- Haftbefehl gegen deutsche Steuerfahnder
Schweizer Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder lösen heftigen Streit aus. Was steckt dahinter?
Die Schweiz hat im Zusammenhang mit der Beschaffung einer Steuersünder-CD mit Bankdaten der Credit Suisse (CS) Haftbefehle gegen drei Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen erlassen. Das hat heftige Kritik auf deutscher Seite ausgelöst. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nannte die Ermittlungen gegen die Beamten einen „ungeheuerlichen Vorgang“. Die Steuerfahnder aus ihrem Bundesland hätten „nur ihre Pflicht getan, deutsche Steuerbetrüger zu jagen, die ihr Schwarzgeld auf Schweizer Bankkonten geschafft haben“.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bezeichnete den Vorgang als „bodenlosen Skandal“. Die Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick und Thomas Gambke nahmen sich die Bundesregierung vor: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe unzureichend reagiert.
Schäuble hatte das Vorgehen der Schweiz als nachvollziehbar bezeichnet. Das Land habe sein Strafrecht, und darin sei die Verletzung des Bankgeheimnisses mit Strafe bedroht. Und die Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages, Birgit Reinemund (FDP), erklärte: „Sollte sich der Vorwurf erhärten, aus Deutschland seien klare Aufträge gegeben worden zum Ausspionieren einer Schweizer Bank, wäre es ein wirklicher Skandal, wenn deutsche Behörden in Wirtschaftsspionage auch nur ansatzweise verwickelt wären.“ Dem müsse Schäuble nachgehen. Die Deutsche Steuergewerkschaft hingegen bezeichnete den Haftbefehl als „grotesk“.
Was wird den drei Steuerfahndern konkret vorgeworfen?
Der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber erklärte, die Bundesanwaltschaft hege den klaren Verdacht, „dass von Deutschland aus konkrete Aufträge zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse erteilt wurden“. Die deutschen Fahnder könnten sich der Wirtschaftsspionage und der Verletzung des Bankgeheimnisses schuldig gemacht haben. Der Aufkauf der Steuersünder-CD war aus Schweizer Sicht eine illegale Transaktion, sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer. Ein Manager des betroffenen Finanzinstitutes Credit Suisse wetterte sogar über deutsche „Geheimdienstmethoden“ zur Info-Beschaffung. Und so wird der Ton in dem Bankenland gegenüber der Bundesrepublik immer aggressiver. Bürgerliche und rechte Politiker poltern gegen die Deutschen und loben die Haftbefehle gegen die drei deutschen Steuerfahnder. Thomas Müller von der Schweizerischen Volkspartei dröhnt: „Deutschland hat offenbar die Rechtskultur einer Bananenrepublik.“ Sein SVP-Kollege Luzi Stamm findet die Haftbefehle schlicht „super“. Doris Fiala von den Freisinnigen (FDP) sieht die Schweiz als Opfer eines „feindlichen Aktes“ der deutschen Behörden.
Wie ist das damals mit der Steuersünder-CD gelaufen?
Wie ist das damals mit der Steuersünder-CD gelaufen?
Es geht um den Ankauf der Daten von etwa 1100 deutschen Kunden der Credit Suisse im Frühjahr 2010. Dazu gibt es zwei Versionen, die der Regierungen von Nordrhein-Westfalen – der schwarz-gelben vor Mai 2010, der rot-grünen seither –, und der Schweizer Ermittler. In Düsseldorf heißt es, ein Vermittler habe vor Februar 2010 den Landesbehörden eine CDU mit Namen und Daten angeboten. Mit Unterstützung von Bundesfinanzminister Schäuble genehmigte dessen NRW-Kollege Helmut Linssen dann den Kauf, an dem sich auch weitere Bundesländer beteiligten – es flossen angeblich 2,5 Millionen Euro. Die Erwartung: Steuernachzahlungen und Strafen in Höhe von 400 Millionen Euro. Die deutschen Behörden waren nach dieser Lesart quasi nur passive Empfänger.
Die Schweizer Version geht etwas anders. Demnach gab es mit den beiden Anbietern – einem Schweizer Angestellten von Credit Suisse und einem österreichischen Geschäftsmann – Verhandlungen, die sich wohl über mehr als zwei Jahre hinzogen und bei denen es nicht nur Angebote an die Behörden gab, sondern möglicherweise auch konkrete Aufträge seitens der Finanzbeamten, was an Informationen noch beschafft werden sollte. Etwa weitere Kontendaten und bankinterne Dokumente, zum Beispiel über den Umgang der Credit Suisse mit deutschen Kunden.
