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Annäherung an Islamgegner - Wie die AfD Pegida-Anhänger ködert

Die Pegida-Anhänger in Dresden machen weiter, zuletzt sogar mit leichtem Zulauf. Offiziell will AfD-Parteichef Bernd Lucke zwar nichts mit den Islamgegnern zu tun haben. Tatsächlich haben Mitglieder der Alternative für Deutschland von Beginn an mit Pegida sympathisiert und diese teils unterstützt

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Geiges, Lars

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Tatjana Festerlings Gegner sind rasch benannt: Gesinnungsdiktatoren, Gutmenschen, linksgrüne Ideologen. Auf dem Dresdner Altmarkt war die frühere AfD-Politikerin so etwas wie die Star-Rednerin. Zum 18. Mal demonstrierte Pegida in der vergangenen Woche in der sächsischen Landeshauptstadt. Mit gut 6.000 Teilnehmern kamen wieder ein paar mehr Anhänger als in den Wochen zuvor.

[[{"fid":"65068","view_mode":"copyright","type":"media","attributes":{"height":230,"width":345,"style":"height: 147px; width: 220px; margin: 3px 5px; float: left;","class":"media-element file-copyright"}}]]Festerling schloss ihre Rede in gewohnt bildreicher Sprache ab. Sie zog über „Kondomabrollwettbewerbe“ in Kitas her, über ein „grünes Reich“, in dem Vollverschleierung herrsche und „selbstverständlich kein Fleisch serviert“ werde. Sie sprach von „gendergerechten Enthauptungen“ und „Quasselrunden“ der Politiker zu den Themen Asyl und Zuwanderung, die dem Volk dann als „Beruhigungspillen“ verabreicht würden. Es waren weitgehend bekannte Töne.

Festerling hatte den Hamburger Landesverband der Alternative für Deutschland mitbegründet. Dort war sie jedoch immer wieder mit ihren Wortmeldungen angeeckt. Im Oktober vergangenen Jahres fiel sie mit einem Blogbeitrag auf, in dem sie die HoGeSa-Demonstrationen in Köln lobte. Sie ziehe ihren „Hut vor den Hools“.

AfD unterstützte Pegida teils konkret


Das Lob schmeckte ihrer Partei nicht: Man drängte sie zum Austritt. In der Partei spielt Festerling nun keine Rolle mehr. Und dennoch zeigt sich in ihrem Engagement eine Verbindung von Pegida-HoGeSa-Protesten und organisierter Politik, wie sie nur bei einer Partei gefunden werden kann – der Alternative für Deutschland. Die AfD war dabei die Ausnahme: Sie war den Dresdner Protesten von Beginn an nahe, unterstützte sie teils konkret, teils abstrakt und hatte unter ihren Mitgliedern führende Köpfe der Pegida-Proteste sowie ihrer Ableger. Zu beobachten waren: Alternative Annäherungen, ein scheinbares Wechselspiel aus Nähe und Distanz.

Doch am Anfang stand Ablehnung. Im Herbst 2014, kurz nach den ersten „Abendspaziergängen“, teilte AfD-Sprecher Bernd Lucke mit, dass die Teilnahme von AfD-Mitgliedern „an derartigen Demonstrationen, deren Unterstützung oder Billigung“ ein „schwerer Verstoß gegen Ordnung und Grundsätze der AfD“ darstelle und zum Parteiausschluss führen könne. Auch in Dresden selbst warb die städtische AfD noch im November gemeinsam mit CDU, Linke, Grünen und SPD für mehr Solidarität mit Asylbewerbern und kritisierte Pegidas Losung „Wir sind das Volk“.

Mit zunehmender Teilnehmerzahl an den Demonstrationen aber wurde die offizielle Zustimmung der AfD lauter. Im Dezember begrüßte die AfD-Fraktion im Stadtrat der Landeshauptstadt „ausdrücklich“ die „gewaltfrei, friedlich und sachlich“ durchgeführten Demonstrationen und kritisierte, dass Pegida blockiert und verunglimpft werde. Dem schloss sich der Landesverband Sachsen an.

Liberaler und nationalkonservativer Flügel der AfD im Widerstreit


Doch waren die Positionen der AfD-Bundesspitzen zu diesem Zeitpunkt uneinheitlich: Während Partei-Vize Alexander Gauland seine Partei rasch zur Unterstützung Pegidas anhielt, seinerzeit als „Beobachter“ an einer Pegida-Demonstration teilnahm, empfahl Lucke stets Zurückhaltung. Hans-Olaf Henkel, wie Gauland stellvertretender AfD-Sprecher, zeigte sich skeptisch. Dem gegenüber suchte Frauke Petry als Vorsitzende der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag das Gespräch mit Pegida und erkannte „inhaltliche Schnittmengen“. Eine einhellige Linie wurde indes nicht verfolgt, personalisierte Positionen hielten an. Die Flügelbildung in liberal und nationalkonservativ hatte auch in der Beschäftigung mit dem Protestphänomen Pegida Bestand – unabhängig davon, ob sie einer tatsächlichen ideologischen Differenz entspringt oder doch eher von strategischem motiviert ist.

Aus der AfD speiste sich zudem konkrete personelle Unterstützung. Für Dresden bedeutend ist vor allem die Patriotische Plattform (PP). Die unabhängige „Organisation von Mitgliedern und Förderern der AfD“ wurde im März 2014 in Weimar gegründet und „setzt sich unter anderem dafür ein, dass Deutschland gegen alle Versuche des Herausbildens einer multikulturellen Gesellschaft seine Sprache und Kultur erhält.“ Sie versteht sich als Vertretung des konservativ-rechten Randes der AfD. Bereits Bernd Luckes strikter Kurs in Bezug auf HoGeSa stieß hier auf Missfallen.

