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Nach den Landtagswahlen - Die Mär von der Pro-Merkel-Wahl

Eine Interpretation der Landtagswahlen lautet: Die Wähler haben Merkels Flüchtlingspolitik bestätigt, nur eben bei anderen Parteien als der CDU. Für deren Verluste seien allein die jeweiligen Spitzenkandidaten verantwortlich. Doch diese Erzählung verwechselt Ursache und Wirkung

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Es ist so gekommen, wie es zu erwarten war: Die Erzählung steht. Und sie geht so: Wer gegen Merkel und ihre Flüchtlingspolitik war bei diesen drei Landtagswahlen, wurde abgestraft, und im Übrigen haben sich 80 Prozent Vernünftige gegen 20 Prozent Verrückte in diesem Land gestellt. Alles in Ordnung also für die Kanzlerin und ihre Partei, die CDU.

Ein Kollege der FAZ hat diese Erzählung aus dem Munde von CDU-Vize Ursula von der Leyen am Wahlabend schon treffsicher persifliert. Um es aber nochmals ohne jeden ironischen Schlenker zu sagen: Diese Erzählung ist falsch und Autosuggestion ohne Bezug zur Wirklichkeit. Sie hilft Angela Merkel, ja. Aber sie hilft weder dem Land noch der CDU.

Manchmal sieht man die Dinge einfach klarer, wenn man einen Schritt zurücktritt und nicht so nah dran ist. Deshalb lohnt heute morgen ein Blick in die Kommentarspalten der ausländischen Zeitungen jedweder Couleur. Manchmal hilft ein Blick auf die längeren Linien. Zur dominierenden Erzählung gehört nun, dass sowohl Guido Wolf in Baden-Württemberg als auch Julia Klöckner die Sache für die CDU vergeigt haben, weil sie sich von Merkels Kurs in der Flüchtlingsfrage distanzierten.

Merkels Politik hat die CDU zwei Ministerpräsidentenposten gekostet
 

Diese Betrachtung verwechselt aber aufs Furchtbarste (und vorsätzlich) Ursache und Wirkung. Der tiefe Absturz der CDU in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz wie bundesweit begann an dem Tag, als Angela Merkels bedingungsloses „Wir schaffen das!“ verkündet wurde, als sie den Flüchtlingstreck von Budapest durchwinkte und bald darauf bei Anne Will sagte: „Es liegt nicht in unserer Macht, wie viele nach Deutschland kommen.“ Eine Kapitulationserklärung einer Kanzlerin via TV.

In dieser Zeit sank die CDU in Baden-Württemberg von durchschnittlich 40 Prozent auf nunmehr 27 Prozent. Und in Rheinland-Pfalz von 42 Prozent auf nunmehr knapp 32 Prozent.

Das heißt: Merkels Politik hat die CDU zwei sichere Ministerpräsidentenposten gekostet. Dass Wolf und Klöckner in der heißen Phase des Wahlkampfes dann in Panik gerieten, kam erschwerend hinzu. Ursächlich war es nicht. Diese Wahlniederlage der CDU am 13. März 2016 hat zuerst und zuvorderst Angela Merkel zu verantworten. Es ist ihr Wahldebakel. Es war eine Volksabstimmung über ihre aktuelle Politik. 

Dass man im Übrigen mit einem klaren Kontra-Kurs zur Kanzlerin auch ganz achtbar abschneiden konnte, bewies der etwas aus dem Blickfeld geratende Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt. Nach Lage der Dinge wird er der einzige der drei CDU-Aspiranten sein, der den Posten des Ministerpräsidenten nach dem 13. März (wieder) innehaben wird.

Der Selbstbetrug der CDU
 

Natürlich kann die CDU diesen Selbstbetrug so weiterbetreiben. Natürlich ist das auch akut gut und hilfreich für die Parteivorsitzende, und das ist deshalb durchaus schon ein Wert an sich. Die Frage aber ist: Ist das mittel- und langfristig auch gut für die CDU, wenn man sich dieses Wahldebakel schönredet? Was hat man davon, wenn man sich den Unsinn einredet, dass die Politik von Frau Merkel reinkarniert im politischen Gegner, also konkret in den Personen von Winfried Kretschmann (Grüne) und Malu Dreyer (SPD) gewonnen hat? 

Die autosuggestive Stützung der Kanzlerin nach dem Prinzip von der Leyen nimmt eine strategische Schwächung der CDU in Kauf. Kandidaten werden weiter als Sündenböcke verschlissen. Die Personaldecke wird damit immer noch dünner. Und weiter werden originäre Parteiinteressen Merkels persönlichen Machtinteressen untergeordnet. Dafür steht die Koalitionsbildung in Baden-Württemberg.

Nirgends steht geschrieben, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen hinterher auch Ministerpräsident wird. Sonst hätte Winfried Kretschmann das letzte Mal auch nicht Regierungschef werden dürfen, denn er lag trotz Fukushima hinter der CDU.      

Und was für Kretschmann seinerzeit galt, gilt ebenso für die CDU und Guido Wolf heute: Eine Partei mit einem gesunden Machtinteresse und einem gesunden Selbstbewusstsein muss jede Chance suchen, den Regierungschef zu stellen. Sie würde in einer Koalition aus CDU, SPD und FDP den Ministerpräsidenten stellen. Das muss das Ziel sein, das man aufrechten Hauptes anstreben muss. Und nicht demütig und gebeugt Juniorpartner in einer grün-schwarzen Koalition werden, die Angela Merkel mit Blick auf die Bundestagswahl vermutlich lieber wäre.    

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