- Datenspenden für die Gesundheit – und ein großes Geschäft
Ab 2025, so ist es nun beschlossen, soll jeder Patient in Deutschland über eine elektronische Patientenakte verfügen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nennt es einen „Quantensprung“ im Gesundheitssystem. Kritiker sehen das anders.
Der Rohstoff der Zukunft sind Daten. Daten über Ihr Einkaufsverhalten. Daten über Ihre Sozialkontakte. Daten über Bonität. Über politische Ansichten. Ästhetische Präferenzen. Psychologische Schwachstellen. Und vor allem: Daten über Ihre Gesundheit. Die nämlich ist unmittelbar verbunden mit Ihrem Körper. Und somit bildet der Kurzschluss von Gesundheit und Daten die entscheidende Energie, die es heute gewiss braucht, um die lukrativsten Märkte von Gegenwart und Zukunft zu bewirtschaften: Nanotechnologie, Bioinformatik oder Bioelektronik.
Auch im politischen Raum sind Gesundheitsdaten – nicht zuletzt die zurückliegende Pandemie hat es auf erschreckende Weise zu Tage gefördert – von immenser Wichtigkeit. Wie viel unnütze Maßnahmen könnten in künftigen Krisensituationen vermieden werden, wenn man bei vergleichbaren Szenarien der Vergangenheit sinnvolle Datenpools geschaffen hätte? An nichts hat es schließlich den Behörden und Ministerien für eine effektive politische Steuerung der Corona-Pandemie so sehr gemangelt wie an zuverlässigen Daten.
Im Land des Impf-Weltmeisters
Sensibilisiert für das Problem, scheint nun also das geeignete Zeitfenster zur Einführung der sogenannten elektronischen Patientenakte offen zu sein. Müde vom zurückliegenden Blindflug durch die Pandemie, sind viele Bürger mittlerweile bereit dazu, neben Blut- oder gar Organspenden künftig auch kleine Datenspenden abzugeben. Und das selbst dann, wenn berechtigte Datenschutzbedenken dagegenstehen sollten.
Denn was würde man mittlerweile nicht alles (auf-)geben wollen, wenn damit nur endlich sichergestellt wäre, dass es nie wieder zu sinnlosen Schulschließungen oder zu zweifelhaften Lockdown-Maßnahmen kommt? Und hatte nicht sogar Christian Lindner, eigentlich Bundesvorsitzender einer bürgerrechtsbewegten Partei, bereits im ersten Jahr der Pandemie im Deutschen Bundestag gelästert, dass man eine Pandemie des 21. Jahrhunderts nicht mit Instrumenten aus dem Mittelalter bekämpfen werde?
Staaten wie Israel haben es schließlich vorgemacht: Im Land des einstigen Impf-Weltmeisters schien man zu jedem Zeitpunkt der Pandemie über eine optimale Datengrundlage zu verfügen, um bereits zur rechten Zeit über Sinn und Unsinn politischer Maßnahmen entscheiden zu können. Die Basis hierfür war unter anderem ein bereits in den 1990er Jahren begonnenes Digitalisierungsprojekt im Gesundheitswesen, das es heute nahezu jedem Israeli ermöglicht, eine zumindest aus technischer Sicht funktionsfähige elektronische Patientenakte (ePA) zu nutzen. Die Tatsache, dass Israel zunächst zum gelobten Land der Impfkampagne werden konnte, hatte gewiss auch mit diesen optimalen Monitoring-Bedingungen zu tun.
Gesundheitsdaten für die Forschung
Wohlan also, die Zeit ist günstig! Das hat sich gewiss auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gedacht, als er ab Sommer dieses Jahres mit vereinten Kräften für das sogenannte Digitalgesetz die Trommel zu schlagen begann. Am 30. August wurde der Entwurf durchs Kabinett gebracht, am Donnerstag hat er in 2. und 3. Lesung den Bundestag passiert.
Ab 2025, so ist es nun beschlossen, soll jeder Patient in Deutschland über eine elektronische Patientenakte verfügen – vorausgesetzt, er widerspricht nicht aktiv bei seiner Krankenkasse. Und auch die sogenannten rosa Zettel sollen dann künftig der Vergangenheit angehören: Rezepte nämlich sollen in den Apotheken bereits ab dem kommenden Jahr vor allem digital eingereicht werden.
