Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz / dpa

Zwei Gipfel, keine gemeinsame Wirtschaftspolitik - BDI fordert von der Bundesregierung „strukturelle Reformen“

Die fast gleichzeitigen Wirtschaftsgipfel von Olaf Scholz und Christian Lindner offenbaren eine handlungsunwillige Regierung. BDI-Chefin Tanja Gönner appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Regierenden und ruft nach einer „Reformagenda“.

Ferdinand Knauß

Autoreninfo

Ferdinand Knauß ist Cicero-Redakteur. Sein Buch „Merkel am Ende. Warum die Methode Angela Merkels nicht mehr in unsere Zeit passt“ ist 2018 im FinanzBuch Verlag erschienen.

 

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Sogenannte „Gipfel“ haben im Berliner Politikbetrieb schon seit einigen Jahren Konjunktur. Sobald es auf irgendeinem Politikfeld zu krisenhaften Erscheinungen kommt, demonstrieren die Regierenden scheinbaren Handlungswillen, indem sie Akteure zu sich einladen. Nun leistete sich die Ampel angesichts der Industriekrise (die durch die VW-Krise eine akute Zuspitzung erfährt) und ihrer internen Zerstrittenheit (die aus Berliner Politikbetriebsperspektive natürlich als die eigentlich wichtige Krise aller Krisen betrachtet wird) sogar zwei um öffentliche Aufmerksamkeit konkurrierende Gipfel am selben Tag. 

Dass aus einer solchen Regierung, die ihre Uneinigkeit also geradezu zelebriert, tatsächlich eine konsistente Wirtschaftspolitik gegen den Niedergang des deutschen Industriestandortes erwachsen könnte, darf man wohl eher bezweifeln. Die Ampel hat zwar eine „Wachstumsinitiative“ mit vielen Maßnahmen angekündigt. Davon ist aber bisher nichts umgesetzt und vieles strittig.

Scholz berief den Gipfel spontan und planlos ein

Die von Kanzler Olaf Scholz für 16 Uhr geladenen Vertreter von Industrieverbänden, Gewerkschaften und großen Unternehmen sollen mit ihm über Wege aus der Industriekrise beraten. Erstaunlicherweise erfuhren diese Vertreter allerdings selbst erst durch Scholz‘ öffentliche Ankündigung von dem Gipfel. Sie wurden, wie man aus Kreisen der Deutschen Industrie hört, zuvor nicht eingeladen und erfuhren auch am Tage des Gipfels selbst nicht, worüber genau der Kanzler überhaupt mit ihnen reden wolle. 

Der Scholz-Gipfel scheint also womöglich eher ein spontaner Einfall des Kanzleramts gewesen zu sein. Dass der Kanzler diesen unter Ausschluss der Öffentlichkeit – keine Pressekonferenz, nicht mal Auftaktbilder – veranstalten will und behauptet, er wolle „wegkommen von den Theaterbühnen“, spricht nicht dagegen, dass es sich gerade vor allem um eine Inszenierung für die Öffentlichkeit handelt, mit anderen Worten: vorgezogenen Wahlkampf. Vor allem will der Kanzler wohl eine Kakophonie auf der Bühne verhindern. Sein Ziel sei ein „großes Miteinander“ in der Sache, verkündete er im Vorhinein. 

Die Ansage dürfte wohl auch eine Spitze gegen den wenige Stunden vorher tagenden Neben-Gipfel des Finanzministers und FDP-Chefs sein. Christian Lindner hatte mit der FDP-Bundestagsfraktion vor allem Vertreter der kleinen und mittleren Industrie und des Handwerks eingeladen, unter anderen auch den Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Rainer Dulger. Nach diesem Treffen gab es auch eine Pressekonferenz, auf der Lindner den grundlegenden Konflikt innerhalb der Regierung kaum verschlüsselt klar machte: „Es gibt auch so etwas wie eine Regierungsverpflichtung, und für Deutschland ist es allemal besser, wenn eine Regierung eine gemeinsame Richtung findet, sie beschreibt und umsetzt.“ 

BDI-Chefin kritisiert Sprachlosigkeit innerhalb der Ampel

Die Hauptgeschäftsführerin des BDI, Tanja Gönner, machte im Gespräch mit Cicero unmittelbar vor dem Kanzler-Gipfel klar, dass die deutsche Industrie die offenkundige Parallelpolitik von Kanzler und Finanzminister nicht schätzt. Es sei „erforderlich, dass die handelnden Personen miteinander sprechen“. Von der Bundesregierung erwartet Gönner, dass sie „einheitlich und gemeinsam handelt und dass die jeweils handelnden Personen darüber nachdenken müssen, welche Rolle sie haben, welche Verantwortung sie haben“. Es sei „sehr offensichtlich, dass wir strukturelle Reformen in diesem Land benötigen“. 

