- Klaus Wowereit und die K-Frage
Hinter den Kulissen streitet die SPD schon jetzt über ihren Kanzlerkandidaten 2013. Ein Sozialdemokrat aber, der auch gerne irgendwann einmal in die Bundespolitik wechseln würde, spielt dabei keine Rolle mehr.
An Selbstbewusstsein hat es Klaus Wowereit noch nie gemangelt. Seit zehn Jahren ist er mittlerweile Regierender Bürgermeister von Berlin. Und wenn der Sozialdemokrat in diesen Tagen im Wahlkampf durch die Stadt tingelt, lässt er keine Zweifel aufkommen, dass er es auch die kommenden fünf Jahre sein wird.
Die Chancen stehen dafür nicht schlecht. Seine Herausforderin Renate Künast schwächelt, die Grünen sind in allen Umfragen wieder hinter die SPD zurückgefallen, die CDU hält der Regierende Bürgermeister deutlich auf Abstand. Mittlerweile kann man sich kaum noch daran erinnern, dass Berlin viele Jahre fest in CDU-Hand war, so dominierend sind die drei linken Parteien SPD, Grüne und PDS in der Stadt. Klaus Wowereit kann sich den Koalitionspartner aussuchen.
Bei Themen wie Flugrouten, S-Bahn-Chaos oder jahrgangsübergreifendem Lernen, mit denen sich Wowereit im Wahlkampf herumschlagen muss, spielt er seinen Amtsbonus aus und profiliert sich als Mann der Wirtschaft. Doch wenn Klaus Wowereit den Wahlkampf nutzen wollte, um sich für einen Wechsel in die Bundespolitik zu empfehlen oder gar als SPD-Kanzlerkandidat ins Gespräch zu bringen, dann läuft es für ihn gar nicht gut.
Wowereit gehört in der SPD inzwischen zu den altgedienten Landesfürsten und trotzdem: Wenn die Partei in diesen Tagen über die K-Frage streitet, spielt Berlins Bürgermeister keine Rolle. Steinbrück gegen Steinmeier heißt das Duell, der laute Einzelkämpfer gegen den loyalen Fraktionschef, gegebenenfalls wird 2013 auch Parteichef Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidat in die Wahlschlacht ziehen. Anders als noch vor ein paar Jahren ist von Klaus Wowereit im Zusammenhang mit der K-Frage keine Rede mehr. Der Zug ist für ihn abgefahren.
Offiziell hat Wowereit sowieso keine Ambitionen. Seit Jahren weicht er allen Fragen nach bundespolitischen Plänen aus. Er sei gerne Regierender Bürgermeister heißt es, die Arbeit im Roten Rathaus mache ihm Freude, weitergehende Karrierepläne habe er nicht. Gleichzeitig ist ganz deutlich zu spüren: Wowereit will nicht ewig im Roten Rathaus sitzen und bis zu seiner Rente politisch in der Zweiten Liga spielen. Und immerhin ist er mittlerweile stellvertretender SPD-Vorsitzender. Gelegentlich kokettiert Wowereit mit einem Wechsel in die Bundespolitik und erklärt etwa sibyllinisch: „Nur eines kann ich Ihnen sagen: 2013 bin ich auf jeden Fall in Berlin“.
Gerhard Schröder hat es vor dreizehn Jahren als niedersächsischer Ministerpräsident meisterlich verstanden, sich im Landtagswahlkampf zum SPD-Kanzlerkandidaten aufzubauen. Seine Wähler nahmen es ihm nicht übel, dass der Wahlsieg lediglich als politisches Sprungbrett dienen sollte. Im Gegenteil, in der heißen Phase des niedersächsischen Landtagswahlkampfes erschienen in den Tageszeitungen des Landes schließlich sogar große Anzeigen mit dem Slogan „der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein“.
Ähnliche Sprüche wird es im Abgeordnetenhauswahlkampf nicht geben. So präsent Klaus Wowereit in der Stadt Berlin ist, so wenig hat der Regierende Bürgermeister in den letzten zehn Jahren die Chance genutzt, sich bundespolitisch zu profilieren. Zwar meldet er sich seit einiger Zeit häufiger bundespolitisch zu Wort, ist Dauergast in politischen Talkshows von ARD und ZDF und plaudert dabei über dieses oder jenes. Trotzdem gibt es kein bundespolitisches Sachthema, mit dem die Wähler Klaus Wowereit identifizieren.
