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Asylpaket II - Weder Schutz noch Begrenzung

Das Asylpaket II sollte allen eine Atempause verschaffen. Die härteren Regeln in der Flüchtlingspolitik bringen aber nicht mehr Sicherheit. Im Gegenteil: Sie schaden den Schwächsten

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Es war kein Biolatschenträger, kein Ukulele-Zupfer, der da vor wenigen Tagen hingeschmissen hat. Es war der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Der Sozialdemokrat Christian Strässer konnte die schwarz-rote Flüchtlingspolitik nicht mehr mittragen – und trat zurück. Das Asylpaket II sei „nur schwer vereinbar“ mit seiner „eigenen Glaubwürdigkeit“, erklärte er.

Die schärferen Regeln zum Asylrecht – darunter einen erschwerten Familiennachzug – hat der Bundestag am Donnerstag beschlossen. Doch in der Großen Koalition gab es zahlreiche Abweichler, darunter einen in der CDU. In der SPD-Fraktion, in der sich 30 Abgeordnete verweigerten, herrscht Grummeln: Wozu gibt es überhaupt Beauftragte und Fachpolitiker, wenn man ohnehin nicht auf sie hört, fragt man sich dort.

Clausnitz und Bautzen als Teilerklärung


Das Gesetzespaket, das da in fünf Tagen durch den Bundestag gepeitscht wurde, wird weder die erhoffte Begrenzung des Flüchtlingszustroms bringen noch die Sicherheit im Landesinneren erhöhen.

Immerhin: Die Bundesregierung hat versucht, auf die Ängste der Bevölkerung einzugehen. Und das ist auch eine Teilerklärung für diese Asylreform.

Zwar ist es unredlich, Politiker für fremdenfeindliche Ausschreitungen in Mithaft zu nehmen zu wollen, wie es jetzt einige versuchen, wenn sie eine direkte Linie von Stanislaw Tillich nach Clausnitz und Bautzen ziehen. Aber diese Vorfälle sind die Folie, auf der die schärfere Flüchtlingspolitik gezeichnet wird.

Angst vor den 1990er Jahren


Es ist die Angst vor den 1990er Jahren. Damals brannten Asylunterkünfte, fremdenfeindliche Mobs machten Jagd auf Geflüchtete. Nach Mölln, Solingen und Rostock-Lichtenhagen reagierten die Bundestagsabgeordneten schon einmal mit einer Verschärfung des Asylrechts. Damals wurde das Grundrecht auf Asyl eingeschränkt, manche sagen: abgeschafft. Es wurden jene sicheren Herkunfts- und Drittstaaten benannt, die jetzt ausgeweitet werden und die die Schutzsuchenden aus Syrien, Irak und Afghanistan jetzt einfach niederrennen.

Damals kamen 400.000 Asylbewerber. „Das Boot ist voll“: Was die NPD skandierte, druckte der Spiegel: „Ansturm der Armen“.

Heute sind es eine Million, wahrscheinlich mehr. Aber es gibt eine Willkommenskultur. Sie lebt. Trotz Köln, trotz Pegida.

Und doch macht sich zwischen den Amtsstuben, Kleiderkammern und Notparzellen Erschöpfung breit. Träume sind geplatzt. Die vieler Geflüchteter – von schnellem Aufstieg, Studium, Selbstständigkeit. Die vieler Linker – von einem bunten, offenen Land. Aber auch die der Rechten – von einer homogenen Volksgemeinschaft.

Das Asylpaket II sollte allen eine Verschnaufpause verschaffen.

Frauen und Kinder zuletzt


Es ist nicht alles schlecht darin. Dass jetzt alle haupt- und ehrenamtlichen Helfer, die mit Kindern umgehen, ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis brauchen, hilft den Schwächsten. Gut sind auch die Maßnahmen zur besseren Arbeitsmarktintegration, und die leichtere Aufenthaltserlaubnis für Auszubildende. Auch, dass straffällig gewordene Asylbewerber schneller abgewiesen werden können, ist ein Fortschritt: Wer den Helfer und Retter verletzt, hat seinen Schutzanspruch verwirkt. Da ist es gut, dass Sexualstraftaten nun auch ein Rückführungsgrund sind.

Und doch ist es Hohn, wenn ausgerechnet diese Neuerung als Beleg dafür herhalten soll, dass das Asylpaket II eine Konsequenz aus den Übergriffen der Kölner Silvesternacht sei.

Denn gerade die Verwundbarsten unter den Betroffenen trifft die Reform mit voller Wucht: die Frauen und die Kinder.

Es gibt in den Notunterkünften keine Pflicht auf geschützte Bereiche für sie. Abschließbare Toiletten. Umkleidekabinen. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Familien- und Innenministerium hatte die Koalition gekippt.

Schlimmer noch: Der Familiennachzug für Menschen, die nur „subsidiären Schutz“ erhalten, soll nun für zwei Jahre ausgesetzt werden. Das betrifft die meisten Flüchtlinge aus Kriegsgebieten. Zwar sollen vor allem Syrer vorrangig mit Kontingenten nach Deutschland geholt werden. Diese Kontingente müssen aber erst noch auf EU-Ebene ausgehandelt werden. Und das kann dauern.

Nur 18.000 Visa zur Familienzusammenführung


Und so hocken die Männer monatelang in Turnhallen, die Frauen und Kinder im Flüchtlingscamp, vielleicht sogar im Bombenhagel.

Angesichts der Tatsache, dass rund 70 Prozent der hiesigen Asylbewerber männlich sind, fragt man sich, wo da die Lektion aus Köln sein soll.

Auch von Begrenzung wird nichts zu spüren sein. In zwei Jahren wurden gerade einmal 18.000 Visa zur Familienzusammenführung für syrische Flüchtlinge erteilt, wie Ulrich Kelber, Parlamentarischer Staatssekretär im Justizministerium, im November unter Berufung auf eine Anfrage der Grünen per Twitter mitteilte. Was da aufgehalten wurde, hat also weniger etwas mit Strömen, Wellen, geschweige denn Lawinen zu tun.

Die nun ausgegrenzten Frauen und Kinder haben nun zwei Möglichkeiten: Den Tod in ihrer Heimat zu riskieren. Oder auf dem Fluchtweg. Kein Wunder, dass sich die ersten Männer aus Deutschland verabschieden, und sich wieder auf die Route wagen – diesmal in umgekehrter Richtung.

Weniger Humanität, weniger Schutz. Das Asylpaket II bringt das Prinzip Darwin in die Politik: Nur der Fitteste überlebt.

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