- AfD wird zur salonfähigen Neuen Rechten
Sachsen, Thüringen und Brandenburg haben gewählt: Die FDP verschwindet, die Grünen kränkeln, Gysi freut sich – und die AfD besticht mit Ostalgie und neurechter Gesinnung. Die SPD muss sich fragen, wie lange sie als Juniorpartner der Union lebensfähig ist
Deutschland, nach drei Landtagswahlen im Osten. Der Rauch verzieht sich langsam, die Sicht wird frei, geht fast bis zum Horizont der Bundestagswahl in drei Jahren. Zu besichtigen ist eine Partei, die sich verabschiedet, eine zweite, die sich aufmacht, es der FDP gleichzutun, eine dritte gründet und festigt sich teilweise auf deren Trümmern, teilweise aus herumliegendem Holz der Merkel-CDU. Das ist Deutschlands Parteienlandschaft nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.
FDP – die verschwindende Partei
Beginnen wir bei der verschwindenden Partei. Wie die FDP auf absehbare Zeit wieder zu Kräften kommen soll, ist nicht zu sehen. Natürlich bietet der Osten grundsätzlich keinen guten Mutterboden, um wieder frisch und neu auszutreiben. Aber es ist auch nicht erkennbar, wie Christian Lindner die von seinen Vorgängern systematisch zerstörte Partei rechtzeitig zur Bundestagswahl 2017 wieder konkurrenzfähig machen soll. Es ist keine Idee da, kein Kern, es gibt keine Köpfe, kein Konzept. Nichts. Der selbstironische Slogan der Brandenburger Liberalen „Keine Sau braucht die FDP!“ trifft die Stimmung schon ganz gut.
Die Grünen sollten sich den Zustand der Liberalen genau anschauen. Sie sind auf dem Weg dorthin. Auch hier gilt: Nicht eben grüner Humus da im Osten. Aber wenn in Thüringen, der Heimat einer der Obergrünen Katrin Göring-Eckardt die Fünf-Prozent-Hürde gerade so genommen wird, dann stimmt da etwas auch grundsätzlich nicht. Göring-Eckardt war sich leider immer zu fein für die Mühen der Landesebene und hat lieber auf den komfortablen Berliner Fauteuils Platz genommen, am liebsten als Vizepräsidentin über dem Bundestag thronend. Wenn die Grünen ihr farbloses, konturloses Quartett an der Spitze jetzt nicht schnell auswechseln, wenn sie ihre Rolle als Opposition nicht endlich beherzt wahrnehmen, dann geht der Niedergang gerade so weiter. Der einzige Kopf der Opposition im Bundestag sitzt derzeit auf einem kurzen, quirligen Körper. Gregor Gysi strahlt umso mehr, je stumpfer und matter die Grünen sich präsentieren.
AfD – die salonfähige Neue Rechte
Und dann ist da dieser Mann im Strickpullover. Bernd Lucke ist der stärkste Oppositionelle jenseits des Bundestags. Die AfD ist die neue Apo, noch. Lucke und seine Leute haben etwas geschafft. Sie sind in eine Lücke gestoßen, die die urbane Merkel-CDU eröffnet hat. Eine Lücke, die die Große Koalition für Europa eröffnet hat. Genau da ist die AfD hineingestoßen. Und wird dort auch mindestens mittelfristig bleiben.
Ein kleiner Seitenblick ins Ausland: An diesem Wochenende ist auch in Schweden gewählt worden. Auch dort haben die Rechtspopulisten zugelegt. Es gibt jetzt die Wahren Finnen, die Wahren Schweden und die Wahren Deutschen. Die AfD, das ist Neo-Nationalismus, wie er in Deutschland bisher nicht vorstellbar war. Man wartete immer auf einen glamourösen Mann oder eine glamouröse charismatische Frau, die dieses Potenzial hierzulande kristallisieren und an sich binden würde. Und dann kam Bernd Lucke. Eine viel idealere Figur für den Neo-Nationalismus hierzulande. Denn der muss auf leisen Kreppsohlen daherkommen. Das hätte man ahnen können. Die AfD ist die salonfähige Neue Rechte ohne offenkundigen Haut Gout, ein bisschen tümmelnd und ziemlich spießig, latent xenophob, ein bisschen homophob auch. Sehr deutsch also. Und deshalb erfolgreich.
Wer Angela Merkel unterschätze, hat schon verloren, hat Horst Seehofer einmal gesagt. Bei Lucke ist das auch so. Bernd Lucke ist ein Fuchs im Wollpullunder. Lobt die innere Sicherheit der DDR kurz vor zwei Wahlen im Osten. Die BamS war, nun ja, westdeutsch-borniert genug, dessen Trick nicht zu erkennen und machte noch ungewollt Wahlwerbung für ihn. „AfD-Chef lobt die DDR“ empörte sich das Blatt - dabei übersehend, wie gut das in den Teilen Deutschlands ankommt, in denen an diesem Sonntag die Wahlurnen aufgestellt wurden. Das sah dort wie ein kostenloses Wahlplakat an allen Kiosken aus. Recht hat der Mann. War schließlich nicht alles schlecht bei uns, so lesen das viele Ostdeutsche. Anders hätte es mit einer Zeile „AfD-Chef outet sich als Stasi-Fan“ ausgesehen. Aber so....
Große Koalition als Dauerzustand
Die Große Koalition, eigentlich der demokratische Ausnahmefall, wird zum Dauerzustand. Jedenfalls so lange die CDU mit der AfD keine Bündnisse eingeht, und das wird auf absehbare Zeit so bleiben. So lange es die AfD gibt, wenn die FDP nicht mehr zurückkehrt und die Grünen nicht wieder erstarken, ist die Große Koalition künftig der Normalfall in Deutschland. Keine schöne Perspektive.
Die einzige Alternative? Rot-Rot-Grün. In Thüringen kann es nun zu einem solchen linken Bündnis kommen, mit einem Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Er wäre der erste Linke, der ein rot-rot-grünes Bündnis führt, in das sich die SPD mit mageren Zwölfkommanochwas hineinrettet, um dem neuen Standardmodell Große Koalition zu entgehen.
Was für eine Schmach für die SPD. Parteichef Sigmar Gabriel hat immer wieder geraunt, er wisse, welche Fehler die SPD in der ersten Großen Koalition gemacht hätte, er habe einen Plan, den er durchziehe. Wenn das so ist, so bleibt der Plan bisher den Nachweis der Wirksamkeit schuldig. So allmählich müsste sich das ändern, wenn das was werden soll mit der Ablösung von Angela Merkel. Die SPD klebt weiter im Keller fest. Gabriels Plan ist entweder so geheim, dass ihn keiner merkt, oder er hebt sich alles für die letzten Meter auf.
Nach Lage der Dinge und angesichts des Siechtums der SPD in der Groko II muss sich inzwischen die Linke ernsthaft fragen, ob das Modell Ramelow nicht auch im Bund zöge. Ob sie also nicht mit Fug und Recht einen Kanzlerkandidaten aufstellen muss.
Gregor Gysi ließe sich wahrscheinlich nicht zweimal bitten.
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