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() Fritz Kuhn
Wie links sind die Grünen ?

Die politischen Lager lösen sich auf. Schwarz-Grün? Jamaika? Die Linksalternativen von einst verbürgerlichen sich und erhalten in der Koalitionsarithmetik eine neue Rolle. Eine Positionsbestimmung

Mit der Diskussion um die Frage, was nach der Großen Koalition kommt, wird die politische Verortung der Grünen in besonderer Weise aktuell. Da FDP und PDS/Linke geradezu Lagerprotagonisten sind, käme es also auf die Grünen an, welche der beiden noch größeren Volksparteien den Zuschlag erhielte. Natürlich liegen die Dinge nicht so einfach. Die zwei Lager existieren nicht in Reinform. „Rechts“ und „links“ sind Begriffe, deren Bedeutung nicht unumstritten ist. Und das Gerede von der Mitte, auch der neuen, hilft nicht weiter. Ist es links, wenn die Menschenrechte auf Kuba für die PDS nicht zählen? Ist es links, wenn Globalisierungskritik in der nationalchauvinistischen Verteidigung der alten Nationalstaaten mündet? Sind Wertkonservative rechts, weil sie die Natur erhalten wollen? Oder sind nur die Strukturkonservativen rechts, weil sie den Status quo gegen jede Veränderung stellen? Wäre dann die SPD noch eine linke Partei, die als Kohle- und Auto-partei ja strukturkonservativ ist, dass es kracht? Und ist die sozialdemokratische Wende der Leipziger Bundesvorsitzenden Merkel ein Hinweis auf einen Lagerwechsel oder nur eine vorübergehende taktische Irritation? Mit solchen Fragen wird deutlich, dass zu einfache Lagertheorien der Wirklichkeit nicht standhalten. Dennoch wird damit keineswegs alles beliebig. Wenn man unter „links“, dem italienischen Rechtsphilosophen Norberto Bobbio folgend, eine Haltung verstehen will, die bei sozialen Problemen nicht eine individualisierende, sondern eine gesellschaftliche Antwort gibt, dann sind die Grünen eine Partei der Linken. Arbeitslosigkeit und Armut gehen die Gesellschaft als Ganzes an. Das ist die grüne Absage an den Neoliberalismus. Allerdings gibt es die Grünen genau deshalb, weil eine zu simple Präferenz von Gerechtigkeit gegenüber der Freiheit zu allem anderen führt als zur Verwirklichung von Gerechtigkeit. Wer Gerechtigkeit nur als Verteilungsgerechtigkeit sieht, ignoriert, dass es zur Verwirklichung von Gerechtigkeit entscheidend ist, für alle gerechte Zugänge zu ermöglichen. Es geht also nicht um die Höhe des ALG2, sondern auch darum, ob es sich um eine wirklich aktivierende Grundsicherung handelt, die die Teilhabe am Arbeitsmarkt erleichtert. Ob Männer und Frauen tatsächlich die gleichen Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben haben, ob künftige Generationen wirklich vergleichbare Lebensbedingungen auf unserem Planeten vorfinden können, ist ebenfalls eine Frage der Gerechtigkeit, die weit über das klassische linke Umverteilungsdenken hinausweist. Die grüne Partei hat sich in ihrem Grundsatzprogramm von 2002 ganz bewusst einem erweiterten Gerechtigkeitsbegriff verschrieben, der sie von der allzu etatistischen Linken trennt. Spannend wird die Diskussion, wenn man sich den Grundsatzfragen der Sozialpolitik zuwendet. Die nachrevolutionäre Linke sieht die Hauptaufgabe des Staates in der perfekten Organisation der Umverteilung. Was die einen zu wenig haben, haben die anderen zu viel. Gute Politik regelt das über die Sozialversicherung und den Staatshaushalt. So wird gerechte Politik auf ein etatistisch zu bestimmendes Umverteilungsvolumen reduziert. Ein wesentlicher Punkt grüner Politik ist die soziale und gesellschaftliche Emanzipation des Einzelnen. Der Sozialstaat darf nicht entmündigen, sondern soll den Leuten so helfen, dass sie sich selber helfen können. Dies begründet auch ein Misstrauen gegen die großen Sozialstaatsbürokratien. Ökologie, aber auch die Entschuldung der Staatshaushalte sind Konzepte der Generationengerechtigkeit. Sie machen die Freiheit künftiger Generationen zum Gegenstand unserer heutigen politischen Verantwortung. Und weil dies für alle Menschen auf unserer Erde gelten muss, gibt es für die Grünen trotz aller berechtigten Kritik an den Auswüchsen der Globalisierung kein Zurück zum chauvinistischen Konzept der Nationalstaaten. Letztlich sind die Grünen für die Globalisierung – für eine gerechte und nicht ausgrenzende. Welche Bündnisse für die Grünen in Zukunft möglich sind, ist damit in erster Linie eine Frage der Inhalte und nicht der gefühlten Lagerzugehörigkeit. In vielen Teilen der Gesellschaftspolitik ist die Union nach wie vor altbacken und reaktionär. Die Schnittmengen mit der SPD sind hier größer. Das Element der Selbstbestimmung mag zu einer größeren Schnittmenge mit dem nicht sozialdemokratischen Teil der Union führen. Sicher ist das nicht, weil die Union ihren ordnungspolitischen Kompass verloren hat. Bei der Ökologie verhalten sich beide Parteien wie Dinosaurier. Deshalb können die Grünen hier davon ausgehen, dass sie in jeder Koalition ihr Kernthema erkämpfen müssen oder eben besser in der Opposition bleiben. Dabei übersehen wir nicht, dass es die Union ist, die derzeit den Atomausstieg rückgängig machen will, und nicht die SPD. Die Grünen verbinden eine linke Grundhaltung mit beträchtlichen wertkonservativen Wurzeln. Wir sind eine Partei des Bewahrens durch radikales Verändern. Eine Partei, die die Pflicht zum Morgen, also das Prinzip der Verantwortung und der Generationengerechtigkeit, zentral gestellt hat. Wir haben eine eigenständige Verbindung von Gleichheit und Freiheit. Eine pauschale Entscheidung, mit der Freiheit oder mit der Gleichheit zu koalieren, würde das zerstören, was die Grünen ausmacht. Deswegen kommt es auf die Inhalte an. Sie sind das Entscheidende für Koalitionsentscheidungen. Spannende Zeiten.

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