- Rumäniens Schockwahlen
Der Sieger der ersten Runde des rumänischen Präsidentschaftswahlkampfes steht der Nato und der EU kritisch gegenüber. Das erstaunliche Ergebnis passt zum Trend in der EU: Unzufriedene Wähler stimmen für Kandidaten, die sogar tabuisierte Ideen vertreten.
Das erste Opfer der rumänischen Präsidentschaftswahlen waren die Meinungsumfragen, von denen sich keine als richtig erwies. Das zweite Opfer könnten die postkommunistischen Ideale des Landes sein, einschließlich seiner pro-westlichen Ausrichtung. Der unabhängige Kandidat Calin Georgescu ging als Überraschungsgewinner aus dem ersten Wahlgang am 24. November hervor.
Mit 22,9 Prozent der Stimmen lag der nationalistisch-populistische Georgescu vor den pro-westlichen Kandidaten Elena Lasconi und Marcel Ciolacu, dem derzeitigen Premierminister, die beide rund 19 Prozent der Stimmen erhielten. Lasconi belegte knapp den zweiten Platz und wird am 8. Dezember in die Stichwahl mit Georgescu einziehen. Diese erstaunlichen Ergebnisse passen zu einem allgemeinen Trend in der europäischen Politik des zurückliegenden Jahrzehnts, bei dem unzufriedene Wähler die etablierten Parteien zugunsten von Kandidaten ablehnen, die unorthodoxe, ja sogar tabuisierte Ideen vertreten.
Wichtige Energie- und Handelsrouten
Rumänien, Mitglied der Nato und der EU, ist nach europäischen Maßstäben recht groß und bevölkerungsreich, aber nicht wohlhabend. Was das Ergebnis dieser Wahl so bedeutsam macht, ist seine Lage. In einer Zeit, in der sich Russland direkt im Krieg mit der Ukraine befindet und indirekt gegen die Nato kämpft, ist Rumänien neben Russland das einzige Land, das sowohl an das Schwarze Meer als auch an die Ukraine grenzt, was ihm eine Schlüsselrolle bei der Sicherung der Stabilität der Ostgrenzen Europas verleiht.
Durch Rumänien verlaufen wichtige Energie- und Handelsrouten auf dem Weg nach Westeuropa. Es beherbergt bedeutende militärische Einrichtungen der USA (den Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogalniceanu und den Militärstützpunkt Deveselu, der bis vor kurzem Washingtons einziges ballistisches Raketenabwehrsystem Aegis Ashore in Europa beherbergte) und arbeitet eng mit den USA beim Austausch von Informationen und bei der Terrorismusbekämpfung zusammen.
Rumänien ist auch eine Brücke zwischen West- und Osteuropa und unterstützt die Bemühungen, mit den postsowjetischen Ländern in Kontakt zu treten, Moldawien zu stabilisieren und die Ukraine zu stärken. Eine politische Neuausrichtung in Rumänien könnte die Fähigkeit der Nato zur Bewältigung regionaler Sicherheitsherausforderungen erheblich beeinträchtigen.
Im politischen System Rumäniens teilen sich die Präsidenten die Macht mit dem Parlament. Er ernennt den Premierminister (sowie andere Positionen wie die Leiter der Inlands- und Auslandsnachrichtendienste), aber das Parlament muss seiner Wahl zustimmen. Der rumänische Präsident ist auch für die Außenpolitik und die nationale Sicherheit zuständig, führt den Vorsitz im Obersten Rat für Nationale Verteidigung und kann Regierungssitzungen zu Themen leiten, die in seinen verfassungsmäßigen Zuständigkeitsbereich fallen. Daher könnten die Parlamentswahlen in Rumänien am 1. Dezember entscheidend sein.
Postkommunistische Geschichte
Da Georgescu seit 1991 in der öffentlichen Verwaltung tätig ist, ist er in der rumänischen Politik kein Unbekannter. Sein Name tauchte 2011 und 2012 als potenzieller technokratischer Premierminister auf, und auch 2020, als er der populistischen, ultranationalistischen Allianz für die Union der Rumänen (AUR) beitrat. Die AUR trennte sich jedoch 2022 von Georgescu, nachdem er eine Reihe umstrittener Äußerungen gemacht hatte, in denen er Corneliu Zelea Codreanu, den Führer der Eisernen Garde Rumäniens, einer rechtsextremen, ultranationalistischen und faschistischen Bewegung in der Zwischenkriegszeit, und Ion Antonescu, einen verurteilten Kriegsverbrecher, der 1946 hingerichtet wurde, verteidigte. Anstatt sich einer anderen politischen Partei anzuschließen, entschied sich Georgescu, bei den Wahlen 2024 als Unabhängiger anzutreten.
