- „Correctiv“ widerlegt sich vor Gericht selbst
Die Enthüllungen des Rechercheteams von „Correctiv“ halten die Republik nun schon seit zwei Monaten in Atem. In dieser Woche allerdings bestätigte „Correctiv“ vor Gericht, dass das alles gar nicht auf Tatsachen basiere. Dies war der meistgelesene „Cicero“-Artikel im März.
Am 10. Januar 2024 erzeugte „Correctiv“ eine mediale Schockwelle. In einer Villa in der Nähe des Wannsees hätten sich Mitglieder der AfD getroffen, um die Deportation von Millionen Deutscher mit Migrationshintergrund zu planen – hieß es anschließend in unzähligen Medien. Dieser Vorwurf war der Kern der öffentlichen Empörung. Das bestätigt auch ein Faktencheck der ARD „Die Berichte über Deportationspläne, die auf einem Treffen mit AfD-Politikern besprochen worden sein sollen, haben Hunderttausende mobilisiert.“
Eine seltsame Einmütigkeit
Inzwischen wehrt sich Ulrich Vosgerau (CDU), einer der Teilnehmer der Konferenz in der Nähe des Wannsees, gerichtlich gegen die Berichterstattung von „Correctiv“. Vosgerau begehrte, die Berichterstattung in drei Punkten zu korrigieren und gewann vor dem Hamburger Landgericht nur in einem. In diesem Verfahren ist aber gar nicht das interessant, worüber die Parteien streiten. Sondern das, worüber sie gerade nicht streiten.
Vosgeraus Anwalt legte insgesamt sieben eidesstattliche Versicherungen von Teilnehmern der Veranstaltung vor, in denen diese die öffentlichen Behauptungen, bei dem Treffen seien Deportationen von Deutschen mit Migrationshintergrund geplant worden, als falsch zurückgewiesen haben.
In dem Verfahren vor Gericht reagierte hierauf auch der Anwalt von „Correctiv“. Der entsprechende Schriftsatz liegt „Cicero“ vollständig vor. Es lohnt sich, den Text etwas vollständiger zu zitieren. Er ist ein regelrecht historisches Dokument:
„Allen Teilnehmer*innen des Potsdamer Treffens war bewusst, dass eine unmittelbare Ausweisung von Menschen, die aktuell über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen, eine derzeit nicht lösbare juristische Schwierigkeit darstellt. (…) Demnach ist in diesem Verfahren nicht umstritten, dass auf dem Treffen unter den Teilnehmern im Rahmen der Diskussion nicht weiter erörtert wurde, welche Möglichkeiten bestehen, aktuell deutsche Staatsbürger mit deutschem Pass unmittelbar auf Grundlage rassistischer Kriterien auszuweisen. Die eidesstattliche Versicherung des Antragstellers suggeriert demnach einen Sachverhalt, der nicht Gegenstand der faktischen Schilderungen des streitgegenständlichen Artikels ist.
Die von dem Antragsteller vorgelegte eidesstattliche Versicherung geht also an der Sache vorbei. Eine derartige Tatsachenbehauptung, die dem Beweise oder der Glaubhaftmachung zugänglich wäre, wird in dem streitgegenständlichen Artikel nicht erhoben. Im Gegenteil: Die deutsche Staatsbürgerschaft hat Sellner in seinen Ausführungen ausdrücklich als juristische Sperre für eine Ausweisung anerkannt. Und allen Anwesenden war bewusst, dass insbesondere die grundrechtlichen Hürden dafür zu hoch sind. Dementsprechend entwickelte sich unter den Teilnehmern auch keine Diskussion darüber. Über eine solche Diskussion, inwiefern aktuelle „deutsche Staatsbürger mit deutschem Pass“ ausgewiesen werden könne, berichtet die Antragsgegnerin nicht.“
Man halte sich also fest: „Correctiv“ sagt damit vor Gericht und aller Öffentlichkeit selbst, dass in der Villa in der Nähe des Wannsees nie über die Deportation Millionen Deutscher mit Migrationshintergrund gesprochen worden sei. Aber wogegen wurde dann in den letzten Monaten demonstriert – und worüber eigentlich berichtet?
Wie aus bloßen Meinungen scheinbare Tatsachen werden
Des Rätsels Lösung ist ganz einfach. Demonstriert wurde nicht gegen eine Tatsache, sondern aufgrund einer Meinung. Bereits am 28. Januar 2024 hatte Annette Dowideit von „Correctiv“ im Presseclub der ARD strikt die Behauptung zurückgewiesen, „Correctiv“ habe jemals über Deportationspläne berichtet. Das hätten dann vielmehr anschließend andere Medien bloß aus ihren Recherchen gemacht.
