- Günter Grass und Alice Schwarzer spitze
Wer dringt durch? Wer wird gehört? Zum dritten Mal präsentiert das Magazin Cicero eine Rangliste der deutschsprachigen Intellektuellen. Viele alte Bekannte gehören dazu und einige überraschende Neueinsteiger
Sie haben die Kraft durchzudringen – und sie sind beide Reizfiguren. Günter Grass ist im neuen Cicero-Ranking der 500 wichtigsten deutschen Intellektuellen die Nummer eins. Beste Frau: Alice Schwarzer.
[gallery:Deutschlands wichtigste Intellektuelle – Die Liste der 500]
Moralist, Literat, Grafiker, Dichter, Denker, Mahner und Nervensäge. Schon immer hat sich Günter Grass in den öffentlichen Diskurs ungefragt eingemischt. Mal treffsicher, mal nicht, kürzlich mit seinem Israel-Gedicht „Was gesagt werden musst.“ Ein paar Zeilen eines inzwischen 85-Jährigen können ein Land beschäftigen – das zeigt, wie relevant der Nobelpreisträger ist. Grass weiß, wie man Debatten inszeniert.
Kein Wunder also, dass er das neue Cicero Ranking zur Präsenz im geistigen Raum anführt. Auf Platz zwei und drei der Liste, die Cicero in seiner aktuellen Ausgabe komplett abgedruckt hat, folgen die Schriftsteller Peter Handke und Martin Walser. Die Feministin Alice Schwarzer steht auf Platz vier und ist damit die Frau mit der höchsten öffentlichen Deutungsmacht. Platz fünf nimmt die Schriftstellerin Elfriede Jelinek ein.
Die Erhebung bezieht sich auf die vergangenen zehn Jahre. Sie misst die Präsenz in den 160 wichtigsten deutschsprachigen Zeitungen, Zitationen im Internet, Treffer in der wissenschaftlichen Literaturrecherche Google Scholar sowie Querverweise im biografischen Munzinger-Archiv.
2007 hatte Cicero zuletzt eine Liste der 500 wichtigsten Intellektuellen veröffentlicht. Daraus ergeben sich auch die größten Aufsteiger. Der Göttinger Hirnforscher Gerald Hüther, Kritiker des deutschen Schulsystems, hat im Vergleich zu 2007 328 Plätze gutgemacht und steht nun auf Rang 152. Der Leiter des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit Klaus F. Zimmermann steht diesmal auf Platz 168 (plus 325), der Sozialforscher Harald Welzer („Das Ende der Welt, wie wir sie kannten“) kam auf Platz 112 (plus 313).
Der tiefste Absturz wurde beim ARD-Journalisten Klaus Bednarz gemessen, der 320 Plätze verlor und nun nur noch auf Rang 451 gelandet ist. Abgesackt in der Wahrnehmung sind auch der Schriftsteller Maxim Biller sowie Ernst-Ludwig Winnacker, früher Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
Erfolgreichste Newcomerin ist die frühere Bischöfin und EKD-Vorsitzende Margot Käßmann: Neu im Ranking schaffte sie es auf Anhieb auf Platz 26. Ebenfalls hoch platzierte Newcomer sind Charlotte Roche, Königin der skandalträchtigen Selbstvermarktung, auf Rang 67 sowie der Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner auf Platz 86.
Die Auswertung des Rankings zeigt die Dominanz der Patriarchen. Durchschnittsalter der Top 100 liegt bei 66 Jahren, der Frauenanteil nur bei 13 Prozent.
Trotzdem hat vor allem Alice Schwarzer als Galionsfigur des Feminismus in den letzten 40 Jahren in der Bundesrepublik viel bewegt. Sie wurde beschimpft, zog Häme und Hass auf sich und ist doch die einflussreichste Frau unter Deutschlands Intellektuellen.
Mit der Erhebung hat Cicero wie bereits 2006 und 2007 den Berliner Datenexperten Max A. Höfer beauftragt. Die komplette Liste der 500 veröffentlicht Cicero in seiner Januar-Ausgabe. Diese ist ab sofort am Kiosk erhältlich und in unserem Online-Shop.
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.