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Nach dem Flugzeugabsturz - Auch die Politik darf trauern

Kolumne: Leicht gesagt. Deutschland trauert. Mit Germanwings 4U 9525 stürzten 150 Menschen in den Tod. Allerorten ringen Politiker in diesen schweren Stunden um die richtigen Gesten und Worte. Es mögen Symbole sein. Aber sie sind wichtig

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, trauernde Politiker brächten nichts. Tatsächlich reicht die Macht der Bundesregierung, des Bundespräsidenten und der Regierungschefs aller Länder nicht aus, den Absturz des Germanwings-Flugzeugs postum glimpflich ausgehen zu lassen.

Muss daher der Bundespräsident seine Südamerika-Reise abbrechen? Muss die Kanzlerin sich auf den Weg zur Todesstelle machen? Dorthin, wo der Außenminister gemeinsam mit dem Verkehrsminister unverzüglich hingeflogen war? Diese Reaktionen mögen alle hilflos sein. Richtig sind sie trotzdem.

Was nützt das den 150 Toten? Was hilft es deren todunglücklichen Angehörigen? Das können wir fragen. Aber eben wirklich nur fragen – jedoch nicht beantworten, sofern wir nicht selbst zu den Hinterbliebenen zählen oder ähnlich Tragisches erlebt haben.

Anteilnahme und Mitgefühl gehört seit jeher zur Menschlichkeit und somit zur Menschheit. Immanuel Kant zählte es zur „Metaphysik der Sitten“. Anständiger Umgang miteinander bedeutet auch, anderen zu sagen, die Leid und Verlust erleben: Wir fühlen, ja wir leiden mit; wir trauern.

Der Staat trauert
 

Millionen R.I.P.-SMS wurden getippt, jede davon ist nur Ausdruck der eigenen Hilf- und Fassungslosigkeit. Der Staat, der wir alle sind, trauert seit dem Absturz. Der Staat hat seine eigenen festen Regeln und Rituale für Trauer.

Seine Vertreter melden sich zu Wort. Die Kanzlerin, die für das ganze Land spricht, wendet sich öffentlich, stellvertretend für das Volk an das Volk. Sie sagt, was wahrscheinlich die Mehrheit dachte, als die Nachricht bekannt wurde: Jetzt sei „die Stunde, in der wir alle große Trauer empfinden und an die Opfer, ihre Angehörigen und ihre Freunde denken“.

Bundeskanzlerin Merkel signalisierte zudem Einsatz, in dem sie die Angehörigen wissen ließ: „Wir setzen alles daran, dass sie die Hilfe und den Beistand finden, die es in solchen Stunden geben kann.“ Dazu gehörte, dass ihre Minister Steinmeier und Dobrindt sich aufmachten zum Absturzort in den französischen Alpen. Beide sind zuständig. Der Außenminister, weil sich das Unglück der vielen Landsleute im Ausland ereignete; der Verkehrsminister, weil die Tragödie des Flugs 4U 9525 – wie es scheint – ein Verkehrsunfall war.

Beide berichteten den Medien. Beide konnten auch nur Allgemeines sagen und wenig erklären. Dennoch war ihre gemeinsame Reise richtig als sichtbares Symbol: Wir lassen jetzt alles liegen und stehen. Nichts ist jetzt wichtiger, als dort zu sein. Wir kümmern uns, auch wenn wir nicht viel machen können.

Zeichen der Achtung
 

Der Bundespräsident im fernen Peru dankte als erstes den Rettern, die nichts mehr retten konnten. Und somit auch den Helfern in ihrer Hilflosigkeit: „Ich danke allen, die nun an verschiedensten Stellen Hilfe leisten und den Betroffenen zur Seite stehen." Joachim Gauck schämte sich nicht seiner Tränen. Pastoral mag das mancher nennen, was es aber eigentlich nicht ist, eher altväterlich. Gerade weil der höchste Staatsvertreter den Mut dazu hat, mag es den Hinterbliebenen ein Zeichen sein von Mitgefühl im buchstäblichen Sinne. Niemand außer ihnen sollte darüber richten, ob das bloße Geste war oder ein wenig Unterstützung.

Neben den Menschen, die den Staat vertreten, ist da auch noch das staatliche Protokoll: Die Bundesregierung ordnet an, dass Flaggen auf öffentlichen Gebäuden auf Halbmast gesetzt werden. Das ist bei uns das Zeichen der Staatstrauer, die andere Staaten – wie jetzt Spanien – sich verordnen. Die Halbstockbeflaggung bedeutet: Der Staat nimmt den Hut ab, senkt das Haupt. Das versinnbildlicht, wofür alle anderen Reaktionen auch stehen: Es gibt nun nichts Wichtigeres, nicht Höherstehendes, als der Opfer zu gedenken. Alles ist nicht viel, aber das Mindeste: Zeichen der Achtung gegenüber der Toten.

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