Und tatsächlich heißt es in der „Correctiv“-Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ vom 10. Januar 2024:
„Was Sellner entwirft, erinnert an eine alte Idee: 1940 planten die Nationalsozialisten, vier Millionen Juden auf die Insel Madagaskar zu deportieren. Unklar ist, ob Sellner die historische Parallele im Kopf hat. Womöglich ist es auch Zufall, dass die Organisatoren gerade diese Villa für ihr konspiratives Treffen gewählt haben: Knapp acht Kilometer entfernt von dem Hotel steht das Haus der Wannseekonferenz, auf der die Nazis die systematische Vernichtung der Juden koordinierten.“
In dem Text ist zwar letztlich doch von Deportationen die Rede, von der Wannsee-Konferenz und der Vernichtung der Juden durch die Nazis. Aber: Mit keinem Wort behauptet „Correctiv“ dort, dass im November 2023 das geschehen sei, wogegen sich anschließend Millionen von Menschen in Bewegung gesetzt haben. Was „Correctiv“ in dieser und vielen anderen Textpassagen bietet, ist keine Tatsachenbehauptung, sondern selbst bloß eine Meinungsäußerung – gepaart mit ein bisschen Spekulation. Das alles ist in einer freiheitlichen Gesellschaft zulässig. Und genau deshalb wurde über diesen Punkt auch gar nicht vor Gericht verhandelt.
„Das ist dreist“
Eines allerdings passt zu all dem nicht. In einem aktuellen Newsletter ruft „Correctiv“ nicht nur zu Spenden auf, um die gerichtlichen Auseinandersetzungen finanzieren zu können, sondern sagt seinen Unterstützern auch noch das: „Was besonders wichtig ist: Die Entscheidung des Gerichts bestätigt (…) die Inhalte der Geheimplan-Recherche.“ Das allerdings widerspricht sogar der offiziellen Pressemitteilung des Landgerichtes Hamburg, in der das genaue Gegenteil steht. Das Gericht habe sich damit gar nicht befasst.
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Anfangs sah es noch danach aus, als würde sich „Correctiv“ mit seinem Wannsee-Scoop zu einer ersten Adresse des investigativen Journalismus in Deutschland mausern. Aber nun, rund zwei Monate später, scheint Schritt für Schritt eher das Gegenteil einzutreten. Stephan Niggemeier vom Portal „Übermedien“ jedenfalls hält die jüngsten Behauptungen von „Correctiv“ über die angebliche Bestätigung des Inhaltes ihrer Recherche durch das Hamburger Landgericht nicht nur für „falsch“, sondern auch noch für „dreist“.
Und die Moral von der Geschicht’?
Was bleibt also übrig, acht Wochen nach der Berichterstattung über eine ominöse „Wannsee-Konferenz“?
Erstens: Es traf sich eine Gruppe von Menschen in privatem Kreise. Darunter waren Unternehmer und Mitglieder von AfD und CDU.
Zweitens: In dieser Privatveranstaltung wurde zweifelsohne auch darüber diskutiert, wie man abgelehnte Asylbewerber und kriminelle Ausländer schnell außer Landes schaffen könne. Und, soweit man weiß, auch noch über etwas mehr. Aber: Auch Bundeskanzler Scholz will seit ein paar Monaten „massenhaft abschieben“. Und nicht nur er.
Drittens: Der Kern der Geschichte von „Correctiv“ basierte nicht auf Tatsachen, sondern spekulativen Meinungsäußerungen. Und um diese herum wurden teils korrekte, teils falsche Tatsachenbehauptungen angeordnet, um den Eindruck eines Tatsachenberichts zu erwecken. Es war im Kern aber von Anfang an keiner.
Viertens: Im Grunde alle Leitmedien fielen auf dieses Arrangement herein, obwohl es bei unbefangener Lektüre stets offensichtlich war. „Cicero“ berichtete entsprechend bereits am 11. Januar 2024. Fast alle Medien verbreiteten einen Bericht, der im Kern bloß eine Meinungsäußerung war, als eine Tatsachenschilderung.
Fünftens: Daraufhin setzten sich aus echter Sorge Millionen von Menschen in Bewegung, um für Demokratie und gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Man kann das kaum kritisieren, sondern sollte vielmehr froh darüber sein. Jeder normale Mensch muss sich darauf verlassen können, dass stimmt, was in den Leitmedien steht.
Sechstens: Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ereignisse am Wannsee und die Demonstrationen erklärte die Bundesregierung, den Kampf gegen rechts durch Einschränkung von Grundrechten intensivieren zu wollen. Sie stützt sich dabei aber ausdrücklich nicht auf Tatsachen, sondern bloße Meinungsäußerungen, wie „Correctiv“ nun einräumte.
Allenthalben und seit Jahren wird in Deutschland die politische Spaltung des Landes beklagt. Und das aus gutem Grund. Damit eine Demokratie funktioniert, braucht es Verständigung und Kompromisse – und nicht die Verhetzung des öffentlichen Raumes. Vielleicht aber hat ja die Berichterstattung um den „Scoop vom Wannsee“ auch ihr Gutes. Sie kann immerhin als Beispiel dafür dienen, wie man es nicht machen sollte.
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