- Deutschlands Elite im Visier der Plagiatspolizei
Ob zu Guttenberg, die Stoiber Tochter oder jüngst Koch-Mehrin. Reihenweise werden dem bürgerlichen Lager nahestehende Personen überführt. Doch die einseitige politische Ausrichtung der Plagiatsjäger ist offenkundig und ihre Anonymität steht im Widerspruch zu einer offenen Gesellschaft.
Erst die politische Heilsgestalt Karl-Theodor zu Guttenberg, dann die Stoiber-Tochter Veronica Saß, jetzt das liberale Postergirl Silvana Koch-Mehrin – da waren es schon drei, die ihren Doktortitel los sind. Weil sie ungeniert abgeschrieben haben. Und weil sie überführt wurden. Nicht von ihren dafür eigentlich zuständigen Doktorvätern, sondern von einer anonymen Jägertruppe im Netz.
Man darf getrost davon ausgehen, dass diese Drei nicht die einzigen bleiben werden, die der Täuschung bei der Abfassung ihrer Dissertation überführt werden. Im Visier der Plagiatsforscher befinden sich aktuell der FDP-Europapolitiker Jorgo Chatzimarkakis, der FDP-Bundestagsabgeordnete Bijan Djir-Sarai und die FDP-Unterstützerin Margarita Mathiopoulos. Der neue baden-württembergische Landtagsabgeordnete Matthias Pröfock (CDU) hat vorsichtshalber schon darauf verzichtet, seinen Titel zu führen.
Nach dem Guttenberg-Coup haben diese „Jäger des verlogenen Satzes“ (Tagesspiegel) offenbar Blut geleckt. Auf einer neuen Internet-Plattform „PlagiPedia-Wiki“ wird zur Überprüfung von rund 200 wissenschaftlichen Arbeiten von Prominenten aufgerufen. Wörtlich heißt es dort in etwas seltsamem Deutsch: „Dieses Wiki soll die Bemühungen all jener auflisten, die das Ziel eines herausragenden wissenschaftlichen Abschlusses von Persönlichkeiten überprüfen wollen, die derzeit in besonders verantwortungsvollen Positionen unserer Gesellschaft stehen“. Das dürfte manchem Vorstand und manchem Politiker den Angstschweiß auf die Stirn treiben.
Daran gibt es nichts zu kritisieren. Wer sich seinen akademischen Titel nämlich durch Tricksen und Täuschen erworben hat – und eben nicht in „mühevollster Kleinarbeit“ (KT) –, der hat kein Mitleid verdient. Wenn diese Kampagne zudem die Hochschulen veranlasst, jetzt und in Zukunft bei der Bewertung ihrer Nachwuchswissenschaftler mehr Sorgfalt walten lassen, ist das überaus verdienstvoll.
Dennoch beschleicht einen ein ungutes Gefühl. Diejenigen, die im Namen der Wissenschaft und der Ehrlichkeit Plagiate aufdecken, agieren im Schutz der Anonymität. Niemand weiß, wer sie sind. Niemand kennt ihre wahren Motive. Niemand ahnt, wer sie finanziert. Und über ihre politischen Absichten kann man nur spekulieren.
Tatsache ist: Bisher wurden nur Promotionsarbeiten von schwarz-gelben Politikern untersucht. Auch ein Blick in die Namensliste der neuen Plattform offenbart eine politische Schlagseite: Die zur Überprüfung freigegeben Politiker gehören überwiegend dem bürgerlichen Lager an. Hinzu kommen promovierte Unternehmer und Verbandsmanager, also böse Kapitalisten. Selbst die schon zig-Mal gewogene und meist als sehr leicht befundene Doktorarbeit von Altkanzler Dr. Helmut Kohl aus dem Jahr 1958 (!) wird unter Generalverdacht gestellt.
Auch einige wenige Parlamentarier von SPD, Grünen und Linken werden samt ihrer Doktorarbeiten aufgeführt. Die sonst so tüchtigen Dissertationsprüfer haben es freilich nicht geschafft, die promovierten Bundestagsabgeordneten aller (!) Parteien aufzulisten, von sämtlichen Landespolitikern mit Doktortitel ganz zu schweigen. Wie naiv muss man eigentlich sein, um da an Zufälle zu glauben?
Die einseitige politische Ausrichtung der Plagiatsforscher verdeutlicht das Ergebnis einer Online-Befragung der Universität Dortmund. Die Parteipräferenzen der im Durchschnitt 38 Jahre alten „GuttenPlag“-Rechercheure waren eindeutig: Grüne vor SPD und Piratenpartei, dann etwa gleichauf Union und Linke.
Nun führen einige Anti-Plagiats-Aktivisten Klage darüber, dass man ihnen ihre Anonymität vorwirft. In Internet-Foren und in Leserbriefen tauchen Begriffe wie „Feiglinge“, „Denunzianten“ oder „frustrierte Loser“ auf, auch „digitale Blockwarte“. Blockwart ist freilich der falsche Begriff: Diese bei den Nazis wie im SED-Staat aktiven Schnüffler und Zuträger hatten Namen und Gesicht, waren sogar stolz auf ihre Untaten.
Es macht auch einen gewaltigen Unterschied, ob jemand andere wegen ihrer politischen Ansichten denunziert oder ihnen Täuschung und Betrug akribisch nachweist. Doch passen anonyme Plagiats-Jäger schlecht zu einer offenen, liberalen Gesellschaft. Sie gleichen rachesüchtigen Rentnern, die hinterm Vorhang lauern, um im Halteverbot parkende Nachbarn anonym bei der Polizei anzeigen.
Auch wenn die selbsternannten Plagiats-Polizisten durchaus eine verdienstvolle Arbeit leisten: In dem sie nur vermummt auftreten, nur aus dem Hinterhalt schießen und das nur in eine Richtung, entwerten sie ihre eigenes Tun.
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