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Europaparteitag - Linke ohne Militarismus

Die Linke diskutiert auf ihrem Parteitag in Hamburg ihr Programm für die Wahlen zum Europaparlament - und ergeht sich im Kampf um die Bedeutung eines einzelnen Wortes

Autoreninfo

Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

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„Was ist Anarchismus?“ Texte zu Marx und Trotzki, signierte Wagenknecht-Bücher stapeln sich. Nebenan werden in der geschwungenen Coca-Cola-Schrift bedruckte "Anticapitalist"-Shirts verkauft. An einem anderen Stand hängt eine Che Guevara-Fahne, dort kann man sich seine ganz persönliche Fahne schon morgens abholen: Es gibt Cuba Libre und Mojito. „Hier ist Die Linke“, im Hamburger Congress Centrum hält sie ihren Europaparteitag ab.

Ein einziges Wort ist es, das bereits vor diesem Parteitag für so viel Aufregung gesorgt hatte. Fünf Silben, die in vielen Ohren nach preußischem Stechschritt klingen, nach einer von zwei Kriegen kontaminierten Vergangenheit: „militaristisch“. So war die Europäische Union in einem ersten Entwurf zum Leitantrag zum Europawahlprogramm der Linken genannt worden.

Der innerparteiliche Protest war heftig. Reformer und auch der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi hatten gegen die Formulierung, die EU sei eine „neoliberale, militaristische und weithin undemokratische Macht“, protestiert. Der Leitantrag wurde abgeändert, nun wurde vorgeschlagen, eine „konsequente Entmilitarisierung der EU“ zu fordern. Doch mit der Rechtfertigung, die Sahra Wagenknecht in Lanz' verkorkster Sendung über Bande gespielt hatte, war klar: Das umstrittene Wort würde in Hamburg wieder auftauchen.

Kipping bleibt auf unstrittigem Terrain

Das dauert aber ein wenig. Zunächst spricht Parteichefin Katja Kipping mit heiserer Stimme. Zwar geht sie mit den Plänen zur "Militarisierung der Außenpolitik", über die Bundespräsident Joachim Gauck und Außenminister Frank-Walter Steinmeier zuletzt gesprochen hatten, ins Zwei-Minuten-Gericht. Europa klammert sie jedoch aus.

Überhaupt kommt die EU in der begehrlich erwarteten Rede kaum vor. Kipping umschifft die Untiefen in der parteiinternen Debatte, erklärt vage: "Die europäische Revolution muss sozialistisch sein." Stattdessen beackert sie mit der Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen und europaweiten Millionärsabgaben unstrittiges linkes Terrain. Wenn sie konkret würde, zur Zukunft der EU sprechen würde, dann müsste sie wohl festes linkes Terrain verlassen. Schließlich blickt Kipping lieber in die Vergangenheit. Europa sei schon immer eine linke Idee gewesen, ruft Kipping den Delegierten zu und zitiert das 1941 verfasste „Manifesto von Ventotene“ der europäischen Föderalisten um Spinelli.

Nach dem mehr als höflichen Applaus für die Parteichefin ist es dann aber vorbei mit Umarmen.

Plötzlich ist das Wort „militaristisch“ wieder da. „Man muss doch die Dinge beim Namen nennen“, ereifert sich eine Delegierte in der Generaldebatte. Man dürfe doch nicht zulassen, dass Nichtparteimitglieder diktieren, was im Europaprogramm steht, wütet ein anderer. Auch Wolfgang Gehrcke, der außenpolitische Sprecher der linken Bundestagsfraktion, findet nichts Falsches daran, die EU „militaristisch“ zu nennen. Auch wenn er seinen Änderungsantrag letztendlich zurückzieht, will er mit dem Begriff in den Europawahlkampf ziehen. Fraktionsvizechefin Sahra Wagenknecht geht mit ihrer scharfen Kritik an der Militarisierung und Aufrüstung der EU im Applaus des Saales unter.

Gregor Gysi versucht, dagegen zu halten, die Delegierten einzufangen.“Die Medien haben sich auf einen Satz konzentriert“, schimpft er, nur auf einen einzigen Satz im ganzen Programm-Entwurf. Gysi will nicht, dass die Linke in eine Trotzhaltung verfällt, dann kann man mit so einem Parteitag nicht viel reißen. Der Reformer Jan Korte hatte zuvor in dasselbe Horn geblasen - nur viel lauter: Mit radikalen Parolen lande man unweigerlich in der Provinzialität. „Wir sind doch keine Gartenzwerg-Linke.“ Unter freundlichen Beifall mischten sich Pfiffe und Buh-Rufe.

Doch alle Änderungsanträge scheitern. Am Ende bleibt die Präambel militarismusfrei.

 

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