
- „Zwischen Kirchen und NGOs sollte es einen deutlichen Unterschied geben“
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Franziska Hoppermann kritisiert die Stellungnahme der Kirchen in der Migrationsdebatte. Wenn zu Demos gegen die CDU aufgerufen werde, sei die Grenze zum Aktivismus überschritten, so die engagierte Hamburger Katholikin.
Franziska Hoppermann, diplomierte Betriebswirtin, ist seit 2021 Bundestagsabgeordnete für die CDU aus Hamburg.
Frau Hoppermann, die Abstimmung im Bundestag zum Thema Migration, bei der die AfD dem Unionsantrag zugestimmt hat, hat eine Art Beziehungskrise zwischen CDU und katholischer Kirche ausgelöst. Wie haben Sie das erlebt?
Richtig ist: Es gab eine gemeinsame Stellungnahme des katholischen und des evangelischen Büros in Berlin, die ich in ihrer Tonlage und in ihrem Timing als deplatziert empfand. Als praktizierende Katholikin stehen die Befürwortung und im Zweifel auch die Durchsetzung von geordneter Migration nicht im Gegensatz zum christlichen Menschenbild und nicht zum christlichen Glauben. Dass auch die katholische Kirche selbst mit dieser Art ein Störgefühl hatte, zeigte sich in der darauffolgenden Mitteilung der Generalsekretärin der Bischofskonferenz, wonach die Stellungnahme aus Berlin nicht mit ihr abgestimmt war.
Die Kirchen haben gesagt, alle Menschen sind gleich viel wert, und die Vorschläge der CDU seien dazu geeignet, Zuwanderer zu diskriminieren und zu diskreditieren. Was entgegnen Sie?
Natürlich sind alle Menschen gleich, es stand ja aber auch gar nicht zur Abstimmung, dass dem nicht so sei. Wir haben mit den Anträgen unsere Überzeugung zum Ausdruck gebracht, Maßnahmen zu ergreifen, die die illegale Migration reduzieren oder gar verhindern, um unsere Sicherheitsbehörden zu entlasten. Mich hat vor allem die auf die Anträge folgende Eskalation irritiert. Es wurde zu Demos gegen die CDU aufgerufen, auch über Social-Media-Accounts der Kirche. Diskussionen dazu wurden auch von den offiziellen Accounts zurückgewiesen. Dies schadet dem gesellschaftlichen Klima und ich glaube, auch der Kirche selbst.
Es gab hier offenbar ein grundlegendes Missverständnis. Wie konnte es dazu kommen?
Ich glaube, Teil des Problems ist ein fehlendes Verständnis füreinander und an manchen Stellen auch eine gewisse moralische Aufgeladenheit, wenn es um unbequeme Themen geht. Es ist bedenklich, wie leichtfertig christdemokratische Bundestagsabgeordnete, die sich unserer demokratischen Ordnung und einem gesellschaftlichen Frieden verpflichtet fühlen, in den Verdacht des Paktierens mit Rechtsextremisten gezogen wurden.
Was hätte stattdessen passieren sollen?
Ich hätte es verstanden, wenn die Bischofskonferenz, einzelne Bischöfe oder auch kirchliche Verbände mit uns Kontakt aufgenommen und gefragt hätten: Können wir darüber mal ins Gespräch kommen? Doch es gab in diesem Fall gar nicht erst den Versuch eines Gesprächs, obgleich viele Unionsabgeordnete ein sehr gutes Verhältnis zu den Vertreterinnen und Vertretern beider Kirchen und ihren Verbänden und Institutionen haben. Und was mich dann befremdet hat: Zum Gruppenantrag, den Abtreibungsparagraphen zu streichen, gab es kein vergleichbar prominentes Schreiben der Bischöfe an alle Abgeordneten. Das ist für mich ein Missverhältnis.
Welchen Eindruck haben Sie? Ist die Kirche mit ihren Gliederungen und Verbänden politisch zu weit nach links gerückt?
Das ist nicht der Punkt. Die Mitglieder der großen Kirchen denken nicht so uniform, wie es die offiziellen Stellungnahmen erscheinen lassen. Und auch die Theologie lebt von der Stärke des Diskurses. Da greift mir die Art solcher Zwischenrufe zu kurz.
Aber Sie wünschen sich keine unpolitische Kirche?
Nein, ich möchte keine unpolitische Kirche. Aber es sollte einen deutlichen Unterschied zwischen den Kirchen auf der einen und NGOs oder Stiftungen auf der anderen Seite geben, wenn es um politische Betätigung und Interessenvertretung geht. Eine starke, aber differenzierte Stimme in ethischen Fragen und Lebensfragen wünsche ich mir sehr, weil sie damit in den Dialog eintritt.
Haben Sie eine Idee, wie es dazu kommen konnte, dass die Kirche, wie Sie sagen, sich so von ihrem Kernauftrag löst?
