabe zu erfüllen, NICHT Gewinne
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in Berichten die Offenlegung relevanter Fakten &
Themen wie auch eine FAIRE Darstellung zu voll-
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"CICERO" in der gesamten Schlecker-Bericht-
Erstattung NICHt nachgekommen. Ihre Gewinn-
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Unternehmer und deren Gesellschafter. Bringen
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uneingeschränkten NUTZEN. Unterlassen Sie bitte
die primitive POLEMIK = sie schadet Ihnen nur.
Für fachliche Fragen stehe ich Ihnen gerne mit
Schlecker-Belegen & Beweisen zur Verfügung.
Ich wünsche Ihnen ALLEN einen erfolgreichen Tag.
Diplom-Betriebswirt & Freier Journalist
Hermann Schühle am schönen Bodensee