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AFD - Totschweigen, attackieren oder rechts überholen?

Kolumne „Leicht gesagt“: Was bedeutet überhaupt konservativ? In der Union gibt es auf diese Frage Hunderte Antworten, die keine sind. Nun macht sich die AfD daran, diesen Begriff neu zu definieren. CDU und CSU haben jetzt drei Möglichkeiten, damit umzugehen

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich so leicht, CDU und CSU müssten die AfD im Blick haben. Zumal die wohl nun nicht nur in Sachsen für Jahre dabei sein wird, sondern abermals am Sonntag bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen abräumen könnte. Und zwar im Lager der CDU. Mit der AfD scheint nun wahr zu werden, wovor Franz Josef Strauß einst warnte: „Es darf rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Gruppierung von politischer Relevanz geben.“

Diese Warnung ist 28 Jahre alt – und Folge einer Landtagswahl, bei der ebenfalls rechts der Union eine Partei Stimmen holte. Bei der Landtagswahl in Bayern hatten 1986 die Republikaner aus dem Stand drei Prozent bekommen. Eigentlich war das lächerlich wenig, verglichen mit der heute dreimal so starken AfD. Doch damals löste schon das Alarm aus.

Die CDU spricht ungern über eine Gefahr von rechts


Gleich am Montag nach der Wahl drückte Strauß mit seinem Satz für die ganze Union den Sirenenknopf. Er verlangte, dass seine CSU sich für die Bundestagswahl 1987 absetze mit einem eigenständigen Wahlprogramm. Die Christsozialen übernahmen den Part der Konservativen. Scharfe Töne gegen „Ausländerschwemme“, „Entspannungsillusionisten“ und „terroristenfreundliche Sicherheitspolitik“ waren nun ihre Gassenhauer. So funktionierte die Strategie der 55-Prozent-CSU damals in Bayern – und zwar über Jahrzehnte.

Die 40-Prozent-CDU in Sachsen beschränkt sich hingegen auf das Siegfeiern. Dabei war es das schlechteste Wahlergebnis der sächsischen Union jemals. Doch über eine Gefahr von rechts soll nicht groß gesprochen werden, weder in Dresden noch Berlin. Die Union schließt Koalitionen mit der AfD aus. So bleiben ihr drei Möglichkeiten, wie sie mit der AfD umgehen kann.

Konservativ, links oder doch lieber totschweigen?


Variante 1: Totschweigen. Volker Kauder hält das für das Beste. Der CDU/CSU-Fraktionschef verweist auf seine gute Erfahrung damit, Erfahrung übrigens aus dem Umgang mit jener Neuen Rechten, die bereits Strauß störte. Drei Legislaturperioden hätten die Republikaner im baden-württembergischen Landtag gesessen und nur, weil sich die CDU mit denen nicht abgab, seien sie dann irgendwann doch wieder rausgeflogen, meint Kauder, der damals Landesgeneralsekretär in Stuttgart war.

Variante 2: von links angreifen. Armin Laschet fordert das. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende sagt, man müsse die AfD stellen und deutlich machen, dass ihre Politik nichts als dümmlicher Retrolook sei, der dem modernen Deutschland nicht stehe, am Ende sogar schade.

Variante 3: selbst auf konservativ machen; zumindest den rechten Flügel. Einst übernahm diesen Part die Strauß/Stoiber-CSU. Konservative CDU-Wähler konnten getrost davon ausgehen, dass die bayerische Schwester sich in der Fraktionsgemeinschaft für ihre Belange einsetzen würde. Diese Aufteilung scheint passé. Seehofers CSU ist – trotz der AfD-Konkurrenz – völlig absorbiert vom Thema Maut.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kündigte zwar im ZDF-Interview an, sich auch um „harte konservative Themen“ kümmern zu wollen, doch auch ihn hält die Maut noch davon ab. Es lässt sich daher nur noch schwer ausmachen, in welchen Punkten die CSU eigentlich konservativer ist als die CDU.

Die Fragen des Konservativismus


Das Problem der Union ist, dass niemand mehr so richtig eine Antwort weiß auf die simple Frage: Was bedeutet heutzutage überhaupt konservativ? Angela Merkel und Horst Seehofer geben darauf schon seit Jahren keine Antwort. Wer sie fragt, erfährt Allgemeines über die liberalen, sozialen und konservativen Wurzeln ihrer Parteien. Die Konservativen in der Union, die sich noch so nennen, kommen selten auf einen gemeinsamen Nenner.

Wo ist Konservatismus bloßes Asche bewahren – und wo bedeutet er, das Feuer weitergeben? Angstlosigkeit gilt manchen als konservativ, sie fordern mehr Mut bei Forschung und Entwicklung. Die Energiewende halten sie für eine linke Rolle rückwärts, die Sorge vor Atomkraft oder Genmais für Hysterie. Andere Konservative sehen dagegen durch technischen Fortschritt die Schöpfung bedroht.

Mit der deutschen Frage verschwand der gemeinsame Nenner der Konservativen


Und ist es konservativ, den Kreml Nato-Waffenklirrend zu warnen: Bis hierhin und nicht weiter? Entspricht es konservativem Denken, Kurden mit Gewehren zu helfen, um Christen zu schützen? Wie umgehen mit Flüchtlingen? Ist Kirchenasyl und christliche Nächstenliebe konservativ oder die Warnung vor Überfremdung des Vaterlands?

Seit über 200 Jahren, seit es ideengeschichtlich Konservatismus gibt, musste das konservative Weltbild immer wieder neu gezeichnet werden. Doch ein dicker Strich war zumindest seit Beginn der Bundesrepublik unübersehbar –  den fanden alle, Linke wie Rechte in der Union richtig gezogen: So lange das Brandenburger Tor zu war, galt die deutsche Frage als offen. Mit dem Glück der deutschen Einheit war der Union das identitätsstiftende Konservative genommen, der gemeinsame Nenner.

Die europäische Einigkeit hätte als patriotische Politik verkauft werden müssen


Sie hat sich seitdem zu wenig darum bemüht, etwa die europäische Einigkeit als ein konservatives, wenn man will sogar vaterländisches Projekt zu begründen, im Sinne von: „Damit geht es Deutschland besser, die Hilfe für Griechenland und somit die Euro-Rettung bewahren den deutschen Wohlstand. Das ist patriotische Politik.“ Das wäre der Anspruch gewesen, Feuer weiterzutragen. Das würde den Vorwurf an Euro-Kritiker erleichtern, sie stocherten bloß in kalter Asche der D-Mark-Zeit.

Helmut Kohl hat diesen Versuch unternommen. Allerdings war er selbst kein Konservativer. Auch alle Parteichefs der CDU vor ihm waren Männer der Mitte. Insofern steht Angela Merkel hier in guter Tradition. Wenn nun aber die CSU nicht mehr wie in der Ära Strauß und Stoiber den rechten Scharfmacher gibt, dann muss die Union den Begriff konservativ zügig neu definieren und für sich beanspruchen. Sonst machen das andere ganz ungeniert und werden damit noch größer - eben rechts der Union.

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