Im arktischen Norwegen in der Region Troms fand Anfang März die Nato Übung „Joint Viking“ statt / e alliance / SZ Photo | Friedrich Bungert

Von der Arktis bis China - Die Ukraine-Gespräche im geopolitischen Kontext

Die strategischen Interessen Russlands und der USA in der Arktis sowie die amerikanische Zollpolitik könnten die Verhandlungen über einen dauerhaften Frieden in der Ukraine erschweren.

Autoreninfo

Antonia Colibasanu ist Analystin bei Geopolitical Futures und Dozentin an der rumänischen National Defence University mit Sitz in Bukarest.

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Während die Verhandlungen zwischen Russland und den Vereinigten Staaten über den Konflikt in der Ukraine weitergehen, bleiben die Aussichten auf ein umfassendes Friedensabkommen trotz der begrenzten Fortschritte auf beiden Seiten gering. Es bestehen nach wie vor grundlegende Differenzen, und es wird immer wahrscheinlicher, dass eine Lösung eher einem verwalteten Waffenstillstand als einem dauerhaften Frieden ähneln wird.

So schien am 25. März eine vorläufige Einigung über die Einstellung der Feindseligkeiten im Schwarzen Meer erzielt worden zu sein, die eine sichere Schifffahrt gewährleisten und die Nutzung von Handelsschiffen zu militärischen Zwecken verhindern sollte. Dies wäre für Russland von Vorteil gewesen, da es keine aktive Flotte mehr im Schwarzen Meer hat und in dem Gebiet nun hauptsächlich hybride Angriffe durchführt, während die Ukraine es weiterhin für offensive Operationen verwendet. Doch einen Tag später stellte Russland neue Bedingungen für die Umsetzung des Abkommens, darunter die Aufhebung der Sanktionen gegen seine Agrarexporte und die Wiederanbindung russischer Finanzinstitute an das Zahlungssystem SWIFT. Diese zusätzlichen Forderungen haben die Durchsetzung des Waffenstillstands natürlich erschwert.

Nach diesen Ankündigungen traf die europäische „Koalition der Willigen“ zwei wichtige Entscheidungen: erstens, die Diskussionen über die Stationierung von Truppen und militärischen Fähigkeiten ausschließlich auf die an die Ukraine angrenzenden Nato-Länder zu beschränken. Und zweitens, den britischen Premierminister und den französischen Präsidenten offiziell als europäische Vertreter in den Verhandlungen zu benennen. Diese Schritte zeigen, dass Europa die Ukraine nicht nur unterstützt, sondern auch in engem Kontakt mit den USA zu stehen scheint und somit versucht, einem transatlantischen Ansatz entgegenzukommen.

In der Zwischenzeit hat auch Russland die Verhandlungen erschwert, indem es am 27. März erklärte, es sei bereit, „seine Interessen in der Arktis zu verteidigen“. Diese Behauptung fällt mit einer großen Konferenz in Murmansk zusammen, die der Arktis gewidmet ist, sowie mit der Bildung der neuen grönländischen Regierung am 11. März und der Ankündigung des hochrangigen Besuchs von US-Vizepräsident JD Vance in Grönland, was Fragen über die breitere Bedeutung der Arktis in der globalen Machtdynamik aufwirft. Diese Ereignisse sind kaum zufällig.

Die Arktis ist seit 2023 Russlands bevorzugtes Ziel für die Erprobung neuer Waffensysteme

Unabhängig von den Gesprächen über die Ukraine nahmen die Trump-Administration und der Kreml auch Gespräche über die nukleare Rüstungskontrolle auf, bei denen es in erster Linie um die Zukunft des New-START-Vertrags ging, der im Jahr 2026 ausläuft. Donald Trump hatte den Wunsch geäußert, ein breiteres trilaterales Rüstungskontrollabkommen auszuhandeln, das auch China einbeziehen würde, doch Peking lehnte eine Beteiligung wiederholt ab. Daher trafen sich US-Außenminister Marco Rubio und der russische Außenminister Sergej Lawrow im Februar am Rande der Verhandlungen in Riad, um die Grundlagen für mögliche bilaterale Abkommen zu schaffen. Beide Seiten erkannten die Bedeutung der Verringerung nuklearer Risiken an und erwogen Maßnahmen zur Begrenzung taktischer Nuklearwaffen und zur Erhöhung der Transparenz bei strategischen Arsenalen. In den anschließenden Gesprächen schlug Russland vor, die Verifikationsmechanismen des New-START-Abkommens beizubehalten und gleichzeitig eine weitergehende Reduzierung der stationierten Sprengköpfe zu prüfen. Die US-Verhandlungsführer bestanden jedoch darauf, dass jeder neue Vertrag Russlands taktische Atomwaffen und Hyperschallwaffen zum Gegenstand haben sollte.

