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Foto: Antje Berghäuser

Cicero-Foyergespräch mit Klaus Maria Brandauer - „Explosion an Persönlichkeit und Wirkung“

Der zahlreich ausgezeichnete Schauspieler Klaus Maria Brandauer war zu Gast beim Cicero-Foyergespräch im Berliner Ensemble. Er warb für einen neuen solidarischen Humanismus und sprach vom Leben als durchgehender Uraufführung mit wechselnden Möglichkeiten

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Klaus Maria Brandauer und die Rollen seines Lebens: Ein Ausnahmekünstler über sein Schaffen, sein Werk und seine Geschichte. Im Gespräch mit Alexander Marguier, stellvertretender Chefredakteur des Cicero und Alexander Kissler, Cicero-Ressortleiter Salon. Fotos: Antje Berghäuser.

[[{"fid":"65288","view_mode":"full","type":"media","attributes":{"height":1125,"width":750,"style":"width: 250px; height: 375px; margin: 5px; float: left;","class":"media-element file-full"}}]]Mehr Achtung vor dem Beruf des Schauspielers hat Klaus Maria Brandauer („Mephisto“, „Jenseits von Afrika“) gefordert. Im Cicero-Foyergespräch im „Berliner Ensemble“ erklärte er, Theaterspiel sei nie eine „gemähte Wiese“. Schauspieler gäben einen Teil ihres Lebens ab für dieses Leben auf der Bühne, das dann wiederum auf das eigene Leben zurückwirke. Ihn habe das traurige Schicksal des großen Schauspielers Oskar Werner, eines unverwechselbaren „Persönlichkeitstigers“, einer leibhaftigen „Explosion an Persönlichkeit und Wirkung“, davor bewahrt, „ichsüchtig zu werden bezüglich des Berufes“. Werner habe nur „durch die Brille seines Ichs“ auf die Welt schauen können.

Das Theater halte viele Lektionen bereit, die für jeden Menschen gälten. Alle, so Brandauer, nicht nur Schauspieler, sollten tun, was Max Reinhardt den gelegentlichen Griff nach der Kindheit in der eigenen Tasche nannte. Führungskräfte könnten vom Theater lernen, dass herausragende Leistungen nur in einem herausragenden Team möglich sind. Und dass Kommunikationsfähigkeit die grundlegende Schlüsselqualifikation ist. Er selbst sieht sich als „Stückespieler, nicht Rollenspieler“. Das Umfeld sei entscheidend für Erfolg oder Misserfolg.

[[{"fid":"65289","view_mode":"full","type":"media","attributes":{"height":500,"width":750,"style":"width: 350px; height: 233px; margin: 5px; float: left;","class":"media-element file-full"}}]]Brandauer warb für einen neuen solidarischen Humanismus. Letztlich unterschieden sich die Menschen minimal, „sobald sie eine gewisse Anzahl an Jahresringen haben“. Wo man sich dieselben Fragen nach dem Woher und Wohin stelle, trügen auch unterschiedliche Antworten zur Solidarität der Gattung bei. Vor diesem Hintergrund sei der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer, der vor 70 Jahren im Konzentrationslager ermordet wurde, „einer meiner wirklichen Götter“. Dessen von Glaubenssehnsucht getragenen Angriffe gegen Gott hätten ihn, den praktizierenden Katholiken, sehr beeindruckt. „Wir könnten“, so Brandauer, „uns in allen Fragen gegenseitig so viel Luft unter die Flügel blasen, dass es nicht höher geht.“ Zu den in dieser Hinsicht zentralen Fragen gehöre jene nach der Schuld. Niemand käme als „Verbrecher oder Mörder oder schlechter Mensch“ auf die Welt. Der Wert einer Gesellschaft bemesse sich daran, wie sie mit denen umgeht, die es zu sein scheinen: „Das ist das Wichtigste überhaupt, seit die Menschen sesshaft geworden sind und sie einander beerdigen.“

[[{"fid":"65292","view_mode":"full","type":"media","attributes":{"height":500,"width":750,"style":"width: 350px; height: 233px; margin: 5px; float: left;","class":"media-element file-full"}}]]Zum aktuellen Streit in der Berliner Kulturpolitik wollte sich Brandauer nicht äußern. Wohl aber wandte er sich entschieden gegen eine Auffassung, die in Kultur nur ein Alibi und stetes Einsparpotenzial des Staates sehe; „wir sind im Vergleich ganz, ganz billig“. Scharf kritisierte er Theaterregisseure, die ihre eigene Handschrift über das Stück stellten. Als Regisseur sei er selbst ein „Volksregisseur“. Er lasse „nichts durchgehen, was man nicht versteht – und zwar auf dem kleinstmöglichen Nenner noch versteht.“ Seine Opernregie des „Lohengrin“ in Köln 2006 rechnet er rückblickend zu einer seiner beiden „Lieblingsgeschichten“. Das Vorspiel gebe musikalisch wieder, wie „unsere Welt entstanden ist“. Die andere Lieblingserinnerung gilt der ersten Filmregie, „Georg Elser - Einer aus Deutschland“ (1989) über den schwäbischen Hitler-Attentäter, dessen Leben gerade von Oliver Hirschbiegel abermals verfilmt worden ist.

[[{"fid":"65293","view_mode":"full","type":"media","attributes":{"height":1125,"width":750,"style":"width: 250px; height: 375px; margin: 5px; float: left;","class":"media-element file-full"}}]]Brandauer erzählte ferner von seiner Kindheit in der Steiermark, in Altaussee, zusammen „mit 2000 Menschen, 500 Hühnern und 200 Kühen“, und von der Jugend im Markgräflerland. Damals sei er Abonnent gewesen der Stadttheater von Baden-Baden, Freiburg und Karlsruhe und war darüber „unglaublich froh“. So habe er früh gelernt: „Unser Leben ist eine durchgehende Uraufführung mit wechselnden Möglichkeiten“.

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