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Jens Bonnke

Die Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage - Das Merkel-Paradox

Deutschland erlebt einen nie gekannten Zustrom von Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten. Im Volk rumort es gewaltig, aber die Kanzlerin lässt sich nicht beirren. Cicero geht in seiner November-Ausgabe den Risiken und Chancen dieser Politik nach

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Angela Merkel krempelt gerade Deutschland um wie einen Pullover. Nicht nur ganz praktisch und offensichtlich, indem sie es mit der Öffnung für absehbar mehrere Millionen Menschen aus dem Nahen Osten und Afrika zu einem anderen Land macht – was viele begrüßen und ebenso viele bang beobachten.

Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende stülpt aber auch die parteipolitische Landschaft um, dreht rechts auf links und umgekehrt. Menschen, die sich eher links verorten, schauen Anne Will, die die Kanzlerin zu Gast hat, und stammeln: „Ich wähl die. Ich wähl die jetzt. Ich wähl jetzt CDU.“

Und die andern, die das bisher trotz aller Energiewenden und Mindestlohnkonzessionen aus Verbundenheit zum Konservatismus weiter getan haben, fallen jäh vom letzten Glauben an ihre Vorsitzende ab. Die beiden politischen Linien dieses Landes überkreuzen sich im Moment. Eine paradoxe Situation. Wenn nur Ernst Jandl die noch hätte erleben dürfen.

Wird die CDU zur Meute?
 

Was wir erleben, ist Angela Merkels Schröder-Moment. Ihr Vorgänger hatte mit der Agenda 2010 auch alles auf eine Karte gesetzt, gegen allen Widerstand. Und zu seinem persönlichen politischen Ende.

Was das für Angela Merkel heißen wird? Ist offen. Aber dass die Kanzlerin damit über den Winter kommt, ist unwahrscheinlicher als ihr Scheitern. Wenn der Abschwung in den Umfragen anhält, dann wird auch aus der Herde CDU eine Meute. Das dauert bei der CDU viel länger als bei der SPD, die eher  immer Meute ist und nur manchmal folgsame Herde. Aber am Ende wirken diese Reflexe auch bei der CDU. Zumal, wenn im Frühjahr 2016 drei Landtagswahlen in großen Bundesländern anstehen. Noch einmal passiert der CDU das nicht: zu lange zu warten wie seinerzeit bei Kohl.

Angela Merkel hat ein großes Experiment gestartet. Für sie. Für Deutschland. Die Titelgeschichte dieser Ausgabe setzt die Elektroden an und misst die elektrische Ladung. Im Land. Und in der CDU. Der Befund: Die Spannung steigt. Hier wie dort.

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