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Von der Leyens Erbe - Karrieremütter werden zum Leitbild der Familienpolitik

Seit Ursula von der Leyens Zeit im Familienministerium fördert der Staat ganz gezielt die volle Berufstätigkeit von Müttern. Dabei hat die Arbeitsministerin ihren eigenen Lebensentwurf zum Maßstab der Familienpolitik gemacht. Dumm nur, dass sich nicht jede Familie den Lebensstil der von der Leyens leisten kann

Hugo Müller-Vogg

Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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„Kinder der Liebe sind wir alle auf der Welt, und das ist schön, so wunderschön.“ Gut, dieser Schnulzen-Hit stammt aus den siebziger Jahren. Er stimmt jedoch noch immer. Seit es die Pille gibt, bekommen die Leute die Kinder eben nicht mehr von alleine, wie Konrad Adenauer meinte. Da müssen zwei bewusst ein Kind wollen – weil sie sich lieben.

Die familienpolitische Debatte verläuft jedoch völlig anders. Familienminister und -ministerinnen jeder Couleur wollten immer mehr Geld für Ehepaare mit Kindern und für solche, die noch Kinder bekommen sollten. Da spielt stets eine bevölkerungspolitische Komponente eine Rolle. Die Deutschen sollen nicht aussterben und unser Rentensystem braucht ständig neue Beitragszahler, wenn es nicht zusammenbrechen soll.

Als Familienministerin in der Großen Koalition hat Ursula von der Leyen andere Akzente gesetzt: Familienförderung heißt seitdem, der Staat fördert ganz gezielt die Berufstätigkeit von Müttern. Und erzieht nebenbei die Machos an ihrer Seite um.  Ein Baby, das nicht „nur“ von der Mama gewickelt wird sondern auch vom Papa, war „Vater Staat“ beziehungsweise „Mutter Ursula“ zwei Monate mehr Erziehungsgeld wert – maximal 3600 Euro. Noch deutlicher kann man die Geringschätzung nicht berufstätiger Mütter eigentlich nicht in Euro und Cent ausdrücken.

Die CDU-Frau von der Leyen hat ihren eigenen Lebensentwurf – sieben Kinder, voll berufstätig, große Karriere – zum Maßstab der Familienpolitik erhoben. Dass man zum Lebensstil der von der Leyens zwei ausgesprochen gut verdienende Partner braucht, wird leicht übersehen. Wenn Herr von der Leyen Lehrer mit A 13 wäre, dann wäre die Betreuung und Versorgung der Kinderschar mit Kinderfrauen und Haushaltshilfen so nicht möglich.

Wie auch immer: Das von der Leyensche Leitbild der berufstätigen Mutter steht. Deshalb analysieren die noch von ihr beauftragten Wissenschaftler das Dickicht von 160 verschiedenen ehe- und familienbezogenen Leistungen, die den Steuerzahler pro Jahr 200 Milliarden Euro kosten, ganz nüchtern unter dem Aspekt: „Was bringt’s?“

Das fördert dann ganz erstaunliche Resultate zu Tage. Beispiel Kindergeld: „Da Mütter bei einer Kindergelderhöhung weniger arbeiten, entgehen dem Staat Steuereinnahmen sowie Einnahmen aus der Sozialversicherung.“ Beispiel Kita-Plätze: „Über die steigende Erwerbstätigkeit der Mütter und die damit verbundenen zusätzlichen Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen fließt ein großer Teil der ursprünglichen Ausgaben wieder an den Staat zurück“ – ein Zeichen für „ausgeprägte Zielharmonie“.

Wie schön, dass bald Wahlkampf ist. Die CDU verwendet ja schon seit längerem den Slogan „Sozial ist, was Arbeit schafft“. Den kann sie jetzt ergänzen: „Familienfreundlich ist, was mehr Geld in die Steuer- und Sozialkasse spült.“ So materialistisch betrachten noch nicht einmal die bösen Neoliberalen die Familienförderung.

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Daran kann auch die Einführung des Betreuungsgeldes durch die schwarz-gelbe Koalition nichts ändern: Unter einer CDU-Kanzlerin ist die voll berufstätige Mutter zum Maß aller Dinge geworden. Mütter, die ihrem Kind zuliebe auf Berufstätigkeit und Karriere verzichten, sind nicht nur „Heimchen am Herd“, wie die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer es einmal so schön fortschrittlich formuliert hat.

Viel schlimmer: Nicht berufstätige Mütter schädigen den Staat, weil sie das Bruttosozialprodukt nicht mehren. Ganz nebenbei: Wahrscheinlich schaden sie auch dem eigenen Nachwuchs, weil sie ihm eine fachpädagogische Rund-um-Betreuung verweigern.

Wir haben mit mütterlichen Leitbildern in Deutschland ja so unsere Erfahrungen gemacht. Die Nazis führten eine Steuerpolitik ein, die die Berufstätigkeit von Ehefrauen bestrafte. Die „deutsche Frau“ sollte zu Hause bleiben und möglichst viele Kinder gebären. Schließlich brauchte der Führer „Kanonenfutter“ für seine verbrecherischen Feldzüge.

In der alten Bundesrepublik war die Nur-Hausfrau ebenfalls das Ideal. Nicht, weil die Bundeswehr Soldaten brauchte, sondern weil es für die Herren der Schöpfung so bequem war. In der DDR wiederum praktizierte man das andere Ideal: Die Frau musste gleichberechtigt am Aufbau des Sozialismus mitwirken. Nur eine werktätige Mutter war dort eine gute Mutter.

Wenn jetzt die vollzeitbeschäftigte Mutter zur „benchmark“  wird, dann sollte der Staat konsequent sein. Wie wär’s mit einer Strafsteuer für Ehemänner, deren Frauen es wagen, nicht zu arbeiten? Oder darf’s ein Rentenabschlag für „Heimchen am Herd“ sein? Beides würde sich für den Staat – ganz im Sinne der neuen Familien-Ökonomie – finanziell auszahlen. Und mit dem Geld könnte man mehr Kitas und mehr Ganztagsschulen einrichten. 

Ein nüchterner Blick auf die politische Gefechtslage zeigt: Nach der Wahl wird – unabhängig vom Ausgang – die Familienpolitik neu ausgerichtet werden. Die berufstätige Mutter wird zum alles überragenden Leitbild. Und viele der Frauen und Männer, die angeblich so gerne Kinder hätten, werden trotz neuer, umfassender Betreuungsangebote keine Kinder in die Welt setzen. Weil man sich nicht binden will, weil die Karriere wichtiger ist, weil man das Leben genießen will, weil man wegen kleiner Kinder keine Einschränkungen und keine Opfer auf sich zu nehmen bereit ist, weil, weil,
weil …

Eines bleibt: Die Kinder von morgen werden ebenfalls „Kinder der Liebe“ sein. Aber die Liebe unter den Menschen wird nicht zunehmen, nur weil die nächste Kita um die Ecke ist und pädagogische Fachkräfte besser bezahlt werden.

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