Im Mittelpunkt von Georgescus Kampagne steht die Kritik an der 35-jährigen postkommunistischen Geschichte Rumäniens, die seiner Meinung nach den einfachen Rumänen nicht zugute gekommen ist. Er bedient sich einer Nostalgie, die die Versäumnisse des Kommunismus zugunsten anderer Aspekte wie stabile Arbeitsplätze, erschwingliche Wohnungen und Sicherheit herunterspielt und dabei die Tatsache ignoriert, dass es sich dabei um staatlich erzwungene Maßnahmen handelte, die von einem starken Polizeiapparat und einem allgegenwärtigen Geheimdienstapparat begleitet wurden.
Seine Reden haben einen mystischen Ton, und er bezieht sich häufig auf das Christentum und traditionelle Werte, die er als zentral für die einzigartige Identität Rumäniens ansieht. Er ist ein entschiedener Gegner der Nato und behauptet, das Bündnis biete Rumänien keine echte Sicherheit, und er hat das US-Raketenabwehrsystem auf dem Militärstützpunkt Deveselu als „diplomatische Peinlichkeit“ bezeichnet. Georgescu plädiert dafür, dass Rumänien sich von westlichem Einfluss und westlicher Propaganda lösen, Russlands „Weisheit“ verstehen und den Frieden in der Region fördern sollte.
Spekulationen über russische Beteiligung
Sein überraschender Wahlerfolg wurde durch eine intensive Social-Media-Kampagne in den letzten beiden Wochen des Wahlkampfs begünstigt. Georgescus nationalistische und populistische Botschaft, die sich gegen das Establishment richtete, war auf TikTok, einer Plattform, die bei jüngeren Menschen und desillusionierten Wählern beliebt ist, besonders wirksam.
Angesichts der Tatsache, dass Russland in der Vergangenheit Bewegungen wie die von Georgescu unterstützt hat, insbesondere durch Einflussnahme in den sozialen Medien, sowie der Tatsache, dass russische Medien zu den ersten gehörten, die seinen Einzug in die zweite Runde vorhersagten, haben einige Beobachter über eine mögliche russische Beteiligung am Erfolg seiner Kampagne spekuliert. Doch während Russland seine außenpolitischen Ansichten begrüßt, liegen die tieferen Gründe für seine Anziehungskraft darin, dass er die wachsende Unzufriedenheit der Rumänen mit den etablierten politischen Parteien und seine Sehnsucht nach der vermeintlichen Stabilität und Sicherheit der kommunistischen Ära geschickt zu nutzen weiß.
Anti-Mainstream-Narrative
Georgescus wichtigste Herausforderin, Elena Lasconi, hat ihre Kampagne ebenfalls auf Anti-Mainstream-Narrativen aufgebaut, befürwortet jedoch progressive Reformen, die auf eine stärkere soziale Integration abzielen. Ihr Programm betont die Stärkung der demokratischen Institutionen, die Bekämpfung der Korruption und die Gewährleistung gleicher Chancen für alle Rumänen. Nach der Bekanntgabe der Wahlergebnisse der ersten Runde bekräftigte sie ihr Bekenntnis zur prowestlichen Ausrichtung Rumäniens und argumentierte, dass die Mitgliedschaften in der Nato und der Europäischen Union wichtig für die Sicherheit des Landes seien.
Das starke Abschneiden der Anti-Establishment-Kandidaten in der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen spiegelt den wachsenden Appetit auf politische Veränderungen wider – ein ermutigendes Zeichen für nationalistische und populistische Parteien im Vorfeld der Parlamentswahlen am 1. Dezember. Gleichzeitig verdeutlichen der Wahlkampf und seine Ergebnisse die sich vertiefende Polarisierung in Rumänien. Die Kampagnen von Georgescu und Lasconi stellen die Rumänen vor die Wahl, den prowestlichen Kurs ihres Landes beizubehalten oder sich dem Isolationismus oder sogar Russland zuzuwenden. Ob die rumänischen Wähler einen Wechsel in der Außenpolitik des Landes gutheißen, wird sich zeitnah entscheiden.
