- „Westerwelle war die FDP“
Westerwelle geht. Sein Amt als Parteivorsitzender der Liberalen wird offenbar Philipp Rösler übernehmen. Mit Cicero Online spricht der Politologe Hans Vorländer über die Zukunft der Partei und die künftige Rolle von Guido Westerwelle.
Parteichef Guido Westerwelle wird auf dem Parteitag Mitte Mai in Rostock nicht erneut für das Amt des Vorsitzenden antreten. Ist das eine gute Entscheidung?
Nachdem Westerwelle derart in die Kritik geraten ist, war die Entscheidung schlichtweg unvermeidbar. Guido Westerwelle steht für die FDP und damit genauso für ihren Aufstieg und ihre Erfolge 2009 wie für ihr jetziges Scheitern.
Verliert die FDP also ihre Gallionsfigur?
Ja, denn Westerwelle ist die FDP. Zumindest war das bislang so. Seit seiner Zeit als Vorsitzender 2001 hat er die Partei und ihr Image im Wesentlichen geprägt. Damit sind er und die FDP bis zum Regierungsantritt 2009 erfolgreich gefahren. Als Regierungspartei hat die FDP unter Westerwelle keine gute Figur gemacht, weil sie ihr neues Rollenverständnis nicht finden konnte.
In seiner Laufbahn hat Westerwelle den jungen Nachwuchs gefördert, aber die Parteiführung weitgehend alleine besetzt. Dadurch wuchs ein Machtvakuum an der Spitze. War seine Führungsstrategie nicht kurzsichtig?
Natürlich hat er eine monopersonale Politik betrieben, genauso wie seine Politik monothematisch war. Das ist ihm und seiner Partei zum Verhängnis geworden. Auf der anderen Seite, muss man ihm zugute halten: Daniel Bahr und Christian Lindner hat er gefördert. Natürlich war er dabei immer vorsichtig und hat versucht, seine eigene Machtposition nicht zu gefährden. Westerwelle war sich bewusst, dass er auch die eigenen Kritiker und Herausforderer mit heranzieht. Herrn Rösler hat er beispielsweise in ein Amt gebracht, in dem man nur schlecht aussehen kann. Anfangs war Rösler sicherlich sein stärkster Konkurrent. Er hat versucht, ihn im Gesundheitsministerium stillzustellen. Letztlich hat Westerwelle aber - bildlich gesprochen - die Schlangen, die ihn jetzt zu Fall gebracht haben, an seiner eigenen Brust genährt.
Nun hat sich die Parteispitze offenbar auf Gesundheitsminister Philipp Rösler geeinigt. Wie bewerten Sie seine Nachfolge?
Er ist die einzige Figur, die die Partei zu integrieren vermag. Er ist eine verbindliche Persönlichkeit, die auch gewinnend wirkt. Insofern war Röslers Nachfolge abzusehen.
Und Christian Lindner, hat er sich mit seiner Forderung nach dem Sofortausstieg aus der Atomenergie diskreditiert?
Ja, das war ein klassisches Eigentor. In diesem Punkt war er zu schnell in seinen Wendungen und hat damit den Wirtschaftsflügel in der Partei vor den Kopf gestoßen.
Wäre auch jemand aus der älteren Generation als Nachfolger Westerwelles denkbar gewesen?
Wenn es zu einer Pattsituation gekommen wäre, dann wäre Frau Leuthhäuser-Schnarrenberger eine mögliche Übergangskandidatin für den Parteivorsitz gewesen. Da sie aber für den Bürgerrechtsflügel in der Partei steht, war das unwahrscheinlich. Die FDP wird versuchen, sich über Rösler und mit ihm über wirtschaftspolitische Themen zu profilieren.
Bleibt der Kurs einer künftig umstrukturierten FDP also weiterhin neoliberal?
Das sollte man nicht mit einem politischen Richtungsbegriff beschreiben. Die FDP wird ihr liberales Profil vermutlich vor allem ausweiten und umfassender präsentieren. Sie wird sich anders als in der Vergangenheit nicht mehr auf den Wirtschaftssektor und die Finanz- und Steuerpolitik beschränken. Wichtiger werden vermutlich wieder bürgerrechtsliberale Standpunkte, vielleicht aber auch die Außenpolitik. Hier müsste Westerwelle allerdings, wenn er denn Außenminister bleibt, einen klaren und liberalen außenpolitischen Kurs fahren.
Sein Amt als Vizekanzler wird Westerwelle aufgeben. Glauben Sie, er bleibt Außenminister?
Das wird vermutlich Teil der Abmachung sein. Er wird sicherlich im Amt verbleiben, obwohl er als Außenminister bislang keine glückliche Figur gemacht hat. Für die Partei nützlicher wäre es sicherlich, wenn er auch dieses Amt aufgeben würde. Ich glaube, das wird man ihm aber nicht zumuten wollen.
Könnte das der Partei weiter schaden?
Nutzen wird es ihr nicht, es sei denn, er gewinnt noch einmal Profil hinzu und schafft es, aus seinem schlechten persönlichen Image herauszutreten. Die Imagepflege in der Partei wird künftig aber Rösler übernehmen. Westerwelle wird wohl eine Partnerrolle akzeptieren müssen, in der er sich in Röslers Schatten bewegt. Ob ihm das gelingt, wird man sehen.
Guido Westerwelle ist nicht unbedingt für seine Zurückhaltung bekannt …
… Westerwelle ist ein Alphatier. Natürlich hätte er diese Rolle am liebsten behalten. Künftig wird von ihm ein wenig Demut und Zurückhaltung verlangt.
Hätte ein frühzeitiger Rückzug nicht enormen Schaden von der Partei abwenden können?
Er hätte zumindest zu einem anderen Verständnis als Außenminister finden müssen. Die Rolle des Außenministers passt ohnehin nicht gut zu ihm. Westerwelle war in der Innenpolitik, der Finanz- und Wirtschaftspolitik stark, aber nicht in der Außenpolitik. Insofern hatte er das falsche Amt. Dort konnte er aufgrund seiner persönlichen Konstitution nur schlecht aussehen. Man hätte ihn sich gut als Fraktionsvorsitzenden einer starken FDP oder als Finanzpolitiker vorstellen können. Diese Rollen wäre seiner Person angemessener gewesen.
Könnte die Identitätskrise in der FDP zu einer fruchtbaren, politischen Wiedergeburt führen?
Dafür muss sie in der Regierung zeigen, wofür sie wirklich steht. Dazu muss sie sich auch von der CDU abgrenzen. Sie muss ein programmatisch gutes, neues Profil entwickeln. Ihre künftige Entwicklung hängt aber auch von den anderen Parteien ab und wie diese agieren. Als kleine Partei lebt die FDP von den Fehlern der anderen und von Lücken, die sie ihr lassen.
Sehen sie ein besonderes Potential beim Nachwuchs? Anders gefragt: Kann einer der nachrückenden Führungskräfte den Liberalen zu einem neuen solideren Profil verhelfen?
Die Partei thematisch und programmatisch unterfüttern können vor allem Christian Lindner und Philipp Rösler. Das hat Rösler bereits in Niedersachsen bewiesen, bevor er dort Wirtschaftsminister wurde. Insofern stehen die beiden auch für eine inhaltliche Frische. Diese Frische müssen sie in den Ämtern, die Sie übernehmen, besonders Rösler als Parteivorsitzender, jetzt auch nach außen hin zeigen.
Professor Vorländer, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Peter Knobloch
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