Der Auftrag der Kirche ist, eine Verbindung zwischen Gott und den Menschen herzustellen. Wie sie ihn ausführt und welche Maßstäbe sie ansetzt, hat sich gewandelt. In den letzten Jahren hat es ein hohes Maß an Öffnung und den Wunsch nach Veränderung gegeben.
Wo ist denn da die Grenze zwischen Kernauftrag und politischem Aktivismus?
Es gibt viele gesellschaftliche Fragen, in der Kernauftrag und öffentliches Eintreten für die Rechte von Menschen eng zusammengehören. Ich wäre froh, wenn die Kirchen sich häufiger in Fragen ihrer Alleinstellungsmerkmale äußern würden. Das ist kein Aktivismus. Und manchmal entwickelt sich auch die Kirche weiter, etwa in Fragen der persönlichen Lebensführung, wie sie z.B. durch die Bewegung Out-in Church, die ich unterstütze, mit großer Kraft vorwärtsgetrieben wurde.

Sie stehen also für kirchliche Reformen und lehnen aber zugleich den Linksschwenk in politischen Fragen ab?
Es geht nicht um ein politisches Links-Rechts-Schema. Die Kirche ist dann stark, wenn sie in schwierigen Fragen bei den Menschen ist und deren Unterschiedlichkeiten aushält, wie sie auch in ihren eigenen Reihen vertreten ist. Aber eine Parteinahme für eine bestimmte politische Richtung belastet auch die praktizierenden Christen, die sich in anderen Parteien und Bewegungen engagieren. Nehmen Sie die Gleichberechtigung der Frau. Ich bin Landesvorsitzende der Frauen Union Hamburg und setze mich für die gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Frauen ein. Als Mitglied der Kirche meine ich, dass sich die Kirche hier bewegen muss. Ich akzeptiere aber trotzdem, dass dies andernorts anders gesehen wird. Die katholische Kirche ist eine Weltkirche, da ist es nicht einfach, Lösungen zu finden, die allen gleichmäßig gefallen.
Was hat Sie auf Ihrem Weg geprägt? Welche Rolle spielt die Kirche?
Ich bin in der katholischen Diaspora in Hamburg aufgewachsen, in einer großen Familie mit vier Geschwistern, meine Mutter katholisch, mein Vater evangelisch. Aber wir waren immer in der katholischen Kirche, und zwar wirklich nahezu jeden Sonntag. Und wir waren vielfältig in der Gemeinde aktiv: in der Spielgruppe, im Kindergarten, katholische Grundschule, katholisches Jesuitengymnasium Sankt Ansgar. Wir waren alle Sternsinger und Messdiener. Ich war von meinem siebten Lebensjahr bis zur Geburt meines Sohnes bei den katholischen Pfadfindern.
Haben Sie sich auch als Politikerin in der Kirche engagiert?
Ich war eine Zeitlang Mitglied im Caritasrat Hamburg und habe mitgeholfen, die Caritas vor der Insolvenz zu bewahren. Wir haben die Caritasverbände im Erzbistum fusioniert. Zusammen mit anderen habe ich versucht, mehrere katholische Schulen hier im Norden vor der Schließung zu bewahren und in eine Genossenschaft zu überführen. Das ist dann an einer Einigung mit dem Erzbistum gescheitert.
Ist ihr politisches Engagement aus der kirchlichen Arbeit heraus erwachsen?
Meine politische Sozialisation hat zwei Gleise. Das eine ist die katholische Jugendarbeit und das andere ist mein Großvater, der Bundestagsabgeordneter war. Wir sind immer eine sehr katholische und eine sehr politische Familie gewesen.
Wenn ich das richtig verstehe, dann ist die katholische Kirche nicht irgendwie ein Gegenüber, sondern schon immer Teil Ihres Lebens?
Tatsächlich: Das kirchliche Geschehen ist aus meinem Leben nicht wegzudenken. Deswegen bedrückt es mich, wenn die Kritik von der Seite erfolgt, mit der ich mich eigentlich stark identifiziere. 1993 war ich mit meiner Mutter und meinen Geschwistern das erste Mal auf einem Katholikentag. Mein Mann ist Kirchenmusiker. Wir haben dann zusammen etliche Kirchen- und Katholikentage bestritten. Ich bin jetzt seit 32 Jahren Mitglied bei den Maltesern. Wir haben viele Behinderten-Wallfahrten der Malteser Deutschlands nach Rom musikalisch begleitet. Der christliche Glaube und die katholische Kirche werden mich auch weiterhin begleiten.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft im Verhältnis von CDU und Kirche?
Wir müssen wieder mehr ins Gespräch miteinander kommen und einen zuverlässigen Dialog mit den Bischöfen führen. Zugespitzt gesagt: Es ist ärgerlich, dass medienwirksam Kritik an der Union geübt, aber kein Gespräch gesucht wurde. Bei manchen innergesellschaftlichen Themen nehmen katholische Verbände eine politische Einseitigkeit ein, die es uns erschwert, in der Sache Kompromisse zu finden oder andere Positionen zu akzeptieren. Das finde ich als Vorgehensweise falsch, denn sie überdeckt inhaltliche Übereinstimmungen und verhindert letztlich Allianzen zugunsten gemeinsamer Reformanliegen.
