Die vergangenen neun Monate sind nicht spurlos an Angela Merkel vorübergegangen. Bild: picture alliance

Flüchtlingskanzlerin Angela Merkel - Die Pragmatikerin ist zurück

Kolumne: Leicht gesagt. Die Flüchtlingskrise stellt die Kanzlerin vor die größte Herausforderung ihrer Amtszeit. Wurde Angela Merkel zunächst von ethischen Grundsätzen angetrieben, tritt mit dem Türkei-EU-Deal nun wieder der Machtmensch in ihr zutage

Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

So erreichen Sie Wulf Schmiese:

Es sagt sich leicht, dass Merkels Flüchtlingspolitik gescheitert sei. Die Umfrage- und Beliebtheitswerte im freien Fall, die Kritiker in den eigenen Reihen werden immer lauter – die Kanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik ist hoch umstritten. Und seit der Entscheidung zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen aus Ungarn Anfang September hat sich die Gesellschaft in einem bisher nicht gekannten Maße radikalisiert.

„Deutschland hat sich verändert durch Merkels Flüchtlingspolitik.“ So beginnt ZDF-Zoom an diesem Mittwoch. Darin dokumentieren und analysieren wir, mein Kollege Mathis Feldhoff und ich, die neun dramatischsten Monate in der Kanzlerschaft Angela Merkels – von ihrer Willkommenspolitik über die Zerwürfnisse mit der CSU und der EU bis hin zum rasanten Aufstieg der AfD.

Merkel hat die Willkommenskultur nicht ausgelöst
 

Als ZDF-Hauptstadtkorrespondenten haben wir diese Phase intensiv als Berichterstatter begleitet. Wir zeigen, wie sich die Bundeskanzlerin im Spätsommer 2015 an die Spitze der Willkommenskultur gesetzt, sie aber nicht ausgelöst hat. Wie sie sich durch den vorsätzlich aufgeschriebenen und eben nicht spontan geäußerten Satz „Wir schaffen das“ zur Flüchtlingskanzlerin machte.

Sie reagierte – wie zuletzt nach dem GAU von Fukushima. Damals war eine große Mehrheit für den Atomausstieg, was dann zu Merkels Politik wurde. Im September war eine Mehrheit der Deutschen dafür, die Fliehenden aus Syrien und dem Irak willkommen zu heißen. Was wiederum auch eine Reaktion war, und zwar auf brennende Asylbewerberunterkünfte, erstickte Menschen in Schmugglerlastern und dem grausamen Foto des an den Strand gespülten toten Kleinkindes.

Die Deutschen öffneten ihre Arme und machten damit weiteren Fliehenden Mut, nach Deutschland zu kommen, bevor Merkel Pathos vortrug. Das war ihre Reaktion auf die überwiegende Meinung im Land.

Seehofer war nicht eingeweiht
 

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer war von Beginn an mit dem Kurs der Kanzlerin nicht einverstanden. Er spricht im Film erstmals ausführlich über die möglichen Motive Merkels und berichtet aus Gesprächen mit ihr über das Thema Flüchtlingspolitik. So habe sie die Entscheidung, tausende Flüchtlinge aus Budapest nach Deutschland kommen zu lassen, als „historische Tat“ gesehen. Seehofer war darüber allerdings nicht informiert.

„Ich hätte diesen Vorgang vom 4. September nicht für möglich gehalten, aber er hat stattgefunden. Das trifft natürlich ins Mark, wenn man so zusammenarbeitet“, sagt Seehofer. Er hat den Rückzug aus der Koalition ernsthaft erwogen. Seehofer unterstellt der Kanzlerin faktisch, im Rausch des Beifalls gehandelt und die Folgen nicht bedacht zu haben.

Dem widerspricht Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble massiv, der im Gegensatz zu Seehofer eingeweiht war. Merkel habe „Europas Ehre verteidigt“, sagt Schäuble. Der CSU wirft er vor, einseitig Streit zu schüren durch „Attacken gegen Merkel“. Schäuble spricht vom Beginn eines neuen Zeitalters, einem Wendepunkt in der Geschichte.

Die umstrittenen Selfies
 

Das rückt Schäubles viel interpretiertes Bild vom Skifahrer gerade, welcher unvorsichtig eine Lawine ausgelöst habe. Schäuble versicherte uns während des einstündigen Interviews, dass er damit niemals Merkel gemeint habe, etwa ihre Selfies.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagt, dass der falsche Eindruck entstanden sei, die Kanzlerin habe hunderte Selfies zugelassen. Tatsächlich seien es keine Handvoll gewesen, und zwar nur bei zwei Besuchen von Flüchtlingsunterkünften. „Die Bilder haben sich im Grunde verselbstständigt im Kontext mit anderen von klatschenden Menschen am Münchener Hauptbahnhof“, sagt de Maizière.

Zu Wort kommen auch Flüchtlinge, deren Zukunft von Merkels Politik abhängt. Das sind Menschen aus Albanien und Mazedonien, denen Abschiebung droht. Die wissen, dass sie gehen müssen, nur noch nicht, wann. Aber auch mit Syrern und Irakern sprechen wir, die ein neues Leben in Deutschland begonnen haben. Unter ihnen ist Hassan al-Assad aus Aleppo, der mit der Kanzlerin eines der umstrittenen Selfies knipste. Sein Asylantrag ist nach neun Monaten noch immer unbearbeitet…

Merkels Beweggründe
 

In dem halbstündigen Film wird deutlich, dass Merkels Kurs in der Flüchtlingspolitik durchaus kurvenreich ist. Frühe Weggefährten wie Pfarrer Rainer Eppelmann berichten, dass Merkel anfangs angetrieben war von ihren ethischen Grundsätzen. Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nennt als Beweggrund ihr „christliches Menschenbild“.

Am Ende der neun Monate jedoch erkennen wir in der Kanzlerin die Pragmatikerin der Macht wieder, als die sie auch vor der Krise galt. Weil ihr die Mehrheit in Deutschland und Europa zur begonnenen Willkommenspolitik fehlt, bemüht sie sich nun im Verbund mit der Türkei darum, Europa abzuriegeln.

Doch in diesen neun Monaten hat sich das Land und die Lage Merkels grundliegend verändert.

„Die Flüchtlingskanzlerin. Was treibt Angela Merkel an?“ ZDF-Zoom von Mathis Feldhoff und Wulf Schmiese, Mittwoch, den 08.06.2016, 22:45 Uhr im ZDF

Selfie-Bild: picture alliance

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Felicitas Hattermann | So., 14. August 2016 - 12:59

Österreich verurteilte Hassprediger zu Strafen bis zu 20 Jahren. Gut so! Salafist Sami A., Ex Bodyguard von Osama bin Laden, in Bochum lebend, hat erfolgreich gegen seine Abschiebung nach Tunesien (Urlaubsland vieler Europäer) geklagt und kann mit seiner sechsköpfigen Famillie weiterhin auf der sozialen Kuschelmatte des deutschen Steuerzahlers mit monatlicher Alimentierung von tausenden von Euros vermutlich weiterhin Mörder rekrutieren.