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Grünen-Programm - Nach Staatsfernsehen jetzt Staatspresse

Weil das System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks so toll funktioniert, wollen die Grünen am liebsten auch die Zeitungslandschaft damit beglücken

Alexander Marguier

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Aha, das ist also die weltbewegende Nachricht aus dem Paralleluniversum der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten: Reinhold Beckmann gibt Ende des nächsten Jahres seine nach ihm benannte ARD-Talkshow auf. „Freiwillig“, wie es immer so schön heißt, wenn jemand einen solchen Schritt tut, bevor ihm andere mutwillig den Stuhl vor die Tür setzen.

Ich habe, ehrlich gesagt, keine Meinung dazu, ob anstatt Beckmanns ein anderer Gesprächsmeister aus dem Talk-Kollegium der ARD hätte aussortiert werden sollen. Und zwar ganz einfach deshalb, weil ich mir schon seit geraumer Zeit diese Formate nicht mehr ansehe. Vielleicht ist das ein Fehler, ich weiß es nicht. Aber zum Zeitpunkt meines Ausscheidens aus der aktiven Zuschauerschaft, die sich übrigens auf das Gesamtprogramm von ARD und ZDF erstreckt, habe ich mich bei diesen Sendungen immer gelangweilt (bei Beckmann noch am wenigsten, aber das nur nebenbei). Den Fernseher haben wir trotzdem zuhause behalten, weil es dank der Haushaltsabgabe ja ohnehin keinen Unterschied mehr macht, ob man das öffentlich-rechtliche Angebot nutzen will oder nicht. Außerdem wird die Glotze noch als Abspielgerät für die eine oder andere amerikanische Serie benötigt, erhältlich auf DVD im nahegelegenen Elektronikmarkt. Zuletzt war „Sons of Anarchy“ dran, eine Westküsten-Adaption von Shakespeares „Hamlet“, angesiedelt im Biker-Milieu. Großartig. [[nid:54521]]

Nein, keine Angst, jetzt folgt nicht das übliche Feuilletonisten-Hohelied auf die amerikanische Serienkultur. Und ich stelle auch nicht die müßige Frage, warum das deutsche Staatsfernsehen trotz Milliardenzuflüssen aus der TV-Steuer nicht einmal ansatzweise in der Lage ist, etwas Vergleichbares auf die Beine zu stellen. Denn die Antwort liegt ja auf der Hand. Genauso gut könnte man vom örtlichen Finanzamt erwarten, dass es eine flotte Inszenierung der Dreigroschenoper hinlegt. Behörden sind eben zum Verwalten da, und die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind mit der Verwaltung ihrer selbst schon beschäftigt genug. Außerdem brauchen sie das Geld für Pensionsrückstellungen, da bleibt für Kunst nicht mehr viel übrig.

Finden wir uns also am besten einfach damit ab, dass ARD und ZDF bis zum Sankt Nimmerleinstag ihr gremienfixiertes Eigenleben führen werden – ob mit oder ohne Publikum vor den Bildschirmen. Obwohl: Wenn gar keiner mehr zuschaut, kommt am Ende womöglich noch irgendein Landespolitiker auf die Idee, die Deutschen zu einem wöchentlichen Mindestkonsum des Programms der Öffentlich-Rechtlichen zu verpflichten. Wäre ja auch nur gerecht: Wer zahlen muss, der soll gefälligst auch glotzen! Außerdem hätte man auf diese Weise eine prima Anschlussverwendung für die arbeitslosen GEZ-Kontrolettis gefunden: als TV-Nutzungs-Warte mit überraschenden Hausbesuchen während der Ausstrahlung der Tagesthemen, des Heute Journals oder von „Hart, aber fair“. Ökonomen sprechen in diesem Zusammenhang von „meritorischen Gütern“: Wenn uneinsichtige Bürger eine bestimmte Ware oder Dienstleistung einfach nicht genug nachfragen, hilft ihnen Vater Staat mit entsprechenden Konsumverpflichtungen eben ein bisschen auf die Sprünge.

Besonders alert auf dem Gebiet staatlicher Zwangsbeglückung sind ja – wir erwähnten es an dieser Stelle bereits – die Grünen. In deren aktuellem Wahlprogramm taucht demgemäß auf jeder Seite ungefähr einhundert Mal das Wörtchen „muss“ auf, wo nach weniger rigoristischer Weltsicht besser „sollte“ stünde. Diese bündnisgrüne Umkehrung des Swingerclub-Mottos „Alles darf, nichts muss“ in ein beherztes „Alles muss, und was gedurft wird, entscheiden gefälligst wir“ erstreckt sich natürlich auch auf Medienthemen.

Kleines Beispiel gefällig? Bitteschön: „Ein qualitativ hochwertiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss auch in der digitalen Welt eine wichtige Rolle spielen. Weil die Nutzerinnen und Nutzer zunehmend über das Internet Rundfunkangebote nutzen, müssen die Angebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten dort auch dauerhaft präsent sein. Wir wollen deshalb die De-Publikationspflicht von ARD und ZDF beenden.“

Damit zielen die Grünen auf nichts anderes als einen Eingriff in den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, wonach die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ihre journalistischen Inhalte nur für einen bestimmten Zeitraum ins Netz stellen dürfen. Die Idee hinter diesem „Verweildauerkonzept“ ist klar: Wenn ARD und ZDF schon durch eine verpflichtende Haushaltsabgabe alimentiert werden, sollen sie den privaten Medien nicht auch noch online das Wasser abgraben. Denn alles andere wäre noch wettbewerbsverzerrender als es ohnehin schon ist. Dass die Grünen mit ihrer etatistischen Agenda diese Lösung nun kippen wollen, liegt auf der Hand.[[nid:54521]]

Ein paar Zeilen weiter heißt es im Wahlprogramm von Bündnis90/Die Grünen dann aber wie folgt: „Wir sehen mit Sorge, dass die vielfältige Zeitungslandschaft in Deutschland unter starkem ökonomischen Druck steht.“ Was sie indes nicht sehen (oder nicht sehen wollen), ist die Möglichkeit eines Kausalzusammenhangs zwischen einem hochprivilegierten öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem und dem mit Krokodilstränen bejammerten Druck auf privat finanzierten Journalismus. Doch ein grüner Ausweg aus der Misere ist gottlob bereits in Sicht: „Auf Basis wissenschaftlicher Erhebungen“ soll eine „Debatte über Stiftungsmodelle und Geschäftsmodelle“ sowie darüber angestoßen werden, wie eine „unterstützende, indirekte und gezielte Förderung“ der Presseverlage aussehen könnte. Kleine Frage im Anschluss: Wer sitzt dann wohl in den Stiftungsgremien der öffentlich subventionierten Tageszeitungen?

Reinhold Beckmann hat seinen Rückzug aus dem TV-Talkzirkus damit begründet, er wolle nicht „Gegenstand eines senderpolitischen Ablass- oder Kuhhandels“ werden. Schön gesagt. Aber irgendwie auch komisch, denn der politische Kuhhandel gehört nun einmal zum Wesenskern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Presselandschaft aber möge man doch freundlicherweise davor verschonen.

 

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