Eine solche gezielte Beauftragung, verbunden mit Geldangeboten, könnte aber als Anstiftung zu Straftaten, eben „nachrichtliche Wirtschaftsspionage“, gewertet werden. Der Österreicher, der offenbar als Hauptvermittler auftrat, flog später auf, als er das Geld aus NRW anlegen wollte. Seine Bank in Österreich witterte Geldwäsche, die österreichischen Behörden informierten wiederum ihre Schweizer Kollegen. Das NRW-Finanzministerium versuchte nach einem Bericht der „WAZ“ dabei offenbar noch, dem Mann zu helfen, indem es ihm bestätigte, dass die fragliche Summe (830 000 Euro) aus der „Begleichung einer vertraglichen Verpflichtung des Landes Nordrhein-Westfalen“ stamme. Der Österreicher erhängte sich im September 2010 in der U-Haft, der Bankangestellte kam nach seiner Verhaftung in der Schweiz mit zwei Jahren auf Bewährung davon. Auf deren Aussagen und Unterlagen dürfte sich nun der Haftbefehl gegen die drei Finanzbeamten stützen. Nach Informationen der „WAZ“ fordert die Schweiz den Teil der 2,5 Millionen Euro, die offenbar noch auf deutschen Konten liegen.
Übrigens haben die deutschen Ermittlungsbehörden nach dem Ankauf von Daten-CDs auch Verfahren gegen Mitarbeiter von Schweizer Banken in Deutschland eingeleitet – wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Credit Suisse zahlte daraufhin im vorigen September 150 Millionen Euro, um einen Prozess zu vermeiden – die Staatsanwaltschaft Düsseldorf stellte die Verfahren daraufhin ein.
Müssen die Steuerfahnder fürchten, ausgeliefert und verurteilt zu werden?
Müssen die Steuerfahnder fürchten, ausgeliefert und verurteilt zu werden?
Das Grundgesetz verbietet eine Auslieferung deutscher Staatsbürger. So heißt es in Artikel 16, Absatz 2: „Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden. Durch Gesetz kann eine abweichende Regelung für Auslieferungen an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder an einen internationalen Gerichtshof getroffen werden, soweit rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt sind.“ Eine Verurteilung in der Schweiz hätten die Steuerfahnder also nur zu befürchten, wenn sie in die Schweiz einreisen, dort festgenommen und vor ein Gericht gestellt würden. Allerdings hat die schweizerische Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts, dass von Deutschland aus Aufträge zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse erteilt wurden, die deutschen Behörden um Rechtshilfe ersucht. Sollten die Ermittlungen den Verdacht auf „nachrichtliche Wirtschaftsspionage“ stützen, könnten die Steuerfahnder wohl auch in Deutschland belangt werden.
Was haben die Haftbefehle mit dem geplanten Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz zu tun?
Offiziell natürlich nichts. „Die Justiz und die Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz sind so unabhängig wie in Deutschland, und infolgedessen gibt es da keinen Zusammenhang“, sagte Schäuble am Wochenende. Aber beide Vorgänge fallen eben zusammen. Und in der Schweiz verlangen einige Parlamentarier und Banker schon lange, dass die Eidgenossen die Gespräche mit der Bundesregierung einfrieren. Jetzt legt der frühere Chef der größten Bank des Landes UBS, Oswald Grübel, nach: Ein Abkommen „würde gar nichts bringen, nichts als Ärger“. Neben den Hardlinern können sich besonnene Experten nur noch schwer Gehör verschaffen. Einer von ihnen ist der Direktor der Schweizer Finanzmarktaufsicht, Patrick Raaflaub. Wenige Tage bevor die Haftbefehle publik wurden verlangte er von den Schweizer Banken: Finger weg von Schwarzgeld.
Widerstand gegen das Steuerabkommen kommt aber auch aus der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die sich im Bundesrat – wie alle rot-grünen, roten oder rot-roten Regierungen – dagegen sperrt. Der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, also der Finanzbeamten, sieht denn auch einen direkten Zusammenhang. Offenbar handele es sich um einen massiven Einschüchterungsversuch durch die Schweiz, nachdem das Steuerabkommen wegen zahlreicher Schwächen vor dem Scheitern stehe, sagt Thomas Eigenthaler.
Was wird dieses Steuerabkommen künftig regeln?
In dem über Monate verhandelten und schon von den Regierungen unterzeichneten, aber vorerst durch Widerstand aus den Bundesländern blockierten Abkommen geht es um eine pauschale Nachversteuerung der Vermögen von deutschen Steuerzahlern bei Banken in der Schweiz. Zuletzt war eine gestaffelte Besteuerung zwischen 22 und 39 Prozent im Gespräch, je nach Höhe des Vermögens. Ererbte Vermögen sollten sogar mit 50 Prozent versteuert werden. Den deutschen Finanzbehörden wurde die Möglichkeit zu Stichproben in der Schweiz eingeräumt. Ab 2013 soll zudem der deutsche Abgeltungssteuersatz von 25 Prozent plus Solidarzuschlag auf alle Vermögenszuwächse erhoben werden. In der Bundesregierung rechnet man mit etwa zehn Milliarden Euro.
Der SPD genügt das nicht, zumal sie die Schlupflöcher nicht gestopft sieht. Umstritten ist, ab wann der Transfer von deutschen Vermögen in Drittländer, etwa überseeische Steueroasen, gemeldet werden muss – erst vom Geltungstag des Abkommens an oder rückwirkend zum September 2011. Ursprünglich war sogar eine fünfmonatige Frist nach Inkrafttreten vereinbart worden. Auch ist den Sozialdemokraten der Pauschalsatz auf Altvermögen zu niedrig, denn sie geht davon aus, dass es sich zu einem Großteil um unversteuertes Schwarzgeld handelt.
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