- Wer glaubt schon noch an die Rente?
Drohende Altersarmut, Eurokrise und Inflation machen den Deutschen Angst. Immer weniger Menschen vertrauen noch auf eine Altersvorsorge. Werden wir alle paranoid? Oder ist das heutige Rentenmodell einfach nicht mehr zeitgemäß? Die Sonntagskolumne
Es ist ja ein komischer Moment, wenn man mit der Altersvorsorge beginnt. So ein Schritt, den man mit Widerwillen tut, weil er das ganze Grauen des Erwachsenwerdens in all seiner spießigen Vorausschaubarkeit symbolisiert. Da hat man einen dieser Bankberater nach mehrmaligem Nachfragen endlich soweit, dass man von seinem ersten Gehalt etwas in die Rentenkasse einzahlt – und dann guckt man lieber nicht mehr so genau hin. Vielleicht ahnen die meisten jungen Riesterer bereits bei Abschluss des Vertrags, dass dieses Geschäft hier nicht unbedingt erfolgversprechend ist. Trotzdem gehört es doch irgendwie dazu, für das Alter vorzusorgen, oder ist das etwa nicht mehr so?
Michael Herte von der Verbraucherzentrale in Schleswig Holstein rät auch heute noch zur Riesterrente. Man solle darauf achten, vor allem flexible Verträge zu machen. Die Banken und Finanzdienstleister raten ihren Kunden häufig zu kapitalbildenden Fonds, bei denen sie selber mitverdienen. Viel sinnvoller seien für Berufsanfänger und junge Menschen die ohne große Kapitalanlagen riestern wollen, flexible preiswerte Banksparpläne, sagt er.
Vor allem aber muss man sich um eine Altersvorsorge kümmern, wenn sie abgeschlossen ist. Einmal den Vertrag unterschreiben und dann nicht mehr hinsehen, funktioniert nicht. Vielmehr müssen die Bank, beziehungsweise das Finanzamt immer auf dem Laufenden gehalten werden über die Änderungen im Leben des jungen Riesterers. Und das ist nicht so leicht in einer Zeit, in der wir unsere Jobs wechseln, wie die 68er ihre Liebhaber, in der wir mal arbeitslos, mal selbstständig, mal fest angestellt sind. Nebenher kommt noch das eine oder andere Kind. All das muss zwecks richtiger Riesterberechnung angegeben werden, sonst drohen eines Tages sogar Nachzahlungen. Am Ende bekommt der Sparer dann zwar „das wieder heraus, was er eingezahlt hat“, bei hoher Inflation kann das angehäufte Rentengeld aber durchaus im Wert geschmolzen sein, gibt Herte zu.
All das macht nicht nur dem Image der Riesterrente zu schaffen. Auch durch den Arbeitgeber mitfinanzierte Renten sind häufig nicht mehr zeitgemäß. Beim Arbeitgeberwechsel kann es dann „richtig kompliziert“ werden, bestätigt Herte. Er habe Menschen bei sich sitzen gehabt, die zehn Jahre bei einem großen Unternehmen gearbeitet haben, aber erst nach dem zwölften Jahr Anspruch auf die Betriebsrente hatten. Wie viele aber arbeiten heute schon noch zwölf Jahre lang in der gleichen Firma?
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Eigentlich dürften niemanden die Ergebnisse einer neuen Studie der Postbank und des Instituts für Demoskopie Allensbach verwundern: Die Hälfte aller Berufstätigen in Deutschland glaubt nicht mehr an eine sichere Altersvorsorge, geht daraus hervor. Besonders die Ostdeutschen haben ihr Vertrauen in das Rentensystem offensichtlich eingebüßt. Im Vergleich zu den Westdeutschen, die 2010 im Durchschnitt noch 215 Euro im Monat für ihre Rente ausgaben, legen Berufstätige in Ostdeutschland nur noch 123 Euro monatlich zur Seite.
In der Ängste-Skala der Studie überragt die Überschuldung der Euro-Staaten alle anderen, gefolgt von der Sorge um die Inflation und der Befürchtung, den Lebensabend nicht aus eigener Kraft bezahlen zu können. 1771 Deutsche haben in der Studie Rechenschaft abgelegt über ihre Altersvorsorge. Herauslesen lässt sich eine gesellschaftliche Atmosphäre in Deutschland, die zwischen Panik und Fatalismus changiert.
Unser Rentenkonzept ist offensichtlich nicht mehr zeitgemäß. Flexibilität wird von jedem Arbeitnehmer immer selbstverständlicher gefordert, von den Betrieben und dem politischen System aber kann man diese Flexibilität offensichtlich noch lange nicht erwarten.
Nun retten sich die Menschen lieber in Sachwerte, um der Inflation auszuweichen. Gold und Immobilien seien besonders hoch im Kurs, heißt es in der Studie. Michael Herte aber sieht in der Eurokrise keine große Gefahr. Der Gedanke an die deutsche Inflation, mit der sich unsere Urgroßmütter herumschlagen mussten, führe „zu einer Emotionalisierung des Begriffs“, meint er. Während bei der deutschen Inflation von 1914 bis 1923 der Wert einer Mark innerhalb von zehn Jahren auf eine Billion anstieg, sprechen wir heute von einer Inflationsrate von 2-3 Prozent, die vielleicht auf 5 Prozent ansteigen könnte. Keine Panik also und weiterriestern?
Ob diese Altersvorsorge wirklich etwas bringt oder ob sie bereits von der Krise gefressen wurde, wenn wir den ersten Stützstrumpf tragen? Niemand weiß es. Und Norbert Blüm mag man irgendwie auch nicht mehr fragen.
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