- In der Grube wartet der Tod
Mehr als zwei Millionen Arbeiter fördern im Kleinbergbau im Kongo unter unmenschlichen Bedingungen Kobalt und Kupfer für die weltweite Handyproduktion. Der Boom an den Rohstoffmärkten geht an ihnen spurlos vorbei, während die eigene korrupte Regierung prächtig verdient.
Die Steinmenschen von Kamatanda fürchten sich nicht, wenn sie ins schwarze Loch hinuntersteigen. Es hat einen Durchmesser von knapp zwei Metern und führt senkrecht in die Tiefe. Wie Spinnen klettern sie 40 Meter hinab in die Erde, barfuß und nur leicht bekleidet. Eine Leiter gibt es nicht. Nur mit ihren ausgestreckten Armen und Beinen stützen sie sich ab. In Fünfergruppen klettern sie in ihr Loch, um unten seitwärts noch tiefer in Gänge zu kriechen und die metallhaltigen Gesteinsadern der Erde zu entreißen: Kobalt und Kupfer für die industrialisierte Welt. Im Licht ihrer Stirnlampen und Kerzen, mit Hammer und Meißel, kleinen Schaufeln und Pickeln und bloßen Händen buddeln sie sich durchs unterirdische Erdreich. Der Hügel von Kamatanda im Süden der Demokratischen Republik Kongo ist durchsiebt von mehr als hundert Löchern. Ein Heer von Menschen, die sich wie Maulwürfe durch das Erdreich graben, steht hier am Anfang der Wertschöpfungskette von Handys, Windturbinen und Elektroautos.
Es ist Regenzeit in Kamatanda, doch das hindert Joseph, den Familienvater, Fiston, den Studenten, den Abenteurer Charles und den Unternehmer Robert nicht daran, in die Erde hinunterzusteigen. Vier Kongolesen, die wie zwei Millionen ihrer Landsleute ihr Geld als „mineur artisanal“ verdienen, was so viel heißt wie Kleinbergbauarbeiter – ein verharmlosender Begriff für diese unmenschliche Tätigkeit. Sie selber bezeichnen sich treffender als Creuseure (Buddler, Schürfer). Mit ihren mittelalterlichen Methoden fördern sie im Osten an der Grenze zu Ruanda Koltan und Zinnerze, in der Provinz Kasai Diamanten und hier, auf dem Hügel von Kamatanda in der südlichen Provinz Katanga, Gold, Kupfer und Kobalt.
Kobalt steckt in jeder aufladbaren Batterie. Etwa die Häfte des weltweiten Kobaltjahresverbrauchs stammt aus dem Kongo. Und da die Häfte davon im Kleinbergbau gefördert wird, ist in jedem vierten Handy oder Laptop dieser Welt ein kleiner Anteil von dem, was Joseph, Fiston, Robert, Charles und Co mit ihren bloßen Händen dem Erdinnern entreißen.
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