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Dialog-Versuche - Die Anbiederung an Pegida

Pegida möchte den Dialog – aber ohne Diskursregeln oder den rechtsstaatlichen Rahmen zu respektieren. Was bitte soll das Ziel eines solchen Gesprächs sein?

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Plötzlich wollen alle mit Pegida reden. Wo Angela Merkel den Islamfeinden kürzlich noch „Hass“ vorwarf, suchen politische Repräsentanten nun den Dialog.

Nicht nur der Staat, alle seien jetzt gefragt, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag in der Dresdner Frauenkirche. Er sprach von der „Kraft der Debatte und Aufklärung“.

Nur: Wer soll an dem Dialog teilnehmen? Wer soll ihn führen? Und wie? Vor allem aber: Was soll das Ziel eines solchen Gesprächs sein?

De Maizière betonte, diesen Dialog könne der Staat nicht alleine leisten. Vielmehr sieht der CDU-Minister „Institutionen wie Rundfunkanstalten, Handwerkskammern, Kirchen oder Parteien“ in der Pflicht.

Doch diese können niemals Teilnehmer eines Dialogs sein – allenfalls die Organisatoren. Sie können nur die Rahmenbedingungen oder Bühne für einen solchen Dialog schaffen. Sie können Vermittler sein. Mediatoren.

Man überlässt Pegida das Wort, die Interpretation, den Triumph


Man tut derzeit aber so, als wären diese Körperschaften selbst diejenigen, die die Hand ausstrecken und um Vertrauen werben müssten. Als wären es Pegida auf der einen und auf der anderen Seite Moderatoren, Bischöfe oder konservative Politiker, die man zusammenführen müsse.

Was für eine krasse Fehleinschätzung: Wenn Pegida den Dialog sucht, wären die richtigen Adressaten für diesen Wunsch all jene Muslime, Asylbewerber und Migranten, gegen die die Islamfeinde immer wieder auf der Straße hetzen. Mit denen wollen die Verantwortlichen aber offenbar gar nichts zu tun haben.

Ja, nicht einmal mit ihren Vertretern: Das antirassistische „Würzburger Bündnis für Zivilcourage“ etwa hatte „Wügida“ öffentlich zu einem Dialogtreffen eingeladen. Bedingung: Die Organisatoren sollen sich von rechtsradikalen Demonstranten oder von rechtsradikalen Inhalten distanzieren. In einem anonymen Antwortschreiben bei Facebook lehnten die Wügida-Organisatoren das jedoch ab: „Ist die Distanzierungsspirale erst einmal angelaufen, müssten wir uns in vorauseilendem Gehorsam am Ende vielleicht noch vom blauen Himmel distanzieren“. Das „Würzburger Bündnis für Zivilcourage“ weist in einer Pressemitteilung zurecht darauf hin, dass auf dieser Grundlage „kein Gespräch nach den Regeln demokratischer Diskussionskultur möglich“ sei.

Gibt man Pegida in Kirchen, Rundfunkanstalten oder staatlichen Einrichtungen jetzt trotzdem das Mikrofon, dann überlässt man ihnen das Wort, die Interpretation, den Triumph.

Da vermittelt die ARD den Eindruck, sie führe schon einen Dialog, weil sie Pegida-Vertreterin Kathrin Oertel ins Herz der „Lügenpresse“ zu Günter Jauch einlädt. Nur: Die andere Seite im Sinne eines Flüchtlings oder eines Gegendemonstranten sah man auf den Stühlen der Talkrunde nicht.

Da twitterte der CDU-Politiker Jens Spahn: „Wirklicher Dialog braucht echtes Interesse und Bereitschaft zum Perspektivwechsel. Ich bin zu beidem bereit.“ Dabei ist Spahn nicht der Adressat der Pegida-Kritik. Der Aussagewert seiner Kurznachricht ist damit in ungefähr so gering wie wenn US-Außenminister John Kerry den beiden Konfliktparteien im Nahen Osten sagt, er sei zum Perspektivwechsel bereit.

Eindimensionale Top-down-Kommunikation


Da suggerierte auch die Sächsische Landeszentrale für politische Bildung, einen „Dialog“ zu organisieren, indem sie ihre Räume für eine Pegida-Pressekonferenz öffnete. Das hat weniger mit Dialog zu tun als mit eindimensionaler Top-down-Kommunikation.

Bei der Veranstaltung in der Frauenkirche, in dem sich der Landesbischof und der Innenminister die Klinke reichten, erhob sich nach Angaben des Deutschlandfunks eine Kanadierin im Publikum. Niemand habe sie gefragt, sagte sie da. Wie ergeht es ihr und ihresgleichen eigentlich mit Pegida? Mit dem Hass, der Angst, all den Vorverurteilungen?

Dialog kann auch nicht heißen, sich bedingungslos offen zu zeigen für diejenigen, die den Extremismus in ihren Reihen tolerieren. Oder gar ihre Forderungen ernst zu nehmen. Das macht man mit einem Pädophilen auch nicht: Man setzt für ihn nicht das Strafmaß herab oder erleichtert ihm den Zugang zum Kindergarten. Für ihn kann die Lösung nicht Dialog heißen, sondern nur Therapie.

Hören sollte man jene, deren Häuser mit Hakenkreuzen beschmiert werden


Pegida hat in ihren Reihen auch geistige Gewalttäter. Personen, die das Gedenken an die Opfer von „Charlie Hebdo“ für ihre islamfeindlichen Zwecke missbrauchen. Der Anführer Lutz Bachmann posierte bei Facebook als Hitler, er soll Flüchtlinge als „Dreckspack“ und „Viehzeug“ bezeichnet haben. Die Staatsanwaltschaft prüft den Anfangsverdacht der Volksverhetzung.

Wer also darf für Pegida sprechen? Wen soll man in den Dialog einbinden? Diese Frage muss zuallererst geklärt werden.

Im zweiten Schritt muss man erkunden, ob die andere Seite – und etwa nicht ein Herr Spahn – zum Dialog bereit ist. Sprechen sollten zum Beispiel jene Dresdner, deren Häuser dieser Tage mit Hakenkreuzen beschmiert wurden. Hören sollte man jene, die es nicht mehr wagen, in eine Moschee zu gehen. Die ihre Kinder nicht mehr zur Schule schicken, wenn Pegida marschiert. Ernst nehmen muss man auch die Ängste der Mitbewohner und Nachbarn des eritreischen Flüchtlings Khaled B., der unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen ist.

Der Philosoph Jürgen Habermas formulierte einmal, ein Diskurs müsse herrschaftsfrei sein. Wenn dieser aber von Politikern und Kirchen an den wahren Opfern vorbeiorchestriert wird, dann hat das nichts mehr mit diesem Ideal zu tun. Dann springt man über jenes Stöckchen, das die Pegida-Organisatoren mit ihrem falschen Dialogangebot hinhalten. Ein solcher Dialog wäre nur noch verlogen und eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig.

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