Anders seine Konkurrenten: Peer Steinbrück ist ein international geachteter Finanzpolitiker, an Frank-Walter Steinmeier erinnern sich die Wähler als verlässlichen Außenpolitiker. Sigmar Gabriel gilt trotz seiner gelegentlichen Sprunghaftigkeit zumindest als profilierter Umweltpolitiker. Selbst Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, dem ebenfalls bundespolitische Ambitionen nachgesagt werden, war schon ein Arbeitsmarktexperte, bevor er als Mann der Wirtschaft an der Elbe in den Wahlkampf zog und für die SPD die absolute Mehrheit gewann.
Und wofür steht Klaus Wowereit? Für Spaß und für Lebensfreude, für Berlin als die Partyhauptstadt und Touristenmetropole, für kreative Kultur und Großevents. Die Menschen erinnern sich an sein Outing als erster schwuler Spitzenpolitiker und an seinen Satz „Berlin sei arm aber sexy“. Sie anerkennen, dass Rot-Rot mit ihm in der verschwenderischen Hauptstadt eine halbwegs solide Finanzpolitik durchgesetzt hat und dass die beiden Parteien die Menschen in den beiden Hälften der geteilten Stadt näher zusammengeführt haben. Bei den harten politischen Themen Politik wie Energiewende, Arbeitsmarkt oder Bildung gilt Klaus Wowereit aber als politisches Leichtgewicht. Fällt sein Name, verdrehen führende Sozialdemokraten schon einmal die Augen.
Im Bundesvorstand seiner Partei ist Wowereit für das Thema Integration zuständig, doch auch hier agiert er lieber aus der Deckung. Schließlich weiß er ziemlich genau, dass das Thema die sozialdemokratischen Wähler polarisiert und die SPD einen Intergrationswahlkampf nicht gewinnen kann. Ein geplantes Buch zu diesem Thema, mit dem Wowereit ursprünglich schon im Frühjahr auf die Thesen von Thilo Sarrazin antworten wollte, wird nun erst im Herbst erscheinen – nach der Berliner Wahl.
Einzig als Tabubrecher in Sachen PDS und Linkspartei ist Klaus Wowereit bundespolitisch aufgefallen. Rot-Rot ist in Berlin längst der Normalfall, nach neun Regierungsjahren aber vor dem Aus. Und auch bundespolitisch ist eine mögliche Zusammenarbeit von SPD und Linke derzeit kein Thema. Die SPD hofft, dass es für ein Bündnis mit den Grünen reicht und die Linke hat sich mit einer ideologisierenden Programmdebatte machtpolitisch ins Abseits manövriert. Aber als Vorkämpfer für Rot-Grün ist Wowereit bislang nicht in Erscheinung getreten, im Gegenteil, vor fünf Jahren entschied er sich nach der Abgeordnetenhauswahl gegen das Bündnis mit den Grünen und setzte stattdessen die rot-rote Zusammenarbeit fort.
Egal, ob Klaus Wowereit nach der Wahl mit den politisch gestärkten und selbstbewussten Grünen koaliert oder mit einer schwachen CDU. Ein machtpolitisches Signal, das bis zum Kanzleramt ausstrahlt, wird die SPD nach der Abgeordnetenhauswahl aus dem Roten Rathaus nicht absenden können. Und so könnte Klaus Wowereit ein ähnliches politisches Schicksal drohen wie seinem christdemokratischen Vorgänger Eberhard Diepgen. Der regierte die Stadt als ewiger Bürgermeister 17 Jahre lang mit wechselnden Koalitionspartnern souverän und unangefochten. Solange die Stadt geteilt war, spielte er zudem bei Staatsbesuchen in Westberlin den Grüßaugust der freien Welt. Aber von seinen Parteifreunden außerhalb der Berliner Landespolitik wurde „das Diepgen“ immer nur belächelt und für höhere Aufgaben als viel zu leicht befunden.
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