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Als ich bei dieser gefühlten „Standard“-Zeile ankam, hatte mich die Lust - an der eigentlich interessanten Lektüre - leider - verlassen.
Warum?
Wenn so etwas postuliert wird suggeriert man - uns den Lesern - „die infantile Unselbständigkeit der erwachsenen Rumänen“.
Diese monopolitische Weltsicht mit Agenda beleidigt mein Intellekt.
Es lebe das multikulturelle rumänische Volk!
Und nun wird in Rumänien überlegt wie die Wahl annuliert werden kann, damit dann auch gewiss der "richtige" Mann an der Spitze steht. 😉
Wie oft hört man, dass in Rumänien alles teuer geworden ist (wegen der EU-Mitgliedschaft, heisst es), die Einkommen niedrig bleiben. Kurz, es geht das Gespenst der Fremdbestimmung um, Rumänien verliere seine Bestimmung über das eigene Schicksal, seine Souveränität.
Es ist somit eine Antithese gegenüber der nahezu ideoligischen Anschauung der EU-Administration, ein gemeinsamer Markt mit der einhergehenden Gleichmacherei sei ein Bindemittel, um ein gemeinsames Haus zu errichten. So einfach scheint dies nun doch nicht zu sein. Wir erleben gerade eine konträre Tendenz.
Russland ringt mit und das erstaunlich erfolgreich. Die Definition dieses europäischen Wertekanons ist niemals abgeschlossen. Kräfte, die die eigenen Werte für verbindlich halten werden sich wundern.
Ich drücke Herrn Calin Georgescu beide Daumen bei der kommenden Stichwahl, Denn er ist bestrebt Frieden in Europa, vor allem in der Region zu fördern. Das ist das Wichtigste was im Moment erreicht werden muss und allen friedliebenden Menschen ein Herzensanliegen ist. Und nebenbei bemerkt, liebes Cicerobüro, Sie schreiben Frau Antonia Colibasanu ist Analystin bei Geopolitical Futures und Dozentin an der rumänischen National Defence University. Das strotz nur so vor Anglizismen. Was soll da anderes herauskommen als dieser Text?
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Übrigens, ich war vor kurzem in Rumänien und kann mir ein Bild von der Lage dort machen.
die veröffentliche Meinung wieder mal geschlagen was ja eine Frechheit von den Wählern ist. Aber keine Sorge die passenden NGO`s zum Bspl. LibMod und die PR Abteilung der CIA werden schon zur Stelle sein um die richtige Person ins Amt zu heben. Obwohl sie derzeit auch noch in Georgien alle Hände voll zu tun haben. In Moldau ist es ja gerade noch mal gut gegangen dank der Stimmen aus dem Ausland. Ja der berechenbare Wähler wird immer unzuverlässiger und wählt einfach drauflos ohne Rücksicht auf die Wünsche der Strippenzieher im Hintergrund.
die NGO`s sind schon aktiv. Es werden schon die bekannten Register gezogen um die Kandidatur evtl. zu verhindern.
sind natürlich ganz klar ermutigende Zeichen für nationalistische und populistische Parteien-in meiner Naivität hätte ich jetzt behauptet, das wäre Demokratie und Meinungsfreiheit. Aber natürlich kann es das gar nicht sein, da das ja gegen eine
prowestlichen Ausrichtung Rumäniens und gegen die Mitgliedschaften in der Nato und der Europäischen Union wäre. Wenn ich lesen muss, dass Kandidaten tabuisierte Ideen vertreten, stelle ich mir mittlerweile immer die Frage, wer diese Ideen denn tabuisiert und warum. Davon haben wir hier ja auch reichlich, und natürlich: alles populistisch. Ein Artikel, der die Position des Autors deutlich erkennbar werden lässt und ein Paradebeispiel für Meinungsmache im Ausland. Die Rumänen werden Gründe für ihr Wahlverhalten haben, am Ende müssen sie, so oder so, mit den gewählten Konsequenzen leben.
die auf die "..andere(n) Aspekte wie stabile Arbeitsplätze, erschwingliche Wohnungen und Sicherheit ..." dankend verzichten und "Freiheit und Menschenrechte" als theoretisches Nonplus -Ultra bevorzugen. Irgendwie scheint den Medien der Durchblick zu fehlen.
