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"Nimm den Heil, der ist loyaler"
Keinerlei Vorschusslorbeeren: Lediglich 61,7 Prozent der SPD-Deligierten wählten Hubertus Heil zu ihrem neuen Generalsekretär. Der 33-Jährige, der als Beruf „Referent“ angibt, tritt das Erbe von Peter Glotz und Egon Bahr an. Und muss sich nun beweisen.
Es gibt Sätze, die sind so wahr und so geheimnisvoll, dass sie den Zuhörer überwältigen. „Wer im Sommer ernten will, darf im Herbst nicht vergessen zurückzuschneiden“, sagt Peter Sellers als Mr. Chance in Hal Ashbys Filmlegende. Und so stürzt der Gärtner mit seinen gesammelten Banalitäten die politische Klasse, die ihn für seine urwüchsige Klarheit bewundert, in große Nachdenklichkeit.
„Warum sollte nicht auch für die SPD die Sonne im Osten aufgehen?“, fragte Hubertus Heil, der junge Abgeordnete aus Peine. Und bald darauf war ein Parteivorsitzender in die Flucht geschlagen und der Weg geebnet für den Hoffnungsträger aus dem Brandenburgischen. Nur dass es sich dabei um die Wirklichkeit handelt, nicht um eine Polit-Satire. Oder ist der neue Generalsekretär der SPD der Prototyp des Politikdarstellers? „Die Partei muss Mitglieder gewinnen, sie muss in einer sich dynamisch wandelnden Gesellschaft neue Verankerung finden“, entdeckt Heil und zieht den Schluss: „Die neue SPD muss auf ihrem Reformweg nicht nur weiter vorangehen – sie muss ihm auch Ziel und Richtung geben.“
Bislang war der inzwischen 33 Jahre alte Berufspolitiker in erster Linie „Netzwerker“. Er hat jene Gruppierung in der SPD-Bundestagsfraktion mit gegründet, die sich weder dem linken noch dem rechten Flügel zuordnen will. Ein inhaltliches Anliegen verbindet die „Netzwerker“ nicht. Das unterscheidet sie zum Beispiel von den „Jungen Wilden“ in der CDU, die vor Jahren ihren Wunsch nach einer Modernisierung der Union mit dem Kampf um die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts verknüpften. Heil und seine Truppen verbindet das Drängen auf eine Erneuerung der SPD mit dem Ziel des Generationswechsels als solchem. Allein deshalb hat der Mann aus Niedersachsen auch vor dem legendären Montag Ende Oktober, an dem Franz Müntefering fiel, seine Drähte für Andrea Nahles zum Glühen gebracht. Es ging nicht darum, die Linke zu fördern, sondern die alte Garde sollte lernen, dass die Zeiten widerspruchsloser Gefolgschaft vorbei sind.
Hubertus Heil, der früh seinen Vater verlor und gemeinsam mit dem jüngeren Bruder von der Mutter, einer Lehrerin, allein erzogen wurde, ist kein großer Redner oder gar politischer Verführer. Als „sehr zielorientiert“ und „sehr pragmatisch“ beschreibt ihn seine politische Wegbereiterin, die frühere SPD-Parlamentarierin Eva Schlaugat, der er 1998 in den Bundestag folgte. „Er ist weder rechts noch links. Er gehört in die pragmatische Mitte. So arbeitet er auch.“ Die Netzwerker hätten allein ihre Karriere im Blick, formulieren es andere weniger schmeichelhaft.
Dass Hubertus Heil weder in der Parteiarbeit noch fachlich im Wirtschaftsausschuss des Bundestages, dem er bislang angehörte, in exponierter politischer Position verortet wurde, macht es seinen Kritikern leicht, ihn als politisches Fliegengewicht abzukanzeln. Doch vielleicht ist das ja auch ein antiquierter Blick auf die Politik. Heil wird in seinem neuen Amt im Wesentlichen das tun müssen, was er schon immer tat: Strippen ziehen. Bereits während der Schulzeit in der niedersächsischen Provinz war er im Ortsverein der SPD dabei – und wurde bisweilen für einen Spitzel der Jungen Union gehalten, weil er schon damals Jacketts trug.
Noch heute tritt er immer im Anzug auf und sieht darin so aus wie der klassische SPD-Wähler der sechziger und siebziger Jahre, der sich für die Taufe am Sonntagnachmittag fein gemacht hat. An der Basis fiel er bald auf, weil er fix die Zusammenhänge durchschaute, wusste, wo sich Mehrheiten fanden, und diese flink zu Entscheidungen zusammenband. Früh lernte er Sigmar Gabriel kennen. Die beiden sind sich nicht nur in der Statur ähnlich. Man nannte Heil auch Gabriels Sherpa in Berlin.
Irgendwann auf seinem Weg nach oben muss der Politikstil von Gerhard Schröder den Jungpolitiker überzeugt haben. Denn wie der Alt-Kanzler richtete er seinen Wahlkampf auf die Botschaft aus: „Ich bin einer von euch“. Die Vertraut-mir-dann-wird-alles-gut-Pose beherrscht Heil perfekt und kommt damit in dem sozialdemokratisch dominierten Milieu seiner Heimat an. Offenbar war Schröder auch nicht unbeteiligt daran, dass Heil in die Reihe der Parteimanager treten konnte, in der sich auch große Namen wie Peter Glotz und Egon Bahr finden. Matthias Platzeck habe eigentlich Gabriel zum Statthalter im Willy-Brandt-Haus machen wollen, heißt es. Gerhard Schröder aber soll geraten haben: „Nimm den Heil. Der ist loyaler.“
Für den neuen SPD-Vorsitzenden war das eine bestechende Idee. Denn auch er kennt den „Netzwerker“, der auf seiner Homepage „Referent“ als Beruf angibt und mit einer Anwältin verheiratet ist, schon einige Jahre. Heil baute nach der Wende die SPD in Brandenburg mit auf, studierte dann in Potsdam Politikwissenschaften und Soziologie und arbeitete später in der Landtagsfraktion. Die beiden Männer nennen sich Freunde. Im Osten geht nun einmal die Sonne auf. Der Gärtner im Film bringt es am Ende übrigens bis zum amerikanischen Präsidentschaftskandidaten. Welcome, Mr. Chance.
Martina Fietz ist Parlamentarische Korrespondentin bei Cicero
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