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Bayern-Wahl - Merkels Angst vor Schwarz-Gelb

Am Sonntag könnten in Bayern die Weichen gestellt werden für die Abwahl der christlich-liberalen Koalition im Bund – durch einen Sieg von Schwarz-Gelb bei den Landtagswahlen. Das ist die Angst von Angela Merkel

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, die Bayern-Wahl sei langweilig, weil ohnehin entschieden. Es sieht sehr danach aus, dass die CSU wohl Regierungspartei und Horst Seehofer Ministerpräsident bleiben wird. Dennoch kann der kommende Sonntag einigen Einfluss haben auf den Wahlausgang eine Woche später – auf die Bundestagswahl. Noch kann der Streit um die Maut dabei zur großen Hilfe für die Bundeskanzlerin werden. Wenn Seehofer allerdings am Sonntag anders abschneidet als erwartet, könnte Merkels negative Maut-Antwort das Ende von Schwarz-Gelb ausgelöst haben.

CSU-Wähler könnten sich nach der Landtagswahl zurücklehnen

Die CSU steht laut ZDF-Politbarometer derzeit bei 48 Prozent. Das wäre ein traditionell schwaches Ergebnis, zumal verglichen mit Stoibers einstiger Zweidrittel-Mehrheit. Es reichte jedoch wegen der Schwäche der Konkurrenz zur absoluten Mehrheit. Horst Seehofer wäre zufrieden. Und er hätte mit der Maut für Ausländer weiterhin ein Thema, mit dem er auch für die Folgewoche motivieren könnte.

Denn das ist die große Sorge der Union, und zwar von CDU wie CSU: dass die CSU-Wähler glaubten, sie hätten am 15. September ihre Pflicht getan. Sie hätten die absolute Mehrheit der CSU in Bayern wieder hergestellt und könnten sich nun entspannen; denken, die Merkel bleibe ja eh Kanzlerin, was braucht´s da die Stimmen aus Bayern.

Tatsächlich aber ist das Abschneiden der Union im Bund in ganz beträchtlichem Umfang von Bayern abhängig. Mehr denn je, seit das einst schwarze Baden-Württemberg grün-rot ist.

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Beteiligten sich die CSU-Wähler also geringer als sonst an der Bundestagswahl, könnte die Union schwerlich auf die derzeit prognostizierten 40 Prozent kommen. Die CSU muss eine schwache Wahlbeteiligung eigentlich für sich selbst stets fürchten, weil davon ihre eigene Stärke im Bundestag abhängt, konkret die der berühmten CSU-Landesgruppe. Je größer die ist, desto mehr Bundesminister und Staatssekretäre kann die CSU stellen. Und jeder mehr in Amt und Würden ist ein Unzufriedener weniger am Hals des CSU-Vorsitzenden.

Eigentlich also müsste Seehofer alles tun, damit seine Wähler sich am 22. September abermals zum Wahllokal aufmachen. Eben dazu braucht er sein Maut-Versprechen, das er derzeit fast täglich erneuert. Damit nämlich will er die Merkel-Skeptiker bei Laune halten. Das ist sein Profilschärfer: Je stärker die CSU in Berlin, desto eher kommt die Maut für Ausländer. Egal was für Argumente dagegen angeführt werden... Ergo: Bei der absoluten Mehrheit für die CSU in Bayern hülfe der vermeintliche Maut-Streit mit Angela Merkel niemandem mehr als Kanzlerin. Jedenfalls bis zum Wahltag.

Politisch hoch gefährlich jedoch könnte es für die Kanzlerin werden, wenn Seehofer die ersehnte absolute Mehrheit nicht schaffte. Das würde er ihr nie verzeihen. Mancher traut ihm zu, dass sich der nervöse CSU-Vorsitzende dann gedemütigt fühlte – aber nicht von den Bayern, sondern von Merkel. Weil sie ihn in die unglaubwürdige Maut-Position getrieben habe durch ihre felsenfeste Absage.

Seine Rache wäre, den Wahlkampf nach dem 15. September weitgehend einzustellen. Dann würde Seehofer auf die Stärke der Landesgruppe pfeifen, er hielt von diesem Verein ohnehin nicht all zu viel. Diejenige, die er aus der Landesgruppe am meisten schätzt, nämlich Ilse Aigner, wäre dann sowieso schon bei ihm in Bayern. Seehofer könnte noch ein, zwei Jahre mit der FDP in München regieren und dann in Ruhe seine Übergabe an Aigner vorbereiten. Der Bund wäre ihm Wurscht.

Heißt: Eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb in Bayern würde die Abwahl von Schwarz-Gelb im Bund wahrscheinlicher machen.

Das Menetekel der Niedersachen-Wahl

Demnach schiene es für die CDU besonders wünschenswert zu sein, dass die FDP nicht wieder in den Bayerischen Landtag gewählt wird. Denn bliebe sie draußen, wäre eine absolute Mehrheit für die CSU leichter zu bekommen. So sieht es in den derzeitigen Umfragen aus, nach denen die in Bayern mitregierende FDP nur bei gut 4 Prozent liegt.

Aber die Sache ist viel komplizierter. Merkels Leute fürchten den Rauswurf der FDP aus dem bayerischen Landtag, weil auch das wiederum den Erfolg der Kanzlerinnenpartei im Bund schmälern könnte. Als warnendes Beispiel gilt Niedersachsen. Dort drohte der FDP vor der letzten Landtagswahl ein ähnliches Schicksal. Noch regierte sie an der Seite der CDU. In den Umfragen jedoch lag sie unter 5 Prozent. Um nun Schwarz-Gelb und besonders den beliebten Ministerpräsidenten David McAllister zu retten, so analysierte es die CDU hinterher, wählten am Ende viele an sich CDU-Treue die Liberalen. Zu viele, wie die CDU fand. Denn auf ihrem Konto entstand ein dickes Minus. Die FDP hatte Gewinne, die CDU Verluste, Schwarz-Gelb war abgewählt.

Flöge die FDP aus dem Landtag, könnte die künftige Bundestagsopposition wachsen

Wäre nun die FDP in Bayern nicht im Landtag, fühlten sich womöglich sehr viele CDU-Anhänger alarmiert und gäben ihre Zweitstimme für die FDP. Dem schwarz-gelben Lager insgesamt ginge dadurch zwar nichts verloren. Aber darum geht es nach der Lehre aus Niedersachsen nicht mehr.

Denn wenn Schwarz-Gelb die Mehrheit fehlen würde, wäre jede sogenannte Leihstimme an die FDP ein Geschenk für die künftige Opposition. Merkel würde dann ja trotzdem Kanzlerin bleiben wollen, wahrscheinlich in einer großen Koalition. Vom Ergebnis für ihre Partei hinge die Stärke ihrer Position bei Verhandlungen mit der SPD ab. Das bedeutet also für die Bayern-Wahl: Flöge die FDP dort aus dem Landtag, käme sie umso stärker in den Bundestag.

Deshalb wünscht die CDU-Führung aus ganzem Herzen ihren beiden Bundes-Koalitionspartnern für die Bayernwahl das aus ihrer Berliner Sicht Allerbeste: für die FDP den Wiedereinzug in den Landtag und für die CSU die absolute Mehrheit.

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