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Lagerwahlkampf adé - Die Union rudert nach links

Die CDU will nicht mehr Stimmenlieferant für die FDP sein und rückt nach links. Die SPD betreibt einen konsequenten Lagerwahlkampf und will eine Große Koalition unbedingt vermeiden. Leicht gesagt, meint Wulf Schmiese in seiner Kolumne

Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Jetzt kommt ein Lagerwahlkampf. Das sagt sich leicht – für die SPD. Jetzt kommt bestimmt kein Lagerwahlkampf. Das sagt sich ebenso leicht – für die CDU. Die Wahrheit ist: Links werden sie versuchen, als Lager zu kämpfen. Doch rechts werden sie versuchen, denen links dermaßen auf die Pelle zu rücken, dass keine Frontlinie mehr sichtbar ist – und folglich kein Lager auf der Gegenseite.

Der Rauch nach der Niedersachsenschlacht hat sich verzogen. Benebelt taumeln noch immer beide Seiten: links der Mitte im Siegesrausch, rechts davon mit Verliererkrämpfen. Weil der Wahlabend alle so lange im Unklaren ließ,  wurde offenbar, dass die Wahlkampfstrategen der Union gar keine Strategie haben. Von 18 Uhr bis exakt 22:52 Uhr war die Linie: Donnerwetter, es reicht ja für Schwarz-Gelb! Also weiter damit auch im Bund. Dann aber wurde die Niederlage eindeutig. Daraus folgte für die CDU, die eben gehissten schwarz-gelben Segel flugs einzurollen und weit wegzurudern vom eben noch gepriesenen Partner FDP. Doch ganz geheuer ist dieser Kurs vielen in der Union nicht.

Bei den Grünen verlief es genau umgekehrt. Bis zum Wahlsieg in Hannover am späten Abend haderten sie damit, sich auf ein Lager mit der so schwachen SPD festzulegen. Als es dann trotz zweitschlechtestem SPD-Ergebnis seit Kriegsende reichte, gelobten die Grünen der SPD tief empfundene Freundschaft und Treue. Doch beschränkt sich das vorerst auf Niedersachsen. Bundespolitisch ist bis heute bei vielen Grünen eine Festlegung auf Rot-Grün noch immer nicht eindeutig. Denn nach wie vor gilt SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück etlichen als Problem. Grünen-Chef Cem Özdemir verweist tapfer auf die größeren Schnittmengen, die sein Parteiprogramm mit dem der SPD anstatt dem der CDU habe. Aber wo Steinbrück nun „grüner“ sei als Angela Merkel – da fällt ihm nichts zu ein.

Einzig die SPD ist konsequent Lagertreu. Sie hat das vor der Niedersachsenwahl gesagt, und sie sagt es auch danach. Sie hat auch die klarsten Gründe dafür. Denn ihre Machtkalkulatoren errechnen, dass eine 30-Prozent-SPD den Kanzler nur wird stellen können, wenn sie starke Grüne sicher an ihrer Seite hat. Das Ziel der SPD ist nämlich vor allem das, den Kanzler zu stellen. Sie fühlt sich noch immer verzwergt durch ihre einstige großkoalitionäre Nebenrolle unter Hauptdarstellerin Merkel. Frank-Walter Steinmeier sagt, diese Rolle sei der wahre Grund dafür, dass er als Kanzlerkandidat 2009 das schlechteste Nachkriegsergebnis der SPD eingefahren habe. Nie wieder, so die unausgesprochene Lehre daraus. Zumindest wenn irgend möglich.

Eben dieses nachvollziehbare Lagerdenken wird der SPD allerdings noch ein Problem bereiten, auf das Union und FDP schon gierig warten. Solange es nicht deutlich für Rot-Grün reicht in den Umfragen, wird eine Debatte um Rot-Rot-Grün erst glimmen und im Sommer lodern - wegen des Kanzlerarguments der SPD.

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Links von Rot-Grün wird dieses Wahkampffeuer nur zu gern angeheizt. Wer einen wirklichen politischen Wechsel wolle, der brauche die „Linke“, sagt die Linken-Vorsitzende Katja Kipping, und das ist mehr als eine Phrase. So klingt, wenn auch noch zaghaft, ein Koalitionsangebot. Kipping glaubt bereits voller Freude zu erkennen, dass sich ausgerechnet Steinbrück aus ihrem Ideenkasten bedient. Die Begrenzung der Dispo-Zinsen, für die Steinbrück wirbt, sei eine „Linken“-Idee, sagt Kipping. Und im Bundesrat könne es für Rot-Grün nur eine Gestaltungsmehrheit geben, wenn die Linke dabei ist. Das stimmt. Nur mit dem rot-rot regierten Brandenburg werden aus 33 rot-grünen Stimmen die für eine Mehrheit nötigen 36 Stimmen.

Die FDP profitiert am meisten von diesem linken Lagerwahlkampf. Denn jeder, der weder von SPD noch von Grünen regiert werden will, wird sie wählen müssen. Auf diese Wählerlogik setzen sie jedenfalls im Dehler-Haus, damit ihnen eine entwürdigende Kampagne „Wer Merkel will, muss Brüderle wählen“ erspart bleibe. So sagt also auch die FDP einem Lagerwahlkampf adé. Sie vertraut nach ihrem Niedersachsenergebnis darauf, dass es schon genügend sogenannter „bürgerlicher“ Wähler gibt, die der Union bei der Partnersuche nicht über den Weg trauen.

Die CDU macht es diesen Leuten leicht: „Es wird keinen Koalitionswahlkampf geben“, sagt Volker Kauder, der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Bundestag. „Jeder macht seinen Wahlkampf und vertritt seine Positionen. Und dann schaut man am Schluss, mit wem man eine Regierung bilden kann.“ Mit man meint Kauder natürlich die Union und er will damit pompös prahlen: Wir haben freie Auswahl! Doch wird die Union wirklich noch diese Wahl haben zwischen den drei möglichen Partnern FDP, Grünen und SPD?

Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nötigen zu bloß einer Lösung: große Koalition. Nur damit kann die nun fortwährend mögliche Blockadepolitik gegen eine Kanzlerin Merkel gebrochen werden. Bei der Union ist das klare Ziel deshalb, den wahrscheinlichsten Partner möglichst klein zu halten bis zur Wahl. Und das geht bewährtermaßen am besten durch programmatische Mimikri. Anpassung statt Angriff; Ununterscheidbarkeit - außer an der Spitze. Deswegen wird jetzt kräftig nach links gerudert bei der Union.

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