Junge Alternative wollten mit „besorgten Hooligans“ demonstrieren


Anfang November 2014 wetterte Dubravko Mandic, Vorsitzender des Bundesschiedsgerichts der „Jungen Alternativen“, der Jugendorganisation der Partei, auf der Internetpräsenz der Patriotischen Plattform gegen Lucke: „Es kann nicht sein, dass Bundessprecher Lucke seine linken Gegner im Fernsehen mit Samthandschuhen anfasst, gegen eigene Mitglieder aber bei der kleinsten Gelegenheit die schärfsten Waffen des Parteienrechts in Stellung bringt! Herr Lucke lässt sich von den Tugendwächtern der politischen Korrektheit treiben. […] Die Zahl der Salafisten mit Fronterfahrung in diesem Land wächst stetig. Und unsere Führung regt sich darüber auf, wenn ein paar von uns versuchen, mit besorgten Hooligans zu demonstrieren.“

Das sächsische AfD-Vorstandsmitglied Hans-Thomas Tillschneider verfasste einen Beitrag auf der PP-Homepage unter der Überschrift „Pegida statt Hogesa!“ – einen Lobgesang auf die seinerzeit noch sehr junge Pegida. Diese sei der HoGeSa überlegen, denn sie erkenne die Gefahr nicht nur im Salafismus, sondern ebenfalls in den hinter dem Begriff Islamisierung stehenden Lobbyisten, die verstanden hätten, „daß sie weiter kommen, wenn sie sich am politischen Geschäft beteiligen, wenn sie in die Parteien gehen.“ Pegida fehle allerdings, so Tillschneider, noch „eine Partei, die den Protest in die Parlamente trägt.“ Eben dies forderte die Patriotische Plattform im Dezember von der AfD.

Landesvorstand Tillschneider, der an Pegida-Veranstaltungen teilnahm und die Organisatoren des Leipziger Ablegers Legida beriet, war dabei kein Einzelfall. Auch über ihren Mitbegründer Felix Koschkar stand die Patriotische Plattform in Kontakt zu Legida. Koschkar kandidierte 2014 für die Partei um einen Landtagssitz und gilt als wichtiger Vertreter der extremen Rechten sowie der islamfeindlichen Gruppierung der „Identitären“. Und schließlich trat mit Alexander Heumann noch ein weiteres PP-Mitglied als Pegida-Organisator auf. Nachdem Heumann zuvor die Nähe zu HoGeSa gesucht (und offenbar auch gefunden) hatte, organisierte er Veranstaltungen von Dügida, dem Düsseldorfer Pegida-Ableger. Auf seinem Blog dankt er dafür, „Teil dieses Prozesses zu sein und auch bei verschiedenen Demonstrationen als Mitanmelder und Redner mitzuwirken.“

Patriotische Plattform vor allem in Sachsen einflussreich


Das Verhältnis von AfD und Patriotischer Plattform erscheint indes problematisch. Die PP pflegt das Dissidententum. Man solidarisiert sich mit Abweichlern, die der Parteispitze unangenehm werden – so im Falle Tatjana Festerlings. Unklar ist auch, welchen Einfluss ihre Funktionäre innerhalb der Partei tatsächlich besitzen. Doch feststeht, dass es ihren Vertretern immerhin in Sachsen möglich ist, höhere Parteiämter zu bekleiden.

Abseits der Patriotischen Plattform gibt es noch weitere Hinweise auf die maßgebliche Beteiligung anderer AfD-Mitglieder an den Aktivitäten verschiedener Pegida-Ableger. Nicht immer wurde sie von der Partei und ihren Landesverbänden toleriert. So trat beispielsweise Hans-Peter Brill aus der AfD aus, nachdem seine Teilnahme an der Organisationsveranstaltung einer geplanten Fragida-Demonstration auf massive innerparteiliche Kritik gestoßen war. Die hessische AfD störte sich daran, dass Brill die Frankfurter Demonstration offenbar gemeinsam mit einem NPD-Funktionär organisieren wollte.

AfD-Engagement zahlt sich laut Umfragen aus


In Kassel meldete und organisierte das AfD-Mitglied Michael Viehmann Kagida-Demonstrationen – zunächst ohne Anstoß zu erregen. Der Sprecher des AfD-Kreisverbandes Kassel-Stadt Manfred Mattis trat als Redner auf. Viehmann, gegen den wegen des Verdachtes der Volksverhetzung seit November ein Verfahren läuft, trat erst Mitte Februar aus der Partei aus, nachdem ihn der hessische Landesvorstand Konrad Adam telefonisch dazu aufforderte. In Hannover (Hagida) sowie in Braunschweig (Bragida) wirkten ebenfalls (zeitweilig) AfD-Mitglieder als führende Köpfe. In Magdeburg (Magida) trat AfD-Mitglied Michael Ahlborn als Hauptredner auf und Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef André Poggenburg sympathisierte öffentlich mit der lokalen Gruppierung. Und in Bayern war der Münchener AfD-Stadtrat Fritz Schmude bei Muegida vertreten.

Ob sich die alternativen Annäherungen auch an der Wahlurne auszahlen, bleibt indes abzuwarten. Bei den Pegida-Anhängern jedenfalls – unsere Studie hat auch das gezeigt – ist das der Fall. Jeder zweite gab an, beim nächsten Mal die AfD zu wählen.

Dr. Lars Geiges arbeitet am Göttinger Institut für Demokratieforschung und befasst sich mit dem Thema politische Proteste. Soeben erschienen: Lars Geiges, Stine Marg, Franz Walter: Pegida – Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft? transcript, März 2015, 208 Seiten, 19,99 Euro.

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