Übrigens ist die Arktis seit 2023 Russlands bevorzugtes Ziel für die Erprobung neuer Waffensysteme geworden. Moskau hat seine Infrastruktur in der Arktis weiter ausgebaut, Stützpunkte aus der Sowjetzeit wiedereröffnet und modernisiert und gleichzeitig fortschrittliche Waffen und strategische Anlagen eingesetzt. Russland hat auch seine arktischen Flugplätze ausgebaut, um den ganzjährigen Einsatz von Langstreckenbombern und Luftabwehrsystemen wie dem S-400 zu ermöglichen. Neue Radaranlagen wie das Überhorizont-Radar Resonance-N auf dem Luftwaffenstützpunkt Rogatschewo und die Sopka-2-Radarkomplexe auf der Wrangel-Insel und am Kap Schmidt erweitern Russlands Überwachungsmöglichkeiten bis tief in den arktischen Himmel und die arktischen Gewässer. Im maritimen Bereich hat die U-Boot-Flotte der Nordflotte ihre Operationen unter dem Eis intensiviert, einschließlich verdeckter Manöver von der Barentssee zum Pazifischen Ozean über polare Gewässer.

Russland hat in den vergangenen Jahren auch seine militärischen Fähigkeiten in der Arktis erheblich ausgebaut und sich dabei auf fortschrittliche Hyperschall- und Atomwaffensysteme konzentriert. Eine der herausragenden Entwicklungen ist der Einsatz des Hyperschall-Marschflugkörpers 3M22 Zircon, der Geschwindigkeiten von Mach 9 erreichen und Ziele in einer Entfernung von bis zu 1000 Kilometern treffen kann. Der auf Fregatten der Admiral-Gorshkov-Klasse und U-Booten der Yasen-M-Klasse eingesetzte Zircon ist aufgrund seiner Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit kaum abfangbar und gibt Russland ein mächtiges Instrument in die Hand, um die maritime Präsenz der Nato im hohen Norden herauszufordern.

Durch den Beitritt Finnlands und Schwedens hat sich die Präsenz der Nato im hohen Norden vergrößert

Eine weitere wichtige Waffe ist die Hyperschallrakete Kinzhal, die von MiG-31K-Flugzeugen aus gestartet wird und sowohl konventionelle als auch nukleare Sprengköpfe über eine Reichweite von 2000 Kilometern tragen kann. Ihre Schnelligkeit und Ausweichfähigkeit machen sie zu einer beeindruckenden Erstschlag- oder Vergeltungsoption. Darüber hinaus hat Russland den nuklear angetriebenen Torpedo Poseidon entwickelt, der einen radioaktiven Tsunami erzeugen kann, welcher in der Lage ist, Ziele an der Küste zu verwüsten. Der vom U-Boot Belgorod aus gestartete Poseidon ist dank seines einzigartigen Unterwasserantriebs nahezu unabfangbar. Neben diesen neuen Waffen patrouillieren in den arktischen Gewässern auch die russischen U-Boote der Borei-A-Klasse mit ballistischen Interkontinentalraketen vom Typ Bulava, die mehrere Atomsprengköpfe tragen können. Diese U-Boote sind so konzipiert, dass sie in der Lage sind, unter dem Polareis zu starten. Zusammen verstärken diese Systeme die russischen Erst- und Zweitschlagskapazitäten.

