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CSU vs. AfD - Gauweiler hilflos im Kampf mit rechts

Kolumne: Zwischen den Zeilen. Verzweifelt versucht die CSU vor der Europawahl am rechten Rand zu fischen. Und hat nicht einmal einen geeigneten Köder dabei

Autoreninfo

Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Nu ma los jetzt. Jungs, Kameraden, Männer! Zackikowski! Genug gefrotzelt. Genug Gefremdelt. Hübsch brav zurück in den europakritischen Hafen CSU. Zurück in Papas Schoß.

So liest sich das Interview, das Peter Gauweiler am Freitag der national-konservativen Zeitung „Junge Freiheit“ gab. Es liest sich wie ein verzweifelter Appell, an all die untreuen Konservativen gerichtet, die ihr Glück rechts der CSU versuchen. An all die Abtrünnigen, die sich schleichend und heimlich auf die vermeintlich fetzigere Party der AfD geschlichen haben.

Gauweiler soll für die Konservativen retten, was zu retten ist


Wenn ein führender Politiker einer staatstragenden Partei ein Interview in der umstrittenen rechten Zeitung gibt, zeigt das zuallererst, wie sehr man bei den christ-sozialen Unionisten um den endgültigen Auszug einer bestimmten Klientel fürchtet. Die Strategie der CSU dahinter ist so simpel wie offenkundig: Sie will auf ihrem Weg nach Europa rechts blinken und hat eigens dafür als Beifahrer das konservative Urgestein Gauweiler reaktiviert. Gerade weil die CSU um die Konkurrenz von rechts weiß, darf Gauweiler zum ersten Mal ganz vorne Platz nehmen: Er wurde überraschend in den Vorstand gewählt und soll jetzt via Zentralorgan der National-Konservativen retten, was zu retten ist.

Zwischen den Zeilen aber treffen wir auf einen sich sichtlich unwohl und blümerant fühlenden Peter Gauweiler. Auf jemanden, der rechts fischen soll, aber die falschen Köder dabei hat und ganz offensichtlich nicht einmal Lust hat, die Rute auszuwerfen. Sichtlich genervt von den Anspielungen des Fragestellers, formuliert der Christsoziale seinen verzweifelten Appell:

„Bitte werden Sie nicht Opfer Ihrer eigenen Propaganda! Ich appelliere an Sie: Lassen Sie sich nicht den Blick verstellen. Die Michael-Kohlhaas-Tour ist bei Kleist nur bis zur Mitte der Geschichte sympathisch. Auch rechter Frust ist kein guter Ratgeber. […] Sie mögen sich ja bei der jungen Freiheit neue Parteien wünschen, aber was bitte hat der Untergang der Democrazia Cristiana Italien, dem Land, gebracht? Dem Land, um das es doch geht! Bestimmt nichts Besseres, im Gegenteil – langfristig nur politische Wirrsale. Kapiert ihr das nicht?“

Der Michael Kohlhaas der neuen Rechten


Kapiert ihr das nicht?! Ruppig und zweifelnd zugleich versucht er hier eine Zielgruppe zur Räson zu rufen, die ihm längst entglitten ist. Das Milieu, in dem Gauweiler nur mäßig motiviert zu punkten sucht, sitzt bereits auf einem anderen Gleis. Rechts der CSU hat sich dieses längst aufgestellt. Eine neue Rechte mit einer anderen Sprache, anderen Zielen und einer anderen Mentalität. Was für Gauweiler gilt, gilt auch ein bisschen für die Junge Freiheit selbst. Denn die neue Rechte hat mit PI-News, eigentümlich frei und anderen Kanälen längst neue Plattformen, über die sie ihr Gedankengut verbreitet.

Der Kohlhaasvergleich könnte daher treffender nicht sein: Der Pferdehändler Michael Kohlhaas lebte in Zeiten des frühen 16. Jahrhunderts, als sich der absolutistische Staat zu etablieren beginnt. Der neue Kohlhaas im rechten Milieu, den Gauweiler kritisiert, wähnt sich heute ebenfalls in von Willkür und Absolutismus bestimmten Verhältnissen. Es ist dieses Anti-PC-Milieu, das sich in absolutistischen, rot-grün versifften Verhältnissen glaubt, beherrscht vom Meinungsdiktat eines politisch korrekten Journalistenkartells.

Gauweiler kritisiert eben diese auf Rache und Selbstjustiz fußende Kohlhaasmentalität in der neuen Rechten, die im heutigen Rechtsstaat so absonderlich unpässlich ist, wie Winterspiele in einem Wüstenstaat.

Saufen im sektenhaften Milieu


Doch zurück zum Interview: Die Junge Freiheit bohrt weiter:

Es geht etwa um die Umwandlung des deutschen Volkes, wie es unser Grundgesetz beschreibt, in eine multikulturelle und gegenderte Gesellschaft. Ist das etwa gut?

Gauweiler kontert differenziert und hat so ziemlich schlechte Karten. Der Populistenzug scheint endgültig abgefahren:

„Jeder von uns hat eine linke und eine rechte Seite, im Kopf und im Herzen. Rechts: Differenz, Ordnung, Distanz. Links: Harmonisierung und Einebnung von Unterschieden. Wir brauchen beides, wie rechte Hand und linke Hand. Ich habe selbst lange gebraucht, bis ich das begriffen und akzeptiert habe. Wenn man aber glaubt, die Welt soll nur rechts oder nur links sein, dann wird man sektenhaft oder peinlich, oder beides.“

Sektenhaft. Peinlich. Oder beides. Besser hätte Gauweiler das Milieu, in das er da einzudringen versucht, nicht umschreiben können. Ein Milieu, an dessen Spitze das Prinzip Pirinçci gerade um sich greift: Man konstruiere sich eine Wirklichkeit, um sie dann in Grund und  Boden zu brüllen. Kommentarspaltenwirklichkeit. Das fäkalkonservative Pamphlet Pirinçcis ist dabei die perfekte Projektionsfläche für all die verschüttet geglaubten nationalistischen Sehnsüchte. Und der migrationshintergründige Pirinçci der perfekte Kronzeuge. Stück für Stück wird hier an einer Art zweiten Dolchstoßlegende gearbeitet: Im Felde unbesiegt, aber von links bedroht und unterhöhlt. Diese Rechte ist wahrlich von Sinnen.

Gauweiler ist zu klug, um da mitzuspielen:Ein bisschen Saufen will er mit ihnen aber dennoch. Und so versucht er es halt in diesem Interview – und scheitert. Dieser Versuch liest sich deshalb so ungewöhnlich außergewöhnlich, weil in den Antworten des CSU-Mannes der Wille zum Scheitern so frühzeitig aufblitzt. Chapeau Gauweiler.

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