() BA-Chef Frank-Jürgen Weise
Ein Offizier für Nürnberg
Frank-Jürgen Weise ist seit zwei Jahren Chef der Bundesagentur für Arbeit. Mit dem Bundeswehrkonzept der inneren Führung, "Motivation durch Überzeugung", will der Kompaniechef a.D. die schwerfällige Behörde zu einer effizienten Eingreiftruppe machen.
Jeden Monat muss er das Unheil verkünden. Jeden Monat tritt Frank-Jürgen Weise in der Nürnberger Betonburg vor die Kameras und präsentiert die Arbeitslosenzahlen. Gut sind die selten, kein angenehmer Auftritt also. Weise und seine Leute haben ihn unmerklich verändert – doch statt den Chef etwas herauszunehmen aus dem grellen Scheinwerferlicht, statt seine Stellvertreter Erklärungen vortragen zu lassen für flaue Vermittlungserfolge und Stellenmangel, stellt Weise jetzt allein die Werte vor, im Stehen. Er mag sich nicht wie seine Vorgänger hinter einem massigen Pult verschanzen, ein schlanker Stehtisch ersetzt es. Sehr gerade hält sich der klein gewachsene 54-Jährige, so drückend die Zahlen auch sind. Es ist eine Mischung aus Demut und Geltungswillen.
Zwölf Jahre lang war Weise bei der Bundeswehr, wurde Offizier, zuletzt Kompaniechef. Die Armee hat ihn mehr als alles andere geprägt, mehr als seine Herkunft aus dem sächsischen Radebeul, aus dem seine Eltern schon vor dem Mauerbau nach Westen zogen, mehr als die spätere Gründung und Führung eines Unternehmens für Logistik-Software mit 1600 Mitarbeitern und erfolgreichem Börsengang. Nicht, dass Weise die Arbeitsagentur im Kasernenhofton rumkommandiert; er ist ein auffallend leiser Boss, sogar der Betriebsrat rühmt seine Fähigkeit zum Zuhören.
Als Offizier verpflichtet hat sich Weise, weil er an der Bundeswehr-Uni studieren wollte, Betriebswirtschaft. Dabei hätten ihm seine Eltern auch das Studium an einer anderen Hochschule finanziert. Doch Weise suchte beim Militär etwas, was er damals Anfang der wilden siebziger Jahre woanders nicht zu finden glaubte: Ordnung. Einen verlässlichen Rahmen, so formuliert er es selbst. In der Grundausbildung wurde Weise in Ausgehuniform ins Gelände gescheucht, Liegestützen im Schlamm, um anschließen wegen des verdreckten Anzugs zusammengebrüllt zu werden. Auch wegen dieser Schikanen wurde Weise Offizier: um es anders zu machen. Er glaubt an das Bundeswehrkonzept der inneren Führung, an Motivation durch Überzeugung. Doch in der Arbeitsagentur hat er das Problem, dass manchen der 90000 alteingesessenen Mitarbeiter jede Überzeugung fehlt.
Nicht allein die Sehnsucht nach Ordnung zog Weise zur Armee. Er suchte auch das Risiko, das Abenteuer, die Grenzerfahrung. Weise wurde Fallschirmspringer, warf sich aus Hubschraubern und Transportflugzeugen. Er raste mit einem wendigen Cross-Motorrad, einer 125er Maico in der Militärversion, querfeldein und absolvierte freiwillig Gewaltmärsche, 200 Kilometer in vier Tagen.
Wenn Weise heute trotz aller zur Schau gestellten Bescheidenheit gegenüber den Berliner Politikern zu deren leichtem, aber beständigem Ärger hartnäckig die Haltung vertritt, dass er mehr Ermessensentscheidungen für seine Arbeitsvermittler will und weniger gesetzliche Pflichtleistungen, dann hat auch das mit seinen Erfahrungen als Soldat zu tun. Weise ist kein Draufgänger, aber Herausforderungen reizen ihn.
Die Dialektik der Bundeswehr aus Ordnungsliebe und Wagemut hat Weise geprägt, genauso aber der Umgang mit jenen, denen beides fremd war. Als Jugendoffizier wurde der Mittzwanziger in friedensbewegte Schulklassen geschickt. Es herrschte der Kalte Krieg, und hitzig – so räumt er ein – verteidigte Weise die Politik der Abschreckung. Das viele Diskutieren aber hinterließ Wirkung. Auf paradoxe Art ist Weise ein später 68er: Er trat in die CDU ein und ging in seiner hessischen Heimat in die Kommunalpolitik, als Soldat war er dort eine lebende Provokation, um mit den Grünen über die Startbahn West zu debattieren. Er gewöhnte sich an den Umgang mit Andersdenkenden, lernte Empathie.
Als der Skandal um geschönte Vermittlungszahlen den SPD-Politiker Florian Gerster an die Spitze der Arbeitsagentur brachte, holte dieser sich Weise zunächst als Finanzvorstand. Sie kannten sich – aus gemeinsamen Tagen bei der Bundeswehr. Gerster stürzte über seinen Hochmut und die freihändige Vergabe kostspieliger Beraterverträge. Weise ist nun die letzte Chance der Nürnberger Behörde, durch radikalen Umbau ihrer Auflösung zu entgehen. Die Krise von Arbeitsmarkt und Agentur eröffnet ihm die Möglichkeit, interne Zielvereinbarungen zu erzwingen und die Tätigkeit der Vermittler zu systematisieren, bei teuren Kursen für Arbeitslose zu kürzen und erstmals seit Jahren ein finanzielles Plus zu erwirtschaften.
Dass er mit der besseren Verwaltung der Arbeitslosen deren Zahl allenfalls um wenige Hunderttausend senken kann, weiß Weise. Es schreckt ihn nicht. Er ist Offizier.
Foto: Picture Alliance
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