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Ein Raunen dürfte da viele in Deutschland erfasst haben: Endlich wird wahr, was in Ländern wie Schweden seit langem gang und gäbe ist: Sämtliche Informationen, die die eigene Gesundheit betreffen könnten, werden als einheitlicher Datensatz abgelegt und gespeichert. Egal ob Laborbefunde, Vorerkrankungen, Röntgenbilder oder die Telefonnummern von Angehörigen. Selbst Diagnosen – auch natürlich die fragwürdigen und umstrittenen – sind fortan für all jene im Gesundheitssystem abrufbar, die sich unter Einhaltung strenger Identifikationsregeln über Apps der Kassen Zugang verschaffen können.
Hinzu kommt, und das dürfte für Wissenschaft wie Gesundheitsindustrie noch weit interessanter sein, das sogenannte Gesundheitsdatennutzungsgesetz, mit dem Gesundheitsdaten künftig für die Forschung erschlossen werden können. Mit einer noch zu schaffenden Infrastruktur sollen dann Gesundheitsdaten für gemeinwohlorientierte Zwecke ausgewertet werden können.
Angriffe auf Patientendaten
Solidarität also auch in Sachen Datenspende. Für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sind die nun durchs Parlament gegangenen Gesetze denn auch der „Quantensprung“ im Gesundheitssystem. Kritiker sehen das durchaus anders. Datenschützer und Sicherheitsforscher fordern seit längerer Zeit bereits Korrekturen und weisen auf mögliche Sicherheitslücken hin. Vom Chaos Computer Club etwa heißt es: „Doch wer hochsensible Gesundheitsdaten massenhaft speichert, muss einerseits die Privatsphäre der Betroffenen wahren und andererseits zwingend IT-Sicherheit sicherstellen.“
Ob das wirklich möglich ist? 2020 bereits hat ein medienwirksam durchgeführter Hack auf die Gesundheitsdaten von 40.000 psychisch kranken Patienten in Finnland gezeigt, dass man das Intimste, was man über einen Menschen zu wissen imstande ist, niemals endgültig und für immer wird schützen können. Weitere Angriffe auf Patientendaten in deutschen Kliniken haben diese Befürchtung seither bestätigt.
Eine Vielzahl bürokratischer Aufgaben
Auch kritische Mediziner haben daher Zweifel. Für sie spielt aber noch ein anderer Aspekt eine Rolle: „Die praktische Umsetzbarkeit des ePA-Projekts im faktischen Medizinbetrieb ist im Rahmen des Gesetzes in keinerlei Weise von der Zeit her und im Hinblick auf die Auswirkungen der ärztlichen Versorgung gewürdigt und geprüft worden“, heißt es etwa von Seiten des Essener Berufsverbandes Freie Ärzteschaft. Und bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KBV) klagt man schon jetzt lautstark über ein „Übermaß an Bürokratie und schlecht gemachter Digitalisierung“.
So förderte eine jüngst publizierte Umfrage unter 32.000 KBV-Mitgliedern Erschreckendes zutage: Über 90 Prozent der Befragten beklagten eine Vielzahl bürokratischer Aufgaben. Und folgt man der Freien Ärzteschaft, dann wird auch die ePA nichts an dieser Situation ändern: „Selbst wenn tatsächlich irgendwann alle Patienten eine solche elektronische Patientenakte hätten, gibt es keine Zeitersparnisse auf Seiten der Ärzteschaft, die den hiermit verbundenen Verwaltungsaufwand und die weiter damit verbundenen Kosten rechtfertigen würden“, heißt es vonseiten des Berufsverbandes.
Ein lohnendes Geschäftsmodell
Doch was stören handfeste Zweifel, solange sich das Wort „Digitalisierung“ so wunderbar auf Zukunft reimt? Im Bereich Medizintechnik und Biotechnologie kann die Digitalisierung von Patientendaten daher gar nicht schnell genug vonstattengehen: Einer Lobby-Publikation mit dem Titel „Standortfaktor Gesundheitsdaten“, für die jüngst Vertreter von über 100 Unternehmen in Bereich Pharma, Medizin- und Biotechnologie befragt wurden, zeigte, dass der Wert digitaler Gesundheitsdaten für Wirtschaft und Forschung immens zu sein scheint: Der Zugang zu Gesundheitsdaten, heißt es da, sei ein kritischer Standortfaktor mit hohem Handlungsbedarf.
Basis für eine erfolgreiche Gesundheitswirtschaft und insgesamt verbesserte Versorgung müsse daher eine stärker digital hinterlegte Patientenversorgung auf Basis strukturierter und interoperabler Daten sein. Neben – und in weiten Teilen gewiss auch statt – Gesundheit geht es um ein lohnendes Geschäftsmodell. Und seit dem heutigen Donnerstag steht also fest: Regierung wie Parlament haben den Markt immens verbreitert.