Das Gespräch führte Volker Resing.
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die Vorschläge der AfD zur Migrations und Zuwanderungspolitik ,die man seit Bestehen dieser Partei heftig kritisierte und genau diese Leute als Nazis, Rechte usw. diffamierte, zur Krönung des Ganzen genau diese „verdammungswürdigen Thesen & Forderungen“ dann noch 1 : 1 übernimmt, braucht man sich über die Reaktion der „Gutmenschen“ aus z. B. den Kirchen nicht zu wundern.
So lange diese links grüne Amada gegen „Rechts“ sprich den politischen Gegner protestierte, war alles im Grün linken Bereich. Kommt nun langsam bei der CDU die Erkenntnis an, das es mit Asyl & Migration,so wie unter ihrer eigenen Führung,und der der Fortschrittskoalition nicht mehr weiter gehen kann, wir auch die CDU von der versammelten Linken in die rechte Ecke gestellt.
Und den „Schwenk“ die die Union seit dem 23.02.25 vollzogen hat, wird ihr der Wähler schwerlich verzeihen.
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik
Und auch die UNION muss sich selber fragen, was das "C" noch im Parteikürzel zu suchen hat. Es sei denn, es steht für "chaotisch". Den so verhält sie sich derzeit beim Thema Brandmauer genauso, wie bei den derzeitigen Koalitionsgesprächen.
unterschiedliche Positionen, die "mit Kirche oder NGO" nichts zutun haben.
Allerdings könnten sich die Herangehensweisen unterscheiden oder sollten es?
Was soll das heissen, wenn sich ein Herr Bätzing nicht mit AfD-Wählern solidarisieren möchte? So gelesen über Microsoft.
Ist die Frage der Solidarität eine ausschliessliche und ausschliessende für Kirchen?
Geht es in Kirchen überhaupt um Solidarität?
Ich hätte früher auch nicht die CDU gewählt, wenn Kirchenleute mir dies nahegelgt hätten.
Ich stehe immer noch unter dem Eindruck des Filmes "In den Schuhen des Fischers", 1968, und hoffe, dass es in Kirchen ähnlich komplex und um Handlungsweisendes ringend geht.
Aber vielleicht wird dies auch durch Medien verkürzt dargestellt.
Kein Vorwurf an die Medien, denn was in Kirchen verhandelt werden sollte, übersteigt vielleicht nicht selten die Möglichkeiten Einzelner.
Diese Aura des Heiligen, möge sie den Kirchen erhalten bleiben oder immer wieder neu geschaffen werden.
Viele brauchen dies...
Sich selbst als beliebig offen für alle Menschen zu erklären, auf der anderen Seite auf Naziumtriebe zu deuten und damit schon zu meinen eine große Haltung zu haben, ist mir zu billig. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Kirchen, viele andere Institutionen und Millionen Menschen (aber keine 90%-Mehrheiten und global schon gar nicht) das vielleicht so sehen - aber ich sehe es anders.
Es gibt Rechtsextreme, so wie es Verbrecher, Kriegstreiber und alles mögliche gibt. Aber das ist erstmal unabhängig von den Problemen, die sich in einer offenen Migrationsgesellschaft stellen. Da gibt es vielfältigste schwierige Fragen, die nicht durch Rechtsextreme, Terroristen oder Verbrecher kommen, sondern tief in der Sache liegen.
Das heißt nicht, dass man gegen Migration ist. Aber selber sowenig zum Umgang mit den tiefen Fragestellungen beizutragen, wie die Kirchen - da gibt es nur Klarheit, Einsatz für das Gute (mit Mitteln der Anderen), keine Fragen: das ist mir zu wenig und zu anmaßend.
Wie die Kirchen-Oberen (protestantische sowieso u. zunehmend auch katholische) mit den gewaltigen Problemen durch Migration umgehen, kann ich nur noch als Anbiederung an den billigen Moralismus des Zeitgeistes bezeichnen.
Diese "Haltung" ist weit entfernt vom Evangelium u. dem Handeln Jesu Christi. Es enttarnt die "Hirten", die den einzelnen "Schafen" beistehen u. sie im Geiste Jesu führen sollen, als Mietlinge, denen die Angepaßtheit an die Politik wichtiger ist als das Seelenheil d. Gläubigen.
Die Kirchenvertreter verraten ihren eigentlichen Auftrag mehr denn je!
Sie machen es den wahrhaft Gläubigen, die es in Deutschland immer noch gibt,
sehr schwer, noch irgendwo eine Kirche zu finden, in der tatsächlich Gott im Mittelpunkt steht u. nicht der "Gutmensch" von heute.
Das führt zu nichts anderem als weiterer Unglaubwürdigkeit der Amtskirchen.
Der christliche Glaube lebt natürlich trotzdem weiter: In Deutschland zwar nur noch in Nischen, aber anderswo auf der Welt umso kräftiger!