- Rücktritt eines Überschätzten
Er war ein ewiger Hoffnungsträger, nun gibt Matthias Platzeck das Amt des brandenburgischen Ministerpräsidenten gesundheitlich angeschlagen auf. Er hinterlässt ein geordnetes Haus. Mehr allerdings nicht. Ein Kommentar
Es ist das Ende einer Ära im Land Brandenburg und das Ende einer politische Karriere, die mehr von den Hoffnungen lebte und weniger von den Taten. Der Sozialdemokrat Matthias Platzeck tritt als Ministerpräsident zurück. Bereits Ende August will er sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückziehen. Sein Nachfolger an der Spitze der rot-roten Landesregierung soll Innenminister Dietmar Woidke werden.
Cicero wusste schon länger, auf wen Platzecks Nachfolge hinauslaufen wird: In der Augustausgabe, die seit Donnerstag am Kiosk und im Online-Shop erhältlich ist, findet sich ein Porträt des Kronprinzen Dietmar Woidke.
Natürlich gebührt Matthias Platzeck Respekt. Er hat offensichtlich eingesehen, dass er nach zwei Schlaganfällen zu angeschlagen ist, um das Land Brandenburg ordentlich zu regieren und um seine Partei in diesem Herbst und im kommenden Jahr in zwei Wahlkämpfe zu führen. Er hat sich entschieden, seiner Partei und seinen Wählern einen quälenden Abschied aus der Politik zu ersparen. In diesem Sinne könnte Platzeck in der Politik als Vorbild dienen. Viel zu viele Politiker klammern sich trotz angeschlagener Gesundheit an ihr Amt; häufig selbst dann noch, wenn unübersehbar geworden ist, dass sie diesem kräftemäßig nicht mehr gewachsen sind.
Matthias Platzeck hat einen anderen Weg gewählt und in diesem Sinne kann man sagen, er ist konsequent. Auch als SPD-Vorsitzender war Mattias Platzeck 2006 nach nur fünf Monaten und einem Hörsturz zurückgetreten, weil er, wie er damals erklärte, seine Kräfte überschätzt habe.
Einer der letzten großen Politiker der ostdeutschen Wendegeneration tritt damit von der politischen Bühne ab. Wie neben ihm nur Manfred Stolpe hat Platzeck in den letzten 24 Jahren die Politik in Brandenburg geprägt. Es war eine ungewöhnliche politische Karriere, die nur in den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen von 1989 möglich wurde.
Aus der kleinen Potsdamer Umweltgruppe ARGUS spülte es den damals 33-jährigen studierten Umweltingenieur während der friedlichen Revolution in der DDR in die große Politik. Platzeck wurde als Parteiloser auf der Liste der Grünen am 18. März 1990 zum Volkskammerabgeordneten gewählt. Er war Minister ohne Geschäftsbereich in der letzten DDR-Regierung und wurde schließlich als Landtagsabgeordneter von Bündnis 90 erster Umweltminister im wiedergegründeten Bundesland Brandenburg. 1995 wurde Platzeck schließlich SPD-Mitglied. Der politische Seiteneinsteiger galt als großes Talent. Während der Oderflut 2007 erlangte er bundesweite Berühmtheit und erwarb sich den Ehrentitel „Deichgraf“.
Egal, welches politische Amt der populäre Matthias Platzeck fortan anstrebte: Es wurde ihm zu Füßen gelegt. Nie musste er kämpfen, nie musste er sich innerparteilichen Intrigen erwehren, nie musste er das Letzte geben. 1998 gewann er unangefochten die Oberbürgermeisterwahl in Potsdam, 2000 wurde er SPD-Landesvorsitzender, 2002 Ministerpräsident und 2005 als vermeintlicher Retter in der Not sogar SPD-Vorsitzender. Jedes Mal galt Platzeck als Hoffnungsträger, jedes Mal wurde er mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht, jedes Mal gelang es ihm mit seinem Charme und seiner Offenheit, die Menschen mitzunehmen. Aber jedes Mal erweckte Platzeck schon bald ein Eindruck, als könne er den hohen Erwartungen an seine Person nicht gerecht werden.
Auch in Sachen Großflughafen Berlin-Brandenburg machte Platzeck in den letzten Monaten eine eher unglückliche Figur. Nach der gescheiterten Eröffnung des BER im Mai vergangenen Jahres übernahm Platzeck Anfang dieses Jahres von seinem Berliner Amtskollegen Klaus Wowereit den Aufsichtsratsvorsitz in der Flughafengesellschaft. Doch das Baustellen-Chaos blieb. Ein neuer Eröffnungstermin für den BER ist nicht in Sicht.
Platzeck war ein solider ordentlicher Umweltminister, er war ein ordentlicher Oberbürgermeister und ein ordentlicher Ministerpräsident, der erst mit der CDU und anschließend mit der Linken gleichsam reibungslos das Land regierte. Während er selbst politisch immer integer blieb, perlten alle Skandale in seinem politischen Umfeld an ihm ab. Nur bleibende politische Akzente hat er in den elf Jahren als Ministerpräsident nicht gesetzt.
Sein Ausflug in die Bundespolitik hingegen war kurz. Schnell spürte Platzeck, dass die Berliner Bühne für ihn zu groß ist, dass er den Herausforderungen der großen Politik weder gesundheitlich noch politisch gewachsen ist. Zum Abschied aus der Hauptstadt erklärte Platzeck seinen entsetzten Genossen, er wolle es mit den Belastungen und Zumutungen an seinen Körper „nicht auf die Spitze treiben“. Stattdessen zog er sich schnell wieder in seine Heimat Brandenburg und in seine kleine heile Welt zurück. Dort konnte ihm keiner das Wasser reichen, dort war er sowohl im Land als auch in seiner märkischen SPD ein kleiner König.
Mit Matthias Platzeck verlässt ein großer ostdeutscher Politiker die politische Arena. Eine Ära geht zu Ende. Es bleibt jedoch zugleich der Eindruck zurück, als hätte der Sozialdemokrat mehr aus seinem politischen Talent machen können. Aber vielleicht war der Mensch Platzeck auch nicht bereit, jeden persönlichen Preis für die politische Macht zu zahlen. Ende August ist der Politiker Platzeck Geschichte. Sein Nachfolger Woidke wird es nicht leicht haben.
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