- Das neue Gesicht der NRW-CDU
Sie ist das Gesicht des größten Landesverbandes der CDU und muss ihn aus der finanziellen Krise führen: Andrea Verpoorten ist neue Schatzmeisterin der CDU Nordrhein-Westfalen. Was Hannelore Kraft für die SPD war, könnte sie für die CDU sein – eine neue Leitfigur
Die jüngsten Tiefschläge haben noch keine Spuren hinterlassen. Andrea Verpoorten spricht darüber ohne Groll und mit erstaunlicher Gelassenheit. Wo andere vielleicht ein paar Tränen verdrücken würden, bleibt sie cool. Es gab ja auch schöne politische Erfolge. Aber die Zahl der Niederlagen ist eindeutig höher: erst die verlorene Landtagswahl, die sie das Mandat in Düsseldorf kostete, dann der kölsche Klüngel in der Domstadt, der ihr zu schaffen machte. Und jetzt dieses neue Parteiamt im nordrhein-westfälischen Landesvorstand ihrer Partei, um das man sie nicht beneiden muss: Schatzmeister der klammen Landes-CDU zu sein, ist kein Vergnügen. Trotzdem bleibt sie heiter. „Man muss immer wieder aufstehen“, sagt sie tapfer.
Nach dem Verlust des Landtagsmandats hat sie sich neue Ziele gesetzt. Daran ist Christa Thoben nicht ganz unschuldig. Die frühere nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin hatte sich in den Jahren nach dem Machtverlust der CDU an Rhein und Ruhr 2010 darauf beschränkt, die Finanzen des größten christdemokratischen Landesverbands zu verwalten; besonderes Vergnügen bereitete das angesichts eines Schuldenbergs von mehr als sechs Millionen Euro nicht. Als Norbert Röttgen nach der Wahlniederlage im Mai zurücktreten musste, bat sie dessen designierten Nachfolger Armin Laschet, die Verantwortung in jüngere Hände zu legen, und präsentierte dem Aachener die Kölnerin Andrea Verpoorten.
Die Landtagswahl war für Verpoorten deshalb eine Katastrophe, weil sie auf der Landesliste nicht abgesichert war und im traditionell sozialdemokratisch dominierten Bezirk Köln I diesmal keine Chance auf Wiederwahl hatte. Tief getroffen musste sie ihr Büro in der Landeshauptstadt räumen. Immerhin lag ihr Erststimmenergebnis knapp zehn Punkte über den mageren 18 Prozent für die CDU in ihrem Wahlkreis. Nicht nur deshalb gibt es einige Parteifreunde, die fest davon überzeugt sind, dass Verpoorten in der Landespartei eine Zukunft hat.
Man müsse dieses frische Gesicht der Kölner CDU in der Politik halten, fanden sie. Hermann-Josef Arentz, der frühere Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, zum Beispiel, setzte sich bei Laschet für sie ein: „Ich finde die gut.“ Danach hatte der künftige Landeschef eine Sorge weniger. Seine Kandidatin für den Posten des Kassenwarts wurde auf dem Landesparteitag in Krefeld mit einem besseren Ergebnis gewählt als er selbst.
Seither muss sich die 39-jährige Anwältin um die Finanzen des größten Landesverbands kümmern. „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen gratulieren oder Ihnen Beileid wünschen soll“, begrüßte sie Hannelore Kraft, als sich die beiden kürzlich zufällig begegneten. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin hatte die SPD 2005 in einer ähnlichen Lage übernommen, in der sich die CDU jetzt befindet.
Seite 2: Sie muss sich mit 54 Kreisgeschäftsfürhern rumschlagen
Die Sozis hatten damals nach 39 Jahren die Macht verloren und litten unter einem so hohen Schuldenberg, dass Kraft sich innerparteilich erst einmal unbeliebt machen und Personal entlassen musste. Andrea Verpoorten wird das auch nicht erspart bleiben. Aber Probleme sind für sie Herausforderungen: „Meine Schwester sagt immer: Wenn es etwas zu verteilen gibt, bekommst du garantiert die schwerere Aufgabe.“
Es gibt 54 gut bezahlte und fest angestellte Kreisgeschäftsführer in der demoralisierten CDU an Rhein und Ruhr. Mit ihnen muss sie sich jetzt herumschlagen. Denn ihr Job ist es, die Bilanz von rot auf schwarz zu drehen. Immerhin kennt sie sich mit Zahlen aus. Nach dem Abitur am erzbischöflichen Gymnasium in Köln, wo sie auch studierte, arbeitete sie in Reichweite des Doms in einer auf Steuer- und Nachfolgefragen spezialisierten Anwaltskanzlei. Auch ihr Name hilft. „Man traut mir zu, die Dinge zu verstehen“, hat sie beobachtet, denn sie entstammt der Unternehmerdynastie, die seit fünf Generationen den gleichnamigen Eierlikör herstellt. Obwohl sie selbst damit nicht kokettiert, hatte sie nichts dagegen, dass eine Boulevardzeitung im Frühjahr ihre Kandidatur für den Vorsitz der Kölner CDU mit dem legendären Werbespruch kommentierte: „Ei, Ei, Ei! Verpoorten soll Kölns CDU retten“.
Die eigene Familie, aber auch die Adenauers – deren Wort in der Stadt zählt – hatten sie ermuntert zu kandidieren. Und sie war selbstbewusst in die Schlacht gezogen. Aber sie hatte die Kraft des kölschen Klüngels unterschätzt: Nicht sie wurde Parteivorsitzende, sondern der außerhalb der Stadt unbekannte Bankmanager Bernd Petelkau. Denn der hatte die Unterstützung von Richard Blömer, dem Strippenzieher hinter den Kulissen, den auch äußerst unappetitliche Parteispendenaffären nicht aus dem Ring geworfen haben. Aus Blömers Sicht hatte Verpoorten einen entscheidenden Nachteil: Sie gehört zu keiner der berüchtigten Klüngelrunden rings um das historische Rathaus. Sie vertritt und repräsentiert die gutbürgerlichen konservativen Familien, denen der kleinkarierte innerparteiliche Grabenkampf zuwider ist.
Ihre Gegner feierten Verpoortens Niederlage mit Eierlikör, dabei hält ihr Familienzweig keine Anteile am Unternehmen. Selbst das erzählt Andrea Verpoorten eher ruhig, aus der Bahn geworfen hat sie das nicht. Sie kandidierte anschließend – gegen das ausdrückliche Votum des neuen CDU-Vorsitzenden – für einen Stellvertreterposten in der Kölner CDU und wurde gewählt. Man muss eben immer wieder aufstehen.
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