"Tabuisiert" ist eine beschönigende Umschreibung für POLITISCHE ZENSUR! Die meisten von uns kennen sicherlich das alte deutsche Volkslied über die Gedankenfreiheit. "Die Gedanken sind frei" geht in seiner heutigen Fassung auf die 1842 durch August Heinrich Hoffmann von Fallersleben geschaffene Version zurück. Heute leben wir zwar in einer parlamentarischen Demokratie, doch die Meinungsfreiheit wird, unter dem Deckmantel eines in Europa um sich greifenden "dogmatischen Neoliberalismus" immer weiter eingeschränkt! Wehret den Anfängen!
Da entscheidet sich ein Volk, dass jahrelang unter sowjetischem Diktat stand und nun frei sein will dafür, sich dem Westen anzunähern, in der Hoffnung, endlich eine Demokratie zu werden und Freiheit genießen zu können. Und was erlangt dieses Volk und ihr Staat? Eine durch Bürokratie, eine mit Erpressung und Drohung arbeitende, die Freiheit einschränkende EU, die den Bürger bis ins Kleinste reglementierende und bevormundende will. Und das machen Diktatur erfahrene Völker, gerade die aus dem Osten eben nicht mehr mit und wählen diejenigen, die sich diesem EU-Diktat widersetzen. Und schon wird wieder die "rechtspopulistische Keule" ausgepackt und vor einem faschistischen Staat gewarnt.
Es ist Sache der Rumänen sich ihre Regierung auszusuchen und die zu wählen, denen sie vertrauen. Die linken Demokratiezerstörer und EU-Sklaven haben ihre Chance vertan. Jetzt sind eben mal andere dran es besser zu machen. Lassen wir doch den anderen erstmal Zeit zu beweisen, was sie wollen und können.
Was für ein großartiger Kandidat, dieser Herr Georgescu. Die Stimmung, die ihn trägt, deckt sich mit meinen eigenen Eindrücken in einer rumänischen Großstadt an der Grenze zur Republik Moldau im Sommer letzten Jahres. Ich sah keine einzige Ukrainefahne, übrigens auch keine Regenbogenfahne, obwohl "Pride month" war, dafür überall rumänische Fahnen, auch in den Kirchen, die übrigens zu jeder Tageszeit voller Betender waren. Was für ein großartiges Land, das seine Kultur gegen den Zugriff des verrückt gewordenen Westens verteidigen muss. Eine EU, die einem Land wie Rumänien nicht gestattet, seine Identität zu bewahren, ist ein Völkergefängnis, eine EUdSSR. Und natürlich wäre die Stationierung weiterer Nato- bzw. US-Truppen und Raketen eine Gefährdung der Sicherheit Rumäniens.
Was natürlich auch auffiel, war, dass man fast nur Rumänen auf den Straßen sah. Und Zigeuner natürlich. Die nennen sich dort selbst so und gehören dazu. Es gibt dort viel zu verteidigen gegen die EU.
Die Entwicklungen in Rumänien, die sie begleiteten Stimmungen und Handlungen sind mir sehr vertraut – seit 1994. Die Beiträge von Frau Colibasanu aus „rumänischer Sicht“ verfolgte ich auch deshalb immer mit Interesse. Das nun auch in Rumänien die Russen maßgeblich Schuld am aktuellen Wahlergebnis sein sollen – geschenkt. Das Establishment hat das Ergebnis nicht erwartet, es taugt nur noch für Propaganda. Wenigstens zum Angst machen. Richtig ist, dass Rumänien sich seid langem zum Ziel gemacht hat – nicht nur die Stützpunkte, auch der Transit von Waffen und militärischer Ausrüstung über die Theiß. Sicht - und spürbar für jeden, der von Süd nach Nord fährt. Viele Rumänen haben erkannt, dass sie nur solange nützlich sind, wie sie die niedrigsten Löhne hatten. Dazu regt sich nun auch der Selbsterhaltungstrieb. Herr Georgescu punktet, weil etliche seiner Argumente durch Erfahrungen belegt sind. Das ist einer Analystencommunity wie Geopolitical Futures schon klar – aber das Establishment..