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zum einem die Anmeldung dazu. Schon jetzt muss ich mich bei der IKKclassic ganz bürokratisch mit App und Ausweis und Gesichtskennung und ........und....
also ich meine schon das ist mir zuviel, nur um eine Rechnung z.B.hochzuladen.
Aber es geht ja auch noch schlimmer, eben nur noch über diesen Wege, menschliches wie Telefon gibt es nicht mehr.
Mit einem Achtungszeichen sehe ich allerdings die Gesundheitsdaten von uns allen irgendwo auf Rechnern oder einer Cloud, die mit Sicherheit auch gehackt werden könnten. Das macht mir persönlich mehr Angst wie irgenein neues System.
Ist das wirklich dann der Quantensprung?
Ebenso sinnvoll wie einfach ist ein Notfallpass in der Papieren der Bürger mit Blutgruppe, Allergien, Dauererkrankungen und einer Aufstellung der gesamten laufenden Medikation (durch den Hausarzt).
Anstatt des bürokratischen Monsters einer elektronischen Patientenakte.
In den Praxen ist die ärztliche Schweigepflicht deutlich sicherer als in anonymen Datenzentren.
Wie der kompetente Chaos Computer Club warnt.
Und wer haftet für dann für den Bruch der Schweigepflicht?
Nicht nur in Finnland wurden massenhaft Gesundheitsdaten gehackt.
Auch in dann blockierten deutschen Kliniken.
Reichlich Interessenten: Versicherungen, Arbeitgeber und Krankenkassen werden anhand derer Risikoabwägungen treffen und daran Einstufungen und ggf. Prämien ausrichten.
Abgesehen davon bietet die Kenntnis der Gesundheitsdaten ein ungeheures individuelles Erpressungspotential.
Datensammlung und der Handel damit sind ein Milliarden-Geschäftsmodell, etwa für die Bertelsmann-Tochter ARVATO und BITCOM.
& warum, obwohl es das Gute bewirken soll?
Weil es vom ÜBEL selbst/direkt, unserer Regierung mit all ihrer Gier, Größenwahn & Selbstüberschätzung sowie deren nicht anders gearteten Lakaien Rahmenbedingungen geschaffen wurden, wo der eigene Vorteil durch ihre eigene Verdorbenheit, Gier & Größenwahn feinstofflich verbreitet wird
& wie beim Datenschutz, es profitiert nur die Macht denn der Mensch ist so gläsern geworden, dass nur noch der tagtägliche Stuhlgang fehlt
& die Geschäftsverbrecher, die an die Adresse oder andere Daten heran kommen wollen
ist es das kleines Hindernis & das rentabelste Geschäfts-Modell der modernen Welt
Hinzu dann die DIKTATURISCHE MACHTZUNAHME
==> wenn du NICHT ☝👍👎
Solange ich noch mal zum Arzt gehen muss, weil ich erst nach 29 Tagen (statt 28) mein Rezept einlösen wollte oder ich erst einmal wegen einer neuen Quartals-Überweisung meinen wirklich völlig überlasteten Hausarzt wieder auf den Sack gehen muss, solange habt ihr da oben ...😭
aber Krankenschein ☎
Es ist klar ein zweischneidiges Schwert. Individueller Datenschutz hat zu Recht eine hohen Stellenwert, aber gerade in der medizinischen Versorgung, die ganzheitlich zu betrachten ist, ist die Vernetzung von unterschiedlichen medizinischen Informationen sinnvoll, um die die Chancen eines Therapieerfolg zu erhöhen, bzw. keine konträren Maßnahmen zu ergreifen. Und mit Unterstützung von KI kann das durchaus sinnvoll sein. Damit einher geht natürlich auch die Gefahr des Datenmissbrauchs, vor allem wenn kommerzielle Interessen bestehen. Da wird man sorgfältig abwägen müssen, damit am Ende nicht nur die einen profitieren, aber der Nutzen für die anderen auf der Strecke bleibt. Man wird Experten aus verschiedenen Disziplinen heranziehen müssen, damit hier eine sinnvolle Herangehensweise abgestimmt werden kann. Ob das aktuell gelingen kann, bleibt abzuwarten.