Im Gegensatz dazu haben die Nato und die Vereinigten Staaten trotz ihrer jüngsten Bemühungen um eine stärkere Präsenz in der Arktis eine vorsichtigere Haltung eingenommen. Durch den Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato hat sich die Präsenz des Bündnisses im hohen Norden vergrößert, aber Russlands gefestigte militärische Infrastruktur übertrifft die westlichen Fähigkeiten noch immer um Längen. Übungen der USA und der Nato, wie etwa die Cold Response im Jahr 2022, haben eine verbesserte Einsatzbereitschaft gezeigt, aber ihre Aktivitäten sind weitaus sporadischer als die Russlands. Der grönländische Weltraumstützpunkt Pituffik (ehemals Thule Air Base), der mit einem verbesserten Frühwarnradar aufgerüstet wurde, ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung für die Raketenabwehr und die Überwachung der Arktis – was die Insel zum Schlüssel für die strategische Verteidigung macht.

Dieses Phased-Array-Radar sucht nach seegestützten oder interkontinentalen Raketen, die über den Pol kommen, und bildet eine wichtige Schicht des NORAD-Schutzschildes für Nordamerika. Etwa 150 Angehörige der US Space Force sind das ganze Jahr über in Pituffik stationiert. Die formelle Umwandlung in eine Space-Force-Basis im Jahr 2023 unterstreicht die wachsende Bedeutung des Standorts im Ringen der Weltmächte um Einfluss in der Arktis.

Natürlich war dies nicht das erste Mal, dass die USA die Bedeutung des Stützpunkts oder der Insel hervorgehoben haben. Im Jahr 2019 bekundete Trump sein Interesse am Erwerb Grönlands, das technisch gesehen ein autonomes dänisches Gebiet ist, aufgrund der strategischen Bedeutung und des Ressourcenpotenzials der Insel. Sein Interesse machte die sich zusammenbrauenden geopolitischen Spannungen rund um die Arktis deutlich und veranlasste den russischen Präsidenten Wladimir Putin damals, seine Besorgnis über den wachsenden Einfluss der Nato in der Region zu äußern und die US-Präsenz in Grönland als Bedrohung zu betrachten. Als Reaktion auf die eskalierenden Spannungen und zur Wahrung der strategischen Stabilität verlängerten die USA und Russland den New-START-Vertrag im Februar 2021 um weitere fünf Jahre bis zum 5. Februar 2026. Mit dieser Verlängerung wurden die im Vertrag festgelegten überprüfbaren Obergrenzen für die strategischen Nukleararsenale beider Länder beibehalten. Im Jahr 2023 kündigte Russland jedoch die Aussetzung seiner Teilnahme an dem Vertrag an und verstärkte seine militärische Aufrüstung in der Arktis. Kürzlich erklärte der russische Präsident, er habe nichts dagegen, dass die USA Grönland „einnehmen“ – schließlich würde ein solcher Schritt Russlands eigenes expansionistisches Vorgehen in der Ukraine widerspiegeln.

Alle wesentlichen Änderungen erfordern die Zustimmung Europas

Trumps Wunsch, Grönland zu erwerben, stieß jedoch auf heftige Kritik aus Europa, wenn auch außerhalb Dänemarks weniger laut. Während sich dänische Beamte vehement dagegen aussprachen, blieben andere europäische Länder relativ ruhig – fast so, als ob sie nicht ganz verstanden hätten, was vor sich ging. Ganz anders übrigens als im Zusammenhang mit den Vorgängen in der Ukraine, die weiterhin deutliche europäische Reaktionen hervorrufen.

Als Reaktion auf das erneute Interesse der USA an Grönland erklärte Moskau am 27. März, dass es bereit sei, seine arktischen Interessen zu verteidigen. Gleichzeitig machten die europäischen Staats- und Regierungschefs deutlich, dass sie die Sanktionen gegen russische Banken nicht aufheben würden, und lehnten die Forderungen Russlands ab, seinen Agrarsektor zu unterstützen und einen ausgehandelten Waffenstillstand für die Schwarzmeerhäfen und die Energieinfrastruktur durchzusetzen. Obwohl Trump angedeutet hat, dass die Vereinigten Staaten eine Unterstützung der russischen Landwirtschaft in Erwägung ziehen könnten (und sogar so weit ging zu sagen, dass die Sanktionen nicht unantastbar sind), ist es in der Realität so, dass alle wesentlichen Änderungen die Zustimmung Europas erfordern würden. Das liegt daran, dass SWIFT, das globale Finanznachrichtensystem, seinen Hauptsitz in Brüssel hat und nach europäischem Recht arbeitet.