Offensichtlich ist auch, dass sich diese Kritik eher gegen den Kanzler und seine SPD sowie den grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck richtet als gegen den kleinsten Koalitionspartner FDP. Gönner fordert „eine klare Standortpolitik, eine klare industrielle Reformagenda“. Das entspricht eher den Ansagen Lindners und weniger dem Ansinnen von Habeck und der Parteichefin des Kanzlers, nämlich Saskia Esken, die die Existenzkrise der deutschen Industrie durch ein riesiges, schuldenfinanziertes Subventionspaket (Habeck nennt es „Deutschlandfonds“) in die Zukunft verschieben wollen. 

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Tomas Poth | Di., 29. Oktober 2024 - 15:31

Wie lange wollen die noch herumhampeln?
Platz frei für Neuwahlen.
Blau auf 35% bundesweit hochwählen, dann tut sich was.

Ingofrank | Di., 29. Oktober 2024 - 20:14

Antwort auf von Tomas Poth

Die Reserven sind annähend nicht aufgebraucht & der Malle- Urlaub noch bezahlbar….. Deshalb wählt der Westen nicht wie der Osten. Was also sollen Neuwahlen bringen, die permanent gefordert werden ? Was Bitteschön ist an einem CDU Kanzler Merz, der mit der SPD und oder der Grünen Sekte koaliert, denn anderes zu erwarten als ein „Merkelsches weiter so“ ? Die Union versteckt sich hinter der von links ihr aufgedrückten Brandmauer gegen Rechts. So lange die Merkeljaner noch ihre Fäden in der Partei spinnen dürfen, ändert sich nichts. Wüst, Günther, Laschet u.a. Die FDP ist auf Jahre pulverisiert und übt sich in außerparlamentarischen Opposition. Die Linke vielleicht im Parlament wenn durch Aktion Silberlocke noch genügend Direktmndate in Berlin oder Erfurt gewonnen werden. Bleibt noch das BSW mit der Erz- Kommunistin Wagenknecht & dem Dauerbeleidigten Ex SPD Vorsitzenden.
Nur wenn sich die Ergebnisse der AfD im Westen der des Ostens entsprechen, würden Neuwahlen Sinn machen.
MfGadErf.Rep.

Henri Lassalle | Di., 29. Oktober 2024 - 16:04

dieser unseligen Ampel-"Koalition", Neuwahlen und damit Basta !
Aber auch der BDI trägt Verantwortung in diesem Konfliktkontext. Er hätte schon seit langem warnen müssen, insistierend, das in vielen wichtigen Firmen Penner u inkompetente als Manager alimentiert werden, dass sich der Weltmarkt signifikant verändert - und zwar stetig. Es gab ja mal ein Buch mit Titel "Nieten in Nadelstreifen"; das ist Jahrzehnte her, also als Phänomen wohbekannt.

Da muss man wohl wirklich beide Seiten sehen, die drei
Vorturner der Ampel machen jeder ihren eigenen Gipfel.
Ist man schon soweit geistig eingeschränkt, dass die
katastrophale Wirkung nach außen nicht bedacht wird.
Oder ist man schon soweit abgehoben, dass eigentlich
alles egal ist, frei nach: "ist der Ruf erst ruiniert ..."

Auf der anderen Seite die Industrievertreter, es geht doch
schon mehr als ein Jahr, dass von der Dunkelampel nur
noch wirtschaftlicher Unsinn kommt. Ein deutliches
Zeichen wäre wohl gewesen, wenn man gesagt hätte, mit
uns nicht mehr, wir machen das Kasperspiel nicht mehr mit.
Die große Wundertüte mit dem vielen Geld wird eh nicht
kommen, also kann man sich eigentlich das "Schleimen"
schenken.

Es ist schon erschrecken, wie in letzter Zeit, die sprichwörtlichen
"Einschläge immer näher kommen". Zum Ende daher meine
Zustimmung zu Ihrer Eingangsaussage, macht jetzt Schluss.

MfG

Heidrun Schuppan | Di., 29. Oktober 2024 - 16:22

Erweiterung des Kanzleramts sowie der Wassergraben um den Reichstag zeugen von reger Bautätigkeit, zumindest wird geplant.

Heidrun Schuppan | Di., 29. Oktober 2024 - 18:15

Es ging stets weiter bergab, Mieten allerdings nach oben, Krankenkassenbeiträge ebenso stetig nach oben, Leistungen wurden Jahr für Jahr zusammengestrichen, Renten runter (Österreich: hohes Rentenniveau, Krankenkassenbeiträge für Rentner: 5 %, für AN unter 10 %, Renten werden 14 mal ausgezahlt). Die wirklich miese wirtschaftliche Situation, die wir heute haben, hat die Ampel so nicht geerbt, sie hat das, was sie übernommen hatte, weiter verschlechtert und gleichzeitig die Binnennachfrage total abgewürgt, weil kaum noch einer Geld ausgeben kann für alles, was über das Existenzminimum hinausgeht. Man kann nicht ausschließen, dass Grüne und -Anhänger den Niedergang Deutschlands feiern als eine Errungenschaft, die man eben nur feiern kann. Bis zu den nächsten Wahlen wird noch einiges passieren, was die derzeitigen Machthabern ihre Macht sichern wird. Dafür wurden entsprechende Stellen mit den "richtigen" Leuten besetzt. "Wir werden nicht mehr diskutieren." Wer sagte es?

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