Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
Jens Gyarmaty

Steinbrücks Kompetenzteam - Eine Bankerin soll für die SPD punkten

Sozialdemokratie mag auf den ersten Blick nicht unbedingt zu einer Investmentbankerin passen. Trotzdem hat Peer Steinbrück Christiane Krajewski vor kurzem in sein Kompetenzteam berufen. Denn die Frau aus der Finanzwelt entspricht nicht den üblichen Klischees, wird es im Gegenzug aber auch schwer haben, sich gegen den Kanzlerkandidaten durchzusetzen.

Autoreninfo

Andreas Theyssen ist einer der beiden Gründer der Website opinion-club.com, eines digitalen Debattierclubs, der auf Kommentare, Analysen und Glossen spezialisiert ist.

So erreichen Sie Andreas Theyssen:

Es ist gar nicht so einfach, ein Fahrrad anzuschließen. Das Baustellenschild? Zu wackelig. Der Laternenpfahl? Schon belegt mit anderen
Rädern. Der Baum? Zu dick für die Kette. Irgendwie haben die Stadtmöblierer ein Detail vergessen, als sie die Berliner Vorzeigestraße
Unter den Linden ausstaffierten: Fahrradständer. So wird Christiane Krajewski einiges zugemutet, als sie zum Gespräch in einem Touristencafé nahe des Brandenburger Tores mit dem Fahrrad vorfährt.

Ein Fahrrad? Das ist in ihrem Berufsstand recht unüblich. Christiane Krajewski, 64, arbeitet als Investmentbankerin, da würden viele mindestens eine dunkle Limousine erwarten. Seit kurzem ist sie im Kompetenzteam des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück für Wirtschaft zuständig. Sozialdemokratie – das ist schon wieder etwas, das nicht jeder einer Investmentbankerin zutrauen würde.

Seit Franz Müntefering 2004 seine Heuschrecken-Kampagne inszenierte, als daraufhin nicht nur in der SPD Hedgefonds, Finanzinvestoren und Broker in einen Topf geworfen wurden, sind Investmentbanker für viele Sozialdemokraten die Inkarnation des Turbokapitalismus. Die Finanzkrise hat ihren Ruf nicht verbessert. Christiane Krajewski versuchte damals, im Managerkreis der SPD gegenzusteuern. „Sicherlich gibt es negative Einzelfälle“, sagt sie. „Aber es gibt auch Untersuchungen, die besagen, dass Unternehmen im Besitz von Private Equity sich im Schnitt besser entwickeln und neue Arbeitsplätze aufbauen.“

Es kommt noch schlimmer für das Sozialdemokratenherz. Denn Christiane Krajewski ist Senior Advisor bei der Frankfurter Investmentbank Leonardo & Co. „In Deutschland machen Immobilientransaktionen 70 Prozent des Geschäfts aus“, verriet deren Chef Claudio Mori dem Handelsblatt. So berät Leonardo die Landesbank Baden-Württemberg, wenn sie ihre Wohnsiedlungen losschlagen will, oder die Wohnungsgesellschaft Gagfah. Die wird vom US-Finanzinvestor Fortress kontrolliert, hat in Dresden Tausende Wohnungen aufgekauft und durch ihren Umgang mit den Mietern die halbe Stadt in Harnisch gebracht. So klagte SPD-Stadtrat Thomas Blümel: „Die Gagfah erhöht Mieten, entlässt Mitarbeiter und verkauft Mieter, nur um die Profite trotz Finanzkrise zu retten.“ Wo bleibt der Aufschrei in der SPD,
dass Steinbrück eine Frau in sein Team holt, deren Firma mit solchen Kunden dealt? Halten die Sozialdemokraten still, um das letzte bisschen Chance auf den Wahlsieg nicht zu verspielen?

Die Ruhe hat andere Gründe. Zum einen: Als Steinbrück die Nominierung der Investmentbankerin bekannt gab, erzählte er gleichzeitig, dass er seinen Pressesprecher feuert. Diese Nachricht dominierte in den Medien, Krajewski kam kaum vor. Zum anderen war sie saarländische Sozial- und Finanzministerin unter Oskar Lafontaine. Da gerät man unter Sozialdemokraten nicht so leicht in Verdacht, ein Büttel des Kapitals zu sein. Schließlich: Die Person Krajewski taugt nicht zur Verteufelung.

 

Sie selbst tut sich schwer mit der Berufsbezeichnung Investmentbankerin. „Der Begriff ist mir zu breit für das, was ich mache“, sagt sie. Leonardo, die Investmentbank, für die sie arbeitet, finanziert keine Unternehmenskäufe, sondern berät dabei, ebenso wie bei Börsengängen und Umschuldungen. Krajewski selber befasst sich nur mit Unternehmenstransaktionen. „Da liegt mein Schwerpunkt.“ Sie schätzt an ihrem Job den Prozess eines Unternehmenskaufs oder -verkaufs: Erst die analytische Phase, dann die Verhandlungsphase, „und dann ist das Projekt vorbei, und es kommt wieder etwas Neues“.

Auch sonst entspricht die Frau mit dem Fahrrad wenig dem Klischee einer Investmentbankerin. Nicht nur, weil sie sich daheim im Saarland in einer Kirchenstiftung engagiert. Sie ist überzeugte Marktwirtschaftlerin, sicherlich. Aber „ich wehre mich dagegen, wenn Marktwirtschaft keine Leitplanken hat“, sagt sie.

Sie plädiert für eine Finanztransaktionssteuer. Sie scheut sich nicht einmal, die Worte Markt und Moral zu verknüpfen. „Ich halte es für legitim, Unternehmer auch an ihre Verpflichtungen zu erinnern“, sagt sie. „Auch wenn es nur Ausnahmen sind: Intransparentes unternehmerisches Handeln, tricky eingeleitete Konkurse, Unternehmen auszuhöhlen – all das ist grob unanständig. Eigentum verpflichtet. Das weiß die große Mehrheit der Unternehmer.“

Reicht das, um im Wahlkampf für Steinbrück und die SPD Punkte zu holen? Krajewski sieht etliche wirtschaftspolitische Gründe, weshalb Angela Merkel abgelöst werden sollte. Die Finanztransaktionssteuer – „da passiert nichts durch die Bundesregierung“. Verkehrswegeausbau–
„die Bundesregierung misst Infrastrukturmaßnahmen keine Bedeutung bei“. Die Energiewende – „das ist derzeit reine Finger-in-den-Wind-Politik, die Wende muss man aber inhaltlich gestalten“.

Der Kanzlerkandidat würde kaum anders formulieren. Genau dies kann zum Problem werden für Krajewski. Steinbrücks Kompetenz in Wirtschafts- und Finanzfragen ist unbestritten, sein Sendungsbewusstsein groß, sein Alphatier-Gehabe ebenso. Wo bleibt Platz für sie? „Ich helfe ihm“, sagt sie lächelnd. „Außerdem kann der sich ja nicht selbst durch den Kopierer jagen, also werde ich ihn bei passenden Terminen entlasten.“

Analytische Phase, Verhandlungsphase, und dann, Ende September, ist das Projekt vorbei, und es kommt wieder etwas Neues.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.