Das Zögern der EU, den russischen Forderungen nachzukommen, könnte auch mit Trumps Drohungen zusammenhängen, Zölle auf EU-Exporte in die USA zu erheben. Die vorgeschlagenen Zölle werden als Vergeltung für Europas „Handelsungleichgewichte“ und hohe Zölle auf US-Waren wie Autos dargestellt. Dem Vereinigten Königreich – offiziell außerhalb der EU – wurden ebenfalls Zölle gegen seine Automobilindustrie angedroht. Dies mag erklären, warum die Europäische Union und das Vereinigte Königreich am 27. März nicht nur erklärten, dass die russischen Sanktionen nicht aufgehoben werden, sondern dass sie sogar noch verschärft werden könnten. Ihre Erklärung könnte jedoch auch mit dem Auftreten der USA und Russlands in der Arktis zu einem Zeitpunkt zusammenhängen, an dem sich Europa in einem angespannten Umfeld befindet.

All dies verdeutlicht die komplexe Dynamik, die im Spiel ist, wo die Rhetorik der USA, die europäische Vorsicht und das britische Durchsetzungsvermögen die allgemeine Reaktion auf das russische Vorgehen in der Ukraine, der Arktis und darüber hinaus bestimmen. Da so viel auf dem Spiel steht, wird immer deutlicher, dass das Ergebnis der Verhandlungen kein dauerhafter Frieden sein wird, sondern eher ein verwalteter Konflikt, der in einem zerbrechlichen Waffenstillstand verharrt und zu einem Wiederaufflammen neigt, wenn kein wirklich umfassendes Abkommen erreicht wird. Es bleibt die Frage, ob dieses vorläufige Gleichgewicht halten kann oder ob (und wie schnell) neue Krisenherde auftauchen werden.
 

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Ernst-Günther Konrad | Di., 1. April 2025 - 14:21

Und wir werden sehen, keiner der Michelin Männchen, die sich da gerade aufplustern, wird am Ende seine Vorstellungen ohne Federn zu lassen durchsetzen. Natürlich baut Trump Drohgebärden auf, stellt Putin so weit wie es geht weiter Forderungen und sie alle wissen, dass manches gar nicht oder nur zum Teil mit Einschränkungen/Zugeständnissen umsetzbar ist. Immer mehr fordern, um am Ende überhaupt in der Sache ein Minimum zu erreichen. Das ist schon interessant. GB (nicht mehr in der EU) und Frankreich sollen also das Sprachrohr für EU/NATO im UA Konflikt sein. Von dem deutschen Super Kanzler Scholz und seinen Spitzennachfolger Merz spricht da wohl niemand. Ist nur angemessen. Da ist einer unfähiger als der andere und man hat ja in Old Germany genug Baustellen und mit den USA kann man so wie so nicht so gut. Ich bleibe dabei. Putin und Trump machen beide viel Theater und brennen zur Ablenkung das ein oder andere Feuerwerk ab. Aber hinter den Kulissen machen die ihren Deal ohne die EU.

Christoph Kuhlmann | Mi., 2. April 2025 - 11:15

Die USA scheinen unter Trump einen Rückschritt in den Kolonialismus anzustreben. Der schien ja in der westlichen Welt seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts durch die USA in der Suez-Krise beendet worden zu sein. England und Frankreich wollten den Suezkanal gegen den Widerstand der US-Regierung erneut in Besitz nehmen. Offenbar sind die USA zu komplexeren Formen globaler Steuerung nicht mehr fähig. Sie reduzieren sich zunehmen auf Projektionen ihrer militärischen Macht und der Bündelung ihrer Nachfragemacht durch Zölle. Diese kommen der höchsten Steuererhöhung seit den 50 Jahren gleich. Das ganze nachdem bereits mehr als 4 Billionen Börsenwert durch die Ankündigung der Zölle an der Wallstreet vernichtet wurden. Man kann nur hoffen, dass Trump ganz schnell zurück rudert. Die Gegenschläge sind in dem zwangsläufig folgenden Rezessionsszenario noch gar nicht berücksichtigt. Das Ausmaß könnte Prozentual die Armut in England nach dem EU - Austritt noch übertreffen.