Dieses Gesetz schafft das Arztgeheimnis/ Schweigepflicht genauso ab, wie die persönliche Identität, Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die behandelnden Ärzte müssen die Patientendaten in die Akte online hochladen gegen Strafandrohung bis zum Zulassungsentzug. Opt out ist ein Feigenblatt, wenn man an die Pandemiemassnahmen zurückdenkt. „ Zugang nur mit E Akte „ zu Kreditvergabe, Stellenangebot, ….. Von den psychischen Folgen des Verlustes persönlicher Identität zu Gunsten des Gemeinwohls ohne das bisher ein Nachweis zur Verbesserung der Behandlung erbracht wurde und die Möglichkeiten der Datenmanipultion ganz zu schweigen . Gesundheitsdaten sind ein intimer und daher bis dato geschützter Bereich für die Menschen. Digitale Technologien ja, aber freiwillig ohne Zwang. Informationen zum Thema:
freie aertzeschaft punkt de
Ich hätte ja kein Problem, wenn es wirklich nur zur Information der behandelnden Ärzteschaft wäre, für den Hausarzt als zentrale Stelle, zur Vermeidung von Fehlmedikation und zur Beschleunigung ärztlicher Mitteilungen Diagnosen/Arztbriefe usw. Aber ich sehe noch ganz andere Probleme. Krankenkassen könnten ihre private Mitgliedschaft abhängig machen, je nach Auslastung die Beiträge "anpassen". Versicherungen und Banken, wenn sie irgendwie Infos bekommen, machen Kredite, Darlehen und Versicherungsverträge vom Gesundheitszustand abhängig. Was ist mit den Arbeitgebern, die künftig ihre Personalpolitik an der Gesundheit des Mitarbeiters orientieren? Und hört mir nur auf mit der Aussage, das wäre denen künftig nicht erlaubt. Die finden Mittel und Wege an Informationen heranzukommen, das versuchen sie ja jetzt schon, teilweise ganz erfolgreich. Banken kennen längst das Konsumverhalten ihrer Bankkunden, anhand Abbuchungen, Karteneinsatz und überhaupt an den Kontobewegungen. Mir graut davor.
Wir Deutschen und der Datenschutz! Wenn ich als aufgrund meines Alters häufiger Wartezimmerinsasse sehe, wie meine Mitinsassen einen Anamnesebogen ausfüllen und dabei um die Namen ihrer Medikamente ringen, kann ich die Einführung nur begrüßen. Gehe ich zum Facharzt, so beginnt erst einmal die Diagnoseroutine Röntgen, CT, MRT usw., obwohl ein Teil dieser Dinge schon vom Hausarzt gemacht wurden. Ich habe deshalb alle Befunde, Bilder, Medikation, auf dem Handy gespeichert. Aber wer liest sie im Notfall aus, weiß wo sie zu finden sind? Die Karte findet jeder. Und wenn Sie auf dem Dorf wohnen, weiß ohnehin fast jeder, was ich alles habe! Apotheker und Ärztepersonal wissen es ohnehin, nur der Notarzt weiß es nicht.
Jeder Bürger sollte einen Notfallpass mit sich führen mit Blutgruppe, Allergien, Dauererkrankungen und einer Aufstellung der gesamten laufenden Medikation durch den Hausarzt (siehe obigen Beitrag). Das ist recht einfach zu bewerkstelligen, hilft bei jedem Arztbesuch ungemein und nützt auch dem Notarzt.
Der Patient, der komatös, bewusstlos oder im Blut liegt, ist kaum in der Lage, dem Notarzt seine zur Einsichtnahme notwendigen Zugangsdaten vorzulegen.
Dass Sie Ihre Befunde und Medikation auf dem Handy speichern, ist lobenswert.
Die Vorstellung, Ihr Hausarzt hätte vor einem Facharzttermin bereits „Röntgen, CT, MRT usw.“ erledigt, entspricht wohl nicht so recht der Realität.
Den Hausarzt würde ich gerne kennenlernen.
Die Personen, die von Berufs wegen ihren Gesundheitszustand kennen, unterliegen anders als ein angreifbarer Großcomputer einer strafbewehrten Schweigepflicht.
Gut, das Thema hier auch aus Patientensicht kommentiert zu sehen. Die meisten Patienten sind idR nicht so 'professionell' und gut organisiert wie Sie, und genau das Phänomen, welches Sie hier beschreiben, nämlich dass die meisten überfordert sind, und sich nicht die relevanten Informationen merken können, ist nicht nur zB aus Gründen der Arzneimittelmittelsicherheit schwierig, es treibt auch noch die Kosten im Gesundheitswesen hoch, weil viele Untersuchungen doppelt gemacht werden. Wie gesagt, die Einführung muss gut durchdacht werden.
Mir ist schon klar, dass die Daten nicht auf der Karte stehen, sondern diese nur den Zugang ermoglicht. Das nur zur Klarstellung.