- Hoffnungsträger vor, Nervensägen zurück
Mit einer einzigen SMS kann Michaela Noll Dutzende Parlamentarier zum Sprinten und Schwitzen bringen. Sie ist parlamentarische Geschäftsführerin der CDU
"Komm’ se nicht zu nah, ich hab ne Grippe“, ruft Michaela Noll zur Begrüßung. Bis auf die tiefe Stimme merkt man davon nichts. Rücksicht auf Grippen kann sie sich nicht leisten, nicht in Sitzungswochen. In hochhackigen Lederstiefeln tackert die Parlamentarische Geschäftsführerin – kurz PGF – der Union durch die Gänge des Bundestags, das blond gesträhnte Haar wippt beim Gehen auf den Schultern ihres karamellfarbenen Kostüms. Es ist wahrscheinlich die aufwändigste Frisur der Fraktion. Ein Abgeordneter bleibt stehen: „Frau PGFin, melde mich zum Dienst“, salutiert er mit etwas schiefem Lächeln. Noll lacht, der Kollege wirkt erleichtert.
Es braucht einige Zeit im Bundestag, bis einem auffällt, wie Praktikanten der Abgeordnetenbüros nervös ihre Krawatten gerade ziehen, sobald die resolute Rheinländerin aufmarschiert. Wie Noll auf abendlichen Unionsveranstaltungen am Eingang steht und Parteigranden sich beeilen, sie links und rechts zu busseln. Wie ihr im Plenum oder auf Kongressen regelmäßig ein Platz in der ersten Reihe frei gehalten wird. Und wie die Abgeordneten vor ihr immer ein bisschen gerader sitzen, ein bisschen verbindlicher lächeln als sonst.
Das liegt weniger daran, dass Noll die Reiseanträge genehmigt oder mit einer einzigen SMS Dutzende Parlamentarier zum Sprinten und Schwitzen bringen kann, wenn sie die Fraktion über ihr Handy für kurzfristige Abstimmungen zusammentrommelt. Es hat schon eher damit zu tun, dass die 51-Jährige alle Kongresse, Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen der Fraktion organisiert und strategisch besetzt: Gute Redner rauf auf die Bühne, Leute ohne Charisma runter, Hoffnungsträger vor, Nervensägen zurück. Nolls Job ist die pausenlose Optimierung der Spieler im Team Union. „Man lernt dabei Stärken und Schwächen der Kollegen und auch Details kennen, die sonst kaum jemand mitbekommt“, sagt sie.
Sie ist stets auf dem Sprung und kümmert sich: „Wenn man merkt, da ist Unruhe, muss man stimmungsmäßig auch mal reingehen“, sagt sie. Und wenn sich ein Kollege querstellt, geht Noll auch schon mal hin und sagt: „Ich hab gehört, du tickst da ganz anders als die Fraktion, wir sollten mal reden.“ Sie ist nicht die Art von Frau, der man so einen Wunsch ablehnt.
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Dass Noll bei den Großeltern in einem Soldatenhaushalt aufgewachsen ist und unlängst den einwöchigen Drill einer Wehrübung bei den Feldjägern durchgestanden hat, mag ihr dabei helfen, die Fraktion auf Spur zu bringen. Ihr Vater war Senator in Persien, die Mutter Deutsche, die Eltern pendelten zwischen den Ländern. Der Kulturkreis ihres Vaters bleibt ihr fremd – er will nicht, dass sie die Haare offen trägt. „Da ich Persien, das Land meines Vaters, niemals kennengelernt habe, fiel es mir manchmal schwer, seine Ansichten nachzuvollziehen.“ Stattdessen prägt sie der katholische Glaube der Großmutter, dem C zuliebe geht sie später in die CDU. 1979 verurteilen die islamischen Revolutionäre ihren Vater zum Tode.
Er türmt über Nacht nach Deutschland, stirbt bald darauf. „Da habe ich mitbekommen, was es heißt, wenn Politik Menschen kaputtmacht.“ Aber das hindert die Juristin nicht daran, 2002 über die Landesliste in den Bundestag einzuziehen. 2009 tritt sie in ihrem Wahlkreis Mettmann gegen den Ex-Ministerpräsidenten und möglichen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück an, sie schlägt ihn mit 44,4 zu 33,8 Prozent. Inzwischen ist sie Vizechefin der Union in NRW neben Norbert Röttgen, und als Parlamentarische Geschäftsführerin im Auge aller fraktionsinternen Stürme. Guttenbergs misslungene Rückmeldung kommentiert sie – einst Fan des Ex-Ministers – distanziert: „Wer so ein Talent mitbringt, muss auch vorsichtig damit umgehen.“ Sie ist vollauf damit beschäftigt, in der Eurokrise die Zentrifugalkräfte in der Union zu bremsen: „Da gibt es täglich Erklärungsbedarf, auch weil wir ja im Wahlkreis vermitteln müssen, dass wir die Sache im Griff haben.“
Auch davon wird abhängen, ob die Union sich 2013 wieder ins Regierungslager retten kann, und mit wem. „Über Schwarz-Grün kann ich nichts sagen, das habe ich nie erlebt“, sagt Noll. „Schwarz-Rot habe ich erlebt, und zumindest was meine Themenfelder anbetrifft, gab es eine große Schnittmenge. Die Zusammenarbeit war sehr pflegeleicht“, lobt sie. „Wobei das Gleiche für die FDP gilt“, beeilt sie sich hinzuzufügen. Das klingt aber eher